Abgasskandal:Audi: Vorsprung durch Schummeln

Abgasskandal: Die Razzia bei Audi wirft ein neues Licht auf die doch als so innovativ geltenden Ingolstädter Autobauer.

Die Razzia bei Audi wirft ein neues Licht auf die doch als so innovativ geltenden Ingolstädter Autobauer.

(Foto: Matthias Schrader/AP)

Die Ingolstädter VW-Tochter hat stets versucht, die Abgasaffäre von sich fernzuhalten. Dieser Plan ist jetzt krachend gescheitert.

Von Thomas Fromm

In der vergangenen Woche stand Audi-Chef Rupert Stadler in einer Halle beim Genfer Autosalon, in der Hand ein Glas Bier. Er sprach über China, die Zukunft von Elektroautos, die Zukunft von Dieselmotoren, und irgendwann wurde er auch nach seiner eigenen Zukunft gefragt. Nun ist es bei Stadler oft so: Wenn es knifflig wird, antwortet er gerne in kurzen Allgemeinplätzen, manchmal auf Englisch. An jenem Abend sagte er: "Don't worry."

Es heißt in Ingolstadt, dass sich Stadler auch deshalb lange Zeit keine Sorgen um seine Zukunft zu machen brauchte, weil er als früherer Büroleiter von VW-Patriarch Ferdinand Piëch unangreifbar gewesen sei. Nun aber hat der VW-Großaktionär in den vergangenen zwei Jahren schwer an Macht eingebüßt im Konzern. Und Audi, die Vorzeigetochter der Wolfsburger, ist in der gleichen Zeit immer stärker ins Zentrum der Dieselaffäre gerückt. Denn schon seit Langem fragen sich viele: Ist die VW-Dieselaffäre nicht im Grunde auch eine Audi-Dieselaffäre? War der Premiumhersteller, der mit dem Slogan "Vorsprung durch Technik" wirbt, auch bei der Manipulation von Motoren ganz weit vorne?

Was Audi-Ingenieure entwickeln, soll auch anderen VW-Töchtern helfen

Um die Rolle Audis im Dieselskandal zu verstehen, muss man sehen, welche Bedeutung Audi im großen VW-Konzern hat. Aus Ingolstadt kommen die teureren Premium-Autos, mit denen sich eine höhere Rendite einfahren lässt als mit einem kleineren VW-Modell. Ingolstadt steht deshalb für einen großen Teil des Gewinns im VW-Konzern, aber auch für viele technologische Neuerungen. Karosserien aus Aluminium, Quattro-Antriebe, Assistenzsysteme - die Ingolstädter Ingenieure haben seit jeher wichtige Entwicklungsaufgaben im Konzern. Was sie entwickeln, könnte irgendwann auch den anderen Markentöchtern zugutekommen.

Auch bei den Dieselmotoren waren die Bayern innovativ. 1999 entwickelten sie eine Software, die das laute Klopfen von Dieselmotoren beim Starten unterdrücken sollte. Wie sich später herausstellte, ließen sich mit diesem zunächst ganz legalen Programm auch Abgasmessungen manipulieren. Eine Schummel-Software, die unter dem beschönigend-harmlosen Begriff "Akustikfunktion" geführt wurde? Schon 2007 hatte ein Audi-Ingenieur seinen Kollegen eröffnet: "Ganz ohne Bescheißen" könne man die strengen Grenzwerte in den USA nicht einhalten. Die Software verbreitete sich im Drei-Liter-Dieselmotor V6 TDI - ein Motor, der in amerikanischen Audi-Modellen wie dem A 8 und Q 7 eingebaut wurde.

Da in einem Zwölf-Marken-Konzern wie VW die Technologien aber selten nur für ein Modell entwickelt werden, verbreitete sich der Motor auch woanders - so gelangte er in den VW Touareg und den Porsche Cayenne. Im November 2015 machte die US-Umweltbehörde EPA klar: Die Motoren enthalten eine in den USA illegale Software - da war die VW-Tochter mit in den Strudel geraten.

Rupert Stadler, der Mann mit sieben Leben?

Später dann räumte Audi ein, bei der Zulassung von Drei-Liter-Dieselautos bei den US-Behörden drei Softwareprogramme nicht offengelegt zu haben - eines dieser Programme galt als "Defeat Device", also als illegale Abschalteinrichtung. Eine Software, mit deren Hilfe die Modelle erkannten, wann sie auf dem Prüfstand der US-Behörden standen und wann sie auf der Straße fuhren. Bei Tests wurde so viel Harnstoff ("AdBlue") gespritzt, dass der Stickoxid-Ausstoß gesetzeskonform war. Im normalen Betrieb wurde die Abgasreinigung zum großen Teil heruntergefahren. Die Folge: ein erhöhter Ausstoß von Stickoxiden.

Insgesamt geht es um mehr als 80 000 Autos mit Dieselmotoren, die von Audi für den Konzern entwickelt wurden - und um die Frage: Welche Verantwortung hat die Tochter aus Ingolstadt in der Dieselaffäre? Und welche Verantwortung trägt Rupert Stadler, der Mann, der so lange so eng mit Piëch zusammengearbeitet hat? So wie der Betriebswirt waren aber auch andere führende Manager viel unterwegs. Ingenieure, die weit nach oben stiegen im Unternehmen - und die ihre Erfahrungen überall einbrachten.

Das prominenteste Beispiel: der zurückgetretene VW-Chef Martin Winterkorn. Er leitete vorher die Tochter Audi. Oder Ulrich Hackenberg. Er arbeitete als Ingenieur und Entwickler bei Audi, dann bei VW, dann wieder bei Audi. Er war seit 2007 Entwicklungsvorstand bei VW, danach ging er in gleicher Funktion 2013 zu Audi zurück. Ein Wanderer zwischen den Auto-Welten, bis er Ende 2015 wegen der Dieselaffäre beurlaubt wurde. Ein Jahr später musste übrigens auch sein Nachfolger Stefan Knirsch seinen Ingolstädter Schreibtisch räumen.

Und da ist Wolfgang Hatz, ein enger Vertrauter von Winterkorn und Hackenberg. Entwickler bei VW, Audi, Porsche und beurlaubt nach Bekanntwerden der Affäre im September 2015. In einem Auto-Konglomerat wie dem VW-Konzern ist es nicht nur üblich, Technologien durchzureichen, sondern auch die Manager zwischen den Marken hin und her zu schieben.

Und Stadler? Der, meinen einige, sei so etwas wie die Konzern-Katze: ein Mann mit sieben Leben. Wenn das so ist, dann wäre die Frage: Wie viele Leben hat er eigentlich noch?

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