Abgasaffäre:"Kapitulation vor der Autoindustrie"

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Scharfer Protest gegen Steuergelder für die Diesel-Nachrüstung.

Von Markus Balser, Berlin

Der Vorschlag, die Nachrüstung schmutziger Diesel-Autos auch mit Steuergeldern zu finanzieren, stößt auf scharfe Kritik. Umweltschützer, Verbraucherverbände und viele Verkehrspolitiker wiesen den am Freitag bekannt gewordenen Vorstoß zurück. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel erklärte, die Nachrüstung sei Aufgabe der Industrie. Sie sei dafür verantwortlich, für ihre Fehler gerade zu stehen. Als "Kapitulation vor der Autoindustrie" bezeichnete der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub Deutschland die Idee. Das Verkehrsministerium distanzierte sich am Abend von der Idee, die aus einer der dort angesiedelten Expertenkommissionen stammt. "Bei der Formulierung, eine Nachrüstung solle aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, handelt es sich nicht um eine abgestimmte Position der Bundesregierung", sagte ein Sprecher. Der Text gebe auch nicht die Haltung des BMVI wieder. Umweltministerin Barbara Hendricks habe die klare Position, dass für die Nachrüstung die Autohersteller aufkommen müssen, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. "Für die Umweltministerin gilt das Verursacherprinzip", sagte er. In dem Papier der Kommission halten die Experten eine Hardware-Nachrüstung vor allem für Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5 für machbar. Die Kosten lägen bei 1000 bis 3000 Euro. Das Ziel eines möglich großen Anteils nachgerüsteter Fahrzeuge könne "wesentlich" durch eine "externe Förderung" erreicht werden. Die könne sich "neben öffentlichen Mitteln auch aus finanziellen Beiträgen der Automobilhersteller" speisen.

Viele Autos sind so manipuliert, dass sie Grenzwerte nur im Labor einhalten, nicht aber auf der Straße. Verbraucherschützer lehnen es ab, für deren Nachrüstung öffentliche Mittel einzusetzen. "Bevor ein staatliches Förderprogramm überhaupt diskutiert werden darf, müssen die Hersteller zur Übernahme des Großteils der Kosten verpflichtet werden", forderte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. Die Industrie wehrt sich dagegen, die Kosten zu tragen, doch der Gegenwind wird immer heftiger. Nun erhöhen auch Gewerkschaften den Druck: "Bei Manipulationen ist die Industrie gefordert", sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Und auch in der Expertengruppe selbst gärt es. Nach Angaben aus Kreisen des Gremiums werfen Mitglieder dem zuständigen Verkehrsministerium vor, Passagen ohne Absprache in den Entwurf gebracht zu haben. Das Ministerium äußerte sich dazu nicht. Am Freitag hätten sich Umweltverbände zu einem telefonischen Krisengespräch zusammengeschaltet, heißt es weiter. Der Abgas-Sachverständige Axel Friedrich sprach von einem nicht abgestimmten Entwurf. Derzeit sei völlig unklar, ob die Experten eine gemeinsame Position finden könnten, verlautete am Freitag aus dem Gremium.

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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