Abgasaffäre:Den schmutzigen Geheimnissen auf der Spur

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Die Abgastests kommen: Das gab Verkehrsminister Dobrindt bekannt. (Foto: Stephanie Pilick/dpa)

Vor einem Jahr wurde die Abgasaffäre bekannt. Jetzt beginnt Minister Dobrindt mit unabhängigen Tests.

Von Markus Balser, Berlin

Mehr als ein Jahr nach Beginn der Abgasaffäre in Deutschland bekommt die oberste deutsche Kontrollbehörde endlich eigene mobile Messgeräte für unabhängige Abgastests im Straßenverkehr. Das teilte das Bundesverkehrsministerium am Mittwoch mit. Die Mitarbeiter des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) werden laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) derzeit an zwei 330 000 Euro teuren Prüfanlagen geschult. Die Flensburger Behörde soll sie noch im Herbst einsetzen können. Bislang nutzte das Amt für die Tests Anlagen von Dienstleistern wie Dekra oder TÜV. Experten hatten jedoch mögliche Abhängigkeiten dieser Unternehmen von Autoherstellern kritisiert. Möglich werden sollen so die von der Opposition im Bundestag schon lange geforderten unangekündigten staatlichen Testfahrten. Mit ihnen will Dobrindt zufällig ausgewählte Fahrzeuge künftig aus dem Verkehr ziehen und überprüfen lassen, um Manipulationen schneller auf die Spur zu kommen. Der Abgasskandal hatte ans Licht gebracht, dass Laborwerte in der Vergangenheit massenhaft geschönt waren und mit den realen Emissionen im Straßenverkehr wenig zu tun hatten. Hersteller wie Daimler, Fiat, Opel oder VW versuchten so offenbar, hohe Ausgaben für eine gründliche Abgasreinigung zu umgehen.

Klären soll die Behörde mit den neuen Anlagen auch, ob Hersteller unzulässige Motorschutzeinrichtungen verwendet haben. Bei einigen Fahrzeugen offenbarten Tests, dass die Abgasreinigung nur bei bestimmten Außentemperaturen funktionierte. Bei bestimmten Dieselautos waren im Straßenverkehr deshalb viel mehr schädliche Stickoxide aus dem Auspuff gekommen als bei den Zulassungstests auf dem Prüfstand. Die deutsche Politik folgt mit der Aufrüstung der Kontrollbehörden allerdings nicht nur dem Ziel der Aufklärung, sondern auch dem Druck aus Europa. Das EU-Parlament in Straßburg hatte bereits im vergangenen Jahr Richtlinien für realistischere Abgas-Tests verabschiedet. Um eine Typgenehmigung für ein Auto zu erhalten, müssen sich die Hersteller ab dem kommenden Jahr auch Straßentests als Standarduntersuchung stellen. Die harte Hand des Staates müssen die auch in Brüssel gut verdrahteten Autohersteller dabei erst mal nicht fürchten. Für die nächsten Jahre gelten industriefreundliche Übergangsregelungen. Die Grenzwerte dürfen demnach zunächst ganz legal überschritten werden. Das Kraftfahrtbundesamt nun soll neben den mobilen Testgeräten künftig auch eigenes Labor mit Prüfständen bekommen. Wann und wo es in Betrieb geht, ist allerdings noch offen.

Denkbar ist offenbar auch, dass die Regierung noch einen Schritt weiter geht und das Kraftfahrtbundesamt nicht nur eigene Messgeräte bekommt. Berichte des "Flensburger Tageblatts" über eine eigene Teststrecke auf dem Gelände des früheren Fliegerhorstes Leck in Schleswig-Holstein, wollte das Verkehrsministerium noch nicht bestätigen. Nur so viel ist klar: Dobrindts Mitarbeiter veranschlagen die jährlichen Gesamtkosten der eigenen Prüftechnik einschließlich Personalkosten auf zehn Millionen Euro.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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