Abgasskandal:Blick in die Röhre

Luftverschmutzung in Hamburg

Dicker Rauch vor dem Auspuff eines Diesel-Autos.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die Nachricht signalisierte endlich Durchgreifen: Verkehrsminister Alexander Dobrindt brachte Anfang des Jahres neue sogenannte Endrohrmessungen für alle Autos ins Spiel. Jetzt wird gestritten.

Von Markus Balser, Berlin

Die Nachricht signalisierte endlich Durchgreifen im Abgas-Skandal: Verkehrsminister Alexander Dobrindt brachte Anfang des Jahres neue sogenannte Endrohrmessungen für alle Autos ins Spiel. Abgaswerte sollten nicht mehr nur aus dem Computer des Fahrzeugs gelesen, sondern am Auspuff gemessen werden, forderte der CSU-Politiker. Die Endrohrmessung könne Manipulationen oder Fehler am Motor entdecken. "Die Einführung ist somit insbesondere aus Gründen des Umweltschutzes dringend geboten", sagt ein Sprecher des Ministeriums. Die Botschaft lautet also: Alles ist gut. Deutschlands Behörden greifen durch.

Bis vor einigen Jahren war die Sonde im Auspuff bei allen Autos Standard. Die Prozedur hieß mal ASU, mal AU - Abgas-Sonderuntersuchung oder Abgasuntersuchung. Wer bestand, bekam einen eckigen Aufkleber auf sein vorderes Kennzeichen. Dann wich sie bei neuen Autos der elektronischen Prüfung. Nun soll das Ritual für alle Autos zurückkehren. Es geht um einiges für den Politiker und die Autobranche. Denn Dobrindt steht bislang als Minister da, dem bei Konsequenzen gegen Abgasmanipulationen nicht all zu viel Tatendrang nachgesagt wird. Zwar lässt sein Ministerium betroffene Autos umrüsten. Doch Strafen für die Hersteller, viel strengere Abgasziele, stillgelegte Autos? Fehlanzeige. Die Europäische Kommission hat inzwischen wegen fehlender Sanktionen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und andere EU-Staaten in der Abgasaffäre eingeleitet.

Möglicherweise aber muss sich die Branche trotzdem auch vor härteren Abgastests am Auspuff nicht fürchten. Denn der aktuelle Vorstoß aus dem Verkehrsministerium hat einflussreiche Widersacher innerhalb der Regierung. Das Bundeswirtschaftsministerium könne dem "Änderungsentwurf der AU-Richtlinie" nicht zustimmen, heißt es in einer E-Mail aus dem Haus von Brigitte Zypries.

Die Begründung könnte kaum schärfer ausfallen: "Die Wirksamkeit der Maßnahme im Hinblick auf die Verbesserung der Luftsituation in den belasteten Innenstadtbereichen ist als unbedeutend einzuschätzen." Illegale "Abschalteinrichtungen können mit dem Verfahren nicht erkannt werden", heißt es weiter. Selbst eine wirksame Kontrolle illegaler Manipulationen durch den Fahrzeughalter müsse hinterfragt werden. Dabei stehe dem "fraglichen Nutzen" ein erheblicher Aufwand "bei den betroffenen technischen Diensten, Werkstätten und Behörden gegenüber". Dazu aber enthalte der Entwurf keine konkreten Angaben und stoße "damit auch haushaltsrechtlich auf Bedenken", heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.

Den Streit wollen die beteiligten Ministerien offiziell nicht kommentieren. Das Verkehrsministerium verweist darauf, dass man die Richtlinie notfalls auch alleine durchsetzen könne. Eine Zustimmung anderer Ressorts sei nicht erforderlich, sagt ein Sprecher. Das Wirtschaftsministerium lässt nur wissen, die Abstimmungen hätten begonnen. Man bringe sich "aktiv" in die Debatte ein.

Der Schlagabtausch macht jedoch deutlich, wie schwer sich die Regierung auch eineinhalb Jahre nach Aufkommen der Affäre damit tut, Konsequenzen zu ziehen. Kritiker werfen der Regierung vor, ihr laxes Vorgehen sei mit dafür verantwortlich, dass erste Städte wie Stuttgart jetzt bei hohen Feinstaubkonzentrationen und Stickoxidwerten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ankündigen müssten.

Auch in der Opposition wächst der Ärger über mangelnde Konsequenzen. Die Reform der Abgasuntersuchung sei eine Nebelkerze, ärgert sich der Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn. An einer ernsthaften Reform der Tests, bei der auch Manipulationen an den Bordcomputern geprüft würden, sei der Verkehrsminister offenbar nicht interessiert. Und auch sonst gebe es kaum Fortschritte. Denn egal, ob es um die geforderte freiwillige Selbstverpflichtung für realistischere Abgaswerte, oder sogenannte Anti-Doping-Tests geht - bislang gibt es wenig Konkretes: "Details werden zur Zeit erarbeitet, heißt es etwa zur freiwilligen Selbstverpflichtung in einer Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Auch das Programm für die "Anti-Doping-Tests" werde derzeit erarbeitet, heißt es weiter. Für die Grünen ist das zu wenig. Bereits im November 2015 habe Dobrindt schärfere Kontrollen angekündigt.

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