Abgasaffäre:VW-Aufsichtsrat will Vorstand trotz Abgasaffäre entlasten

Volkswagen

Das Verwaltungshochhaus am VW Werk in Wolfsburg

(Foto: dpa)

Damit ist aber auch ein großes Risiko verbunden: Was aber, wenn die unabhängige Untersuchung des Skandals doch Beweise gegen die VW-Chefs zutage fördert?

Von Thomas Fromm

Nein, leicht sei den Aufsichtsräten die Entscheidung nicht gefallen, sagt ein Insider. Die Diskussion der Volkswagen-Kontrolleure am Dienstagabend habe lange gedauert; Anwälte der Kanzlei Gleiss Lutz hätten allerdings noch einmal alles geprüft und seien zu dem Ergebnis gekommen, es seien "keine schwerwiegenden Pflichtverstöße zu erkennen".

Erst am Mittwochnachmittag dann ging VW mit dem Beschluss seiner Aufsichtsräte an die Öffentlichkeit. Ihre Empfehlung an die Aktionäre: Sie sollen bei der Hauptversammlung am 22. Juni den kompletten VW-Vorstand für das Geschäftsjahr 2015 entlasten - trotz der Dieselaffäre. Und trotz der Milliardenrisiken, die daraus entstehen.

Nun hat der Aufsichtsrat streng genommen nur drei Optionen: Entlasten. Nicht entlasten. Vertagen. Eine Nicht-Entlastung hätte das amtierende Topmanagement schwer beschädigt. Eine Vertagung dagegen hätte den Konzern in einen Schwebezustand versetzt. Also entschied man sich für den umstrittensten und doch einfachsten Weg - und setzt dabei voraus, dass die Vorstände nichts von den Dieselmanipulationen mitbekommen haben.

Eine Hintertür soll das Risiko für den Aufsichtsrat schmälern

Eine Entlastung, obwohl ein abschließender Ermittlungsbericht der Anwälte der US-Kanzlei Jones Day, die im Auftrag des Aufsichtsrates den Konzern in diesen Monaten unter die Lupe nehmen, noch gar nicht vorliegt. Es ist ein Risiko: Sollte doch noch etwas gegen die Vorstände zutage gefördert werden, dann hätten die Kontrolleure ein Problem.

Ein Dilemma, das man nun mit Hilfe einer Hintertür aufzulösen versucht: Der Vorschlag, ließen Aufsichtsrat und Vorstand wissen, stehe derzeit noch unter Vorbehalt: Alles gut, sollten die laufenden Untersuchungen bis zum Aktionärstreffen keine unangenehmen Wahrheiten mehr ans Tageslicht bringen. "Der Aufsichtsrat weist darauf hin, dass mit der vorgeschlagenen Entlastung durch die Hauptversammlung kein Verzicht auf mögliche Schadensersatzansprüche verbunden ist."

So klingt es, wenn Juristen Texte für Aufsichtsräte schreiben, die sich gegen alle Eventualitäten absichern müssen.

Hessa Al-Jaber

Hessa Al-Jaber, 1959 geboren, gilt als Expertin für IT - und ist die Neue im VW-Aufsichtsrat.

(Foto: Wael Hamzeh/dpa)

Pötsch soll an den entscheidenden Abstimmungen nicht teilgenommen haben

Die Situation ist heikel: Zwar ist der langjährige VW-Chef Martin Winterkorn schon gleich im September 2015 zurückgetreten. Andere aber blieben: Audi-Chef Rupert Stadler, der frühere Porsche-Chef Matthias Müller, der im Zuge der Krise an die VW-Spitze gespült wurde und der langjährige Finanzvorstand und Winterkorn-Intimus Hans Dieter Pötsch. Er wechselte im vergangenen Jahr an die Spitze des Aufsichtsrates, wo er jene Affäre aufklären muss, die in seine Zeit als Vorstand fiel.

Pötsch, so heißt es aus Konzernkreisen, sei am Dienstagabend bei den entscheidenden Abstimmungen aus dem Raum gegangen, um Interessenkollisionen vorzubeugen. Ein smarter Versuch - aber ob das reichen wird, um die Aktionäre im Juni zu besänftigen?

Weniger umstritten ist da der Plan des Großaktionärs Katar, mit der Ingenieurin Hessa al-Jaber erstmals eine Frau in den Aufsichtsrat von VW zu entsenden. Sie wäre dann die vierte Frau im Aufsichtsrat der Wolfsburger, neben der Bankmanagerin Annika Falkengren, der Unternehmerin und Familienvertreterin Louise Kiesling und der Gewerkschafterin Babette Fröhlich. "Damit würde die seit Jahresbeginn in Deutschland geltende Frauenquote von 30 Prozent erfüllt werden", so VW. Al-Jaber soll im Aufsichtsrat den Vizevorsitzenden der Katar-Holding, Hussain Ali al-Abdulla, ersetzen.

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