Abgasaffäre:Unangemeldet zum Schummeltest

Verkehrsminister Alexander Dobrindt will die Autokonzerne künftig schärfer kontrollieren - nach dem Vorbild aus dem Spitzensport. Umweltschützern reichen diese Ankündigungen nicht.

Von Markus Balser, Berlin

Den Verdacht, dass viele Autos auf Deutschlands Straßen die Abgasgrenzwerte nicht einhalten, gibt es schon länger. Doch keine Behörde sah sich in den vergangenen Jahren veranlasst, genauer hinzuschauen. Seit einigen Monaten denkt man im Bundesverkehrsministerium nun schon über Lehren aus dem VW-Abgasskandal nach. Am Sonntag äußerte sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erstmals öffentlich zur geplanten Antwort. Als Reaktion auf den VW -Abgasskandal will Dobrindt die Kontrollen bei allen Autobauern nach Vorbild aus dem Spitzensport verschärfen.

"Es wird Kontrollen für Kraftfahrzeuge im Stile von Dopingtests geben. Unangemeldet, jedes Jahr", sagte der CSU-Politiker der Bild am Sonntag. Nach dem Zufallsprinzip sollen Fahrzeuge beispielsweise über Autovermietungen ausgewählt und der Schadstoffausstoß getestet werden. Der Vergleich des Ministers stellt der Autobranche kein gutes Zeugnis aus. Die wichtigste deutsche Industrie findet sich damit nach der VW-Abgasaffäre in den Augen der Politik auf einer Stufe mit dem seit Jahren von Dopingaffären erschütterten Spitzensport wieder. Ein heikler Vergleich auch für Dobrindt selbst, denn die Ermittler können das Problem im Sport seit Jahren auch mit immer wieder verschärften Kontrollmechanismen nicht in den Griff bekommen.

Um Manipulationen künftig zu verhindern und das Vertrauen in die deutsche Autobranche wiederherzustellen, werde sein Ministerium künftig eigene Prüfstände beim Kraftfahrt-Bundesamt aufbauen, kündigte Dobrindt am Sonntag zudem an. Auch eine Rotation der Prüfdienste sei geplant. Hersteller sollen gezwungen werden, den Prüfdienst regelmäßig auszutauschen. So soll verhindert werden, dass eine zu große Nähe entsteht. Ähnliche Vorgaben gibt es auch im Unternehmensrecht. So müssen Konzerne ihre Wirtschaftsprüfer, die Bilanzen kontrollieren, immer wieder wechseln.

Die Pläne sind zum Teil auch in einem gemeinsamen Papier von Union und SPD enthalten, das vom Bundestag am Donnerstag beschlossen werden soll. Ziel sei es, für mehr Transparenz bei Abgaswerten zu sorgen und das Vertrauen in die Autobranche als bedeutendstem Industriezweig Deutschlands zu stärken. In dem Papier wird die Bundesregierung zudem aufgefordert, "zeitnah Vorschläge" zu unterbreiten, wie der Marktanteil der Elektromobilität erhöht werden könne. Auch VW müsse an der Wiederherstellung des Vertrauens in die Autobranche mitwirken, forderte Dobrindt. Dafür sei es wichtig, dass die Verantwortlichen klar benannt und zur Rechenschaft gezogen werden. "Ich erwarte, dass Volkswagen vollumfänglich über die Abläufe, die zu der Manipulation geführt haben, Auskunft gibt", sagte der Minister. Sein Eindruck sei, dass VW-Chef Matthias Müller wisse, dass er nur mit Transparenz und Offenheit den Skandal aufarbeiten könne. Es gehe nicht nur darum, wieder regelkonforme Autos zu bauen, sondern auch darum, die Kernkompetenz und damit die Innovationskraft der Marke VW zu erhalten.

Umweltschützer kritisieren die Bundesregierung hart wegen der aus ihrer Sicht bislang schleppenden Aufklärung des Abgasskandals und einer zu großen Nähe zu den Herstellern. Ihnen ist etwa seit Langem ein Dorn im Auge, dass Behörden bislang keine eigenen Prüfstände betreiben. In Deutschland gebe es keine einzige unabhängige Prüfrolle zur Abgasmessung, klagt etwa der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch. Die Organisation, die selbst Autos auf die Einhaltung von Abgastests kontrolliert, weicht deshalb bei ihren eigenen Tests bislang auf Schweizer Hochschulinstitute aus. Stichprobenartige Kontrollen hatte es zudem bislang auch schon gegeben. Das Kraftfahrtbundesamt kontrolliert die Abgasemissionen bereits stichprobenartig. Zwischen 2010 und 2015 hatte die Behörde rund 1000 Tests durchgeführt. Manipulationen seien dabei aber nicht aufgefallen.

Ein weiterer Vorstoß der Politik könnte nun helfen. Die Bundesregierung will die Autohersteller zur Offenlegung der Motorsoftware zwingen. So könnten Abschaltautomatiken leichter erkannt werden, die in den Prüfstellen zu ungewöhnlich niedrigen Abgas- und Verbrauchswerten geführt hatten. Doch nur wenige Hersteller wollen sie preisgeben. Andere wehren sich gegen eine Offenlegung. Die Software wird in einigen Unternehmen als Betriebsgeheimnis eingestuft.

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