Abgasaffäre:Wie ein VW-Manager in die Fänge des FBI geriet

Detroit Auto Show 2017

Den beteiligten US-Behörden ist erstmals seit Auffliegen des VW-Skandals Mitte September 2015 ein Manager des Konzerns ins Netz gegangen ist.

(Foto: dpa)

Ein Urlaub in Florida wurde einem VW-Manager zum Verhängnis. Dabei hatte er wohl extra nachforschen lassen, ob gegen ihn ermittelt werde. Aber das war ein Fehler.

Von Claus Hulverscheidt und Klaus Ott

Der letzte Arbeitstag des Jahres war für Special Agent Ian Dinsmore vermutlich ein besonders schöner. Monatelang hatte der Beamte der US-Bundespolizei FBI Sitzungsprotokolle und E-Mails durchforstet, Zeugen befragt und Aussagen abgeglichen - ohne darauf hoffen zu können, dass ihm jemals ein verantwortlicher Volkswagen-Manager ins Netz gehen würde. Denn praktisch alle, die in den USA als Urheber des VW-Abgasbetrugs gelten, leben in Deutschland. Und weil die Bundesregierung deutsche Staatsbürger nicht an andere Länder ausliefert, schienen sie für Dinsmore und dessen Kollegen unerreichbar - bis Oliver S., einst Umweltchef der Volkswagen Group of America, beschloss, wieder einmal Urlaub in Florida zu machen.

Wie genau ihm die US-Behörden auf die Schliche kamen, darüber schweigen die beteiligten Stellen. Die wenigen bekannten Aussagen deuten jedoch darauf hin, dass sich S. über einen Anwalt beim FBI erkundigt hatte, ob gegen ihn ermittelt wird. Damit machte er die Behörden offenbar erst auf seine bevorstehende Reise aufmerksam. Als der Manager vergangenen Samstag auf dem Flughafen Miami auftauchte, um sich auf den Rückweg nach Deutschland zu machen, schnappte die Falle zu: Er wurde festgenommen. Die Strafanzeige, die Special Agent Dinsmore zwischenzeitlich gegen den Urlauber formuliert hatte, war am 30. Dezember vom zuständigen Richter in Detroit unterzeichnet worden.

Unverhohlene Freude

Die beteiligten US-Behörden - das Justizministerium, die Staatsanwaltschaft in Detroit, der Ermittlungsrichter in Miami - konnten ihre Freude kaum verbergen, dass ihnen erstmals seit Auffliegen des VW-Skandals Mitte September 2015 ein Manager des Konzerns ins Netz gegangen ist. Der einzige Mitarbeiter, dessen die Ermittler bisher hatten habhaft werden können, ist der Ingenieur James Liang. Er hat gestanden, aus Verzweiflung über unrealistische Vorgaben der Konzernführung mit Kollegen jene Software entwickelt zu haben, die bewirkte, dass VW-Diesel-Pkw auf dem Prüfstand nur einen Bruchteil der Schadstoffe produzierten, die sie im täglichen Betrieb auf der Straße in die Luft bliesen. Liang läuft seit Monaten mit einer Fußfessel durch seinen kalifornischen Wohnort, ihm drohen - trotz seiner Bereitschaft, als Kronzeuge auszusagen - bis zu fünf Jahre Haft. Doch auch die US-Behörden wissen, dass er gemessen an anderen mutmaßlichen Mitwissern ein kleiner Fisch ist.

Mit der Festnahme von S. hat man nun in der Tat die Management-Ebene erreicht, allerdings nur eine eher niedrige. Das Team, das der heute 48-Jährige von 2012 bis März 2015 in Michigan leitete, war für die Zertifizierung von Bauteilen und den Dialog mit den Umweltbehörden des Landes zuständig. Vom Konzernvorstand oder anderen Spitzenkräften, die persönlich oder zumindest qua Amt für den Skandal verantwortlich gemacht werden könnten, sind die Amerikaner damit nach wie vor meilenweit entfernt - was nicht heißt, dass auf S. nicht eine dicke Geldstrafe oder gar eins der berüchtigten US-Bundesgefängnisse zukommen könnte.

In Wolfsburg ist man jedenfalls über den Leichtsinn von S. einigermaßen erschüttert. In der jetzigen Situation ausgerechnet in den USA Urlaub zu machen, offenbare eine "gehörige Portion Dummheit", sagt ein früherer VW-Manager. S. habe wissen müssen, dass er Gefahr laufe, festgenommen zu werden. "Wer die US-Behörden kennt, der wundert sich nicht."

Die ehemaligen Kollegen von S. dürften gewarnt sein - vor allem jene, die in dem FBI-Strafantrag namentlich erwähnt werden. Darunter ist etwa Michael Horn, der frühere USA-Chef des Konzerns, den S. laut Anzeige schon im Mai 2014 unterrichtete, dass die auf dem Prüfstand gemessenen Emissionen mit denen auf der Straße nichts zu tun hätten.

Diese Diskrepanz "muss erklärt werden (Absicht = Strafe!)", heißt es in seiner E-Mail an Horn - theoretisch sei eine Geldbuße von bis zu 22,5 Milliarden Dollar möglich. Schwer vorstellbar, dass Horn angesichts solcher Summen keine intensive Untersuchung anordnete und die Information seinen Chefs in Wolfsburg vorenthielt. Dass VW-Ingenieure mit voller Absicht eine Einrichtung zur Abschaltung der Abgasreinigung in die Autos eingebaut hatten, will Horn erst fast eineinhalb Jahre später erfahren haben.

Nicht er jedoch wird wohl am Ende in den USA vor Gericht stehen, sondern sein ehemals Untergebener S. Dieser soll schon bald nach Detroit überstellt werden, wo der VW-Skandal strafrechtlich aufgearbeitet wird. Bis dahin wird der Manager, der am Montag in Häftlingskleidung und gefesselt zu einem ersten Haftprüfungstermin erschien, im Gefängnis bleiben. Den Antrag der Verteidiger, S. gegen Zahlung einer Kaution vorläufig auf freien Fuß zu setzen, lehnte der Richter nach Angaben eines Augenzeugen "mit lautem Gelächter" ab.

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