Abgasaffäre:Wie lange hält der Audi-Chef dem Druck noch stand?

Audi Chief Targets U.S. Expansion

Ein Fotoshooting im Jahr 2012: Wusste Audi-Chef Rupert Stadler damals bereits von dem Dieselskandal?

(Foto: Simon Dawson/Bloomberg)
  • Der Audi-Chef Rupert Stadler soll schon früher von der Manipulation der Abgaswerte gewusst haben als bisher bekannt, behauptet ein ehemaliger Angestellter.
  • Stadler bestreitet das zwar, doch die Vorwürfe könnten ihn trotzdem ins Straucheln bringen - nun kommt es darauf an, ob ihn der Aufsichtsrat weiter unterstützt.

Von Max Hägler und Stefan Mayr

Die nächste Show ist eigentlich bereits geplant: In zehn Tagen will Rupert Stadler am Genfer See bei der dortigen Automesse einen A3 Sportkombi vorstellen. Schick und schnell soll es dort zugehen. Doch die Frage ist gerade: Wird er an dieser Veranstaltung überhaupt noch teilnehmen? Ist er zum Ende dieser Woche überhaupt noch im Amt? Schwer zu sagen, erklären selbst Audi-Leute aus der Zentrale in Ingolstadt. Denn wieder einmal macht er beim Dieselskandal keine gute Figur. Diesmal ist er sogar mittendrin.

Es steht im Raum, dass Stadler schon früher als angegeben Bescheid gewusst habe über den Dieselskandal im VW-Konzern und bei dessen Tochtermarke Audi. Es sind Aussagen eines mittlerweile ehemaligen Angestellten, die ihn belasten. Es ist nichts bewiesen. Es steht Aussage gegen Aussage. Stadler will, wie all die anderen Topmanager im VW-Konzern, erst im Herbst 2015 von gesundheitsschädlichen Schummeleien bei der Abgassteuerung erfahren haben. Und was vorgetragen wurde, wird heftig in Abrede gestellt. Aber die Aussagen sind getroffen worden vor einem deutschen Gericht, in dieser Woche in Heilbronn, und das wiegt schwer.

Und so ist die Frage, wie die drei Gremien reagieren, die sich am Donnerstag und Freitag damit befassen: An diesem Donnerstag tagt erst der Audi-Aufsichtsrat unter Leitung von VW-Konzernchef Matthias Müller, am Donnerstagabend das Präsidium des VW-Konzernaufsichtsrates unter Leitung von Hans Dieter Pötsch und am Freitagnachmittag schließlich das gesamte VW-Kontrollgremium.

Sie haben ohnehin bereits viel zu bereden: die wirtschaftliche Lage, das Vergütungssystem von Vorständen, den Ärger zwischen Arbeitnehmern und VW-Chef Herbert Diess. Dazu die Anschuldigungen des Ex-Patriarchen Ferdinand Piëch, wonach diverse Topmanager und Kontrolleure früh vom Dieselskandal gewusst hätten.

Und jetzt auch noch dieser Vorwurf: Der 53-jährige Stadler soll involviert gewesen sein. Das hat der Rechtsanwalt von Stadlers ehemaligem Mitarbeiter Ulrich Weiß in dieser Woche vor dem Arbeitsgericht Heilbronn behauptet und Stadler damit schwierige Zeiten beschert. Der will kämpfen, heißt es aus seinem Umfeld. Aber: Werden ihn die Aufsichtsräte stützen?

Streit über Gespräch in Ingolstädter Stadionloge

Ulrich Weiß war in hoher Funktion bei Audi: Als Leiter der Dieselmotoren-Entwicklung am Audi-Standort Neckarsulm war er nur zwei Ebenen unter dem Vorstand angesiedelt, er verdiente 458 000 Euro im Jahr. Auch, nachdem er Ende 2015 im Zuge der Dieselaffäre beurlaubt wurde. Sein Anwalt Hans-Georg Kauffeld berichtete vor Gericht von einem Treffen seines Mandanten mit Rupert Stadler, das kurioserweise fünf Tage nach Weiß' Beurlaubung stattgefunden habe. Man traf sich in der Audi-Loge im Ingolstädter Fußballstadion. Kauffeld zitiert aus einem Gesprächsvermerk seines Mandanten: Demnach habe Stadler gesagt, er habe die Beurlaubung nur ausgesprochen, weil der VW-Aufsichtsrat Druck gemacht habe. Auf Weiß' Feststellung "Man hat mich für Vorstand und Aufsichtsrat geopfert", habe Stadler geantwortet: "Da ist was Wahres dran." Von Audi heißt es: Das Gespräch sei anders verlaufen, dafür gebe es einen Zeugen. Eine Aussage gegen zwei Aussagen.

Weiß' Anwalt Kauffeld betonte auch, sein Mandant habe "ständig um einen sauberen Motor" gekämpft und habe Manipulations-Versuche abgewehrt. So habe Weiß 2012 eine eigene "Applikationsrichtlinie" für die künftigen Dieselmotoren erlassen. In dieser habe er Schummeleien ausgeschlossen und sich damit "gegen Vorgaben des Konzerns gestellt". Gab es solche Schummel-Vorgaben wirklich? Und kamen sie tatsächlich von Stadler? Audi erklärt dazu: "Wir weisen die falschen Verdächtigungen gegen Herrn Stadler zurück und prüfen rechtliche Schritte." Einen hundertprozentigen Beweis für Stadlers Mitwisserschaft konnte Kauffeld nicht vorlegen. Er hätte am Dienstag gerne noch weitere Schriftstücke verlesen, doch die Audi-Anwälte verhinderten das. "Betriebsgeheimnis" riefen sie und beantragten den Ausschluss der Öffentlichkeit. Mit Erfolg.

Betriebsrat sorgt sich um den Ruf des Unternehmens

Inzwischen hat Audi Weiß fristlos gekündigt. Er habe seine Vorgesetzten ungenügend informiert, zudem soll er Dokumente vernichtet haben. Auch der Betriebsrat hat diese Kündigung gebilligt. Im Unternehmen scheinen Arbeitnehmer und Manager irritiert: Weiß habe doch selbst vor der Konzernrevision angegeben, dass es bei Audi kein Problem mit Dieselmotoren gebe. Dass also die Ingolstädter nicht von dem Skandal erfasst seien wie VW, die von dem Amerikanern im Herbst 2015 erwischt wurden. Dabei war es ganz anders, was dazu führte, dass Stadler die Rolle von Audi im Skandal erst kleinredete, um dann doch Fehler einzugestehen. Und er, Weiß, habe es doch schon lang vorher besser gewusst. Das sei nicht stimmig, heißt es. Der Audi-Betriebsrat bezeichnet das Geschehen inzwischen als "öffentliche Schlammschlacht". Das alles schade nicht nur der Person Rupert Stadler, sondern dem gesamten Unternehmen. Stadlers Problem ist: Selbst wenn er von den Schummeleien wirklich nichts wusste, muss er sich fragen lassen, warum unter seiner Verantwortung solche Dinge geschehen konnten.

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