Abgasaffäre bei VW:Unter Verdacht

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigt Ermittlungen gegen VW-Chef Matthias Müller wegen des Verdachtes der Marktmanipulation. Mitbeschuldigt sind zwei weitere Manager: Hans Dieter Pötsch und Martin Winterkorn.

Von Max Hägler und Stefan Mayr, Wolfsburg/Stuttgart

Die Abgasaffäre bei Volkswagen hat nun auch in strafrechtlicher Hinsicht den amtierenden Konzernchef Matthias Müller erreicht. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte, dass sie gegen den Manager des größten Industriekonzerns Europas wegen des Verdachtes der Marktmanipulation ermittelt. Müller soll als Vorstandsmitglied der Porsche SE (PSE) die Aktionäre womöglich zu spät über den Skandal informiert haben.

Mitbeschuldigt sind zudem zwei weitere bekannte Manager, die in beiden Gesellschaften eine Rolle spielen, beziehungsweise spielten: Hans Dieter Pötsch, derzeit Aufsichtsratsvorsitzender bei VW und Vorstandsvorsitzender der PSE, sowie Martin Winterkorn, der infolge des Dieselskandals von allen seinen Ämtern in dem Automobilimperium zurücktrat. Die in Stuttgart ansässige Porsche SE hält die Mehrheit der Stammaktien von Volkswagen und ist damit die Muttergesellschaft des Automobilkonzerns. Steckt die Autobauzentrale in Wolfsburg in Schwierigkeiten, dann auch in der Folge die Geldverwaltungszentrale in Stuttgart - und müsste, so die Logik, darüber ihre eigenen Aktionäre rasch informieren.

Die Staatsanwaltschaft in Braunschweig verfolgt bereits mehrere VW-Vorstände wegen dieses Vorwurfs, darunter Pötsch und Winterkorn. Matthias Müller jedoch bislang nicht, wohl weil er zu weit weg war von dem Dieselskandal. Deswegen sorgt der Vorwurf der Stuttgarter Strafverfolger, der gerüchteweise bereits in der vorigen Woche bekannt wurde, für Verwunderung im Konzern. Womöglich haben die Ermittler in Stuttgart nun belastenderes Material vorliegen als ihre Kollegen in Braunschweig.

So oder so bringen die Vorwürfe den Konzern in Schwierigkeiten. Denn Müller leitete bis zum Auffliegen des Dieselskandals die Volkswagen-Tochter Porsche AG und wurde im Herbst 2015 zum Chef des Volkswagen-Konzerns berufen, als Krisenmanager quasi. Es hieß, Müller sei der geeignete Mann in dieser Notlage: Mit Kenntnis des weit verzweigten Konzerns, aber zugleich nicht involviert in die Betrügereien. Jetzt heißt es aus der Strafverfolgungsbehörde in Baden-Württemberg jedoch, dass gegen die Beschuldigten der Anfangsverdacht bestehe, den Anlegern die Konsequenzen für die Porsche SE "bewusst verspätet" mitgeteilt zu haben, die sich aus den Software-Manipulationen bei Dieselfahrzeugen ergeben. Damit eine deutsche Staatsanwaltschaft derlei erklärt, bedarf es einiger Indizien. Die Porsche SE weist die Beschuldigungen indes zurück: Diese seien "unbegründet". Die Gesellschaft habe "ihre kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten ordnungsgemäß erfüllt".

Falls es zu Urteilen kommt, hätten die Klagen der Anleger gute Erfolgsaussichten

Im September 2015 hatten US-Behörden aufgedeckt, dass VW in den USA die Abgasmessung von Dieselfahrzeugen manipulierte. Danach brach der Börsenkurs ein, die Aktien verloren zwischenzeitlich fast die Hälfte ihres Werts. Es stellte sich heraus, dass bei insgesamt elf Millionen Autos die Abgaswerte aufgehübscht wurden. In den USA konnte sich der Konzern mit der Justiz einigen - gegen Zahlung von insgesamt über 20 Milliarden Euro Strafe.

Auch in Deutschland laufen mehrere Verfahren in Sachen Diesel. Diejenigen, die auf die Marktmanipulation abstellen, könnten den Konzern gegebenenfalls viel Geld kosten: Falls es zu Anklagen und nachfolgend Urteilen gegen die Manager kommt, dann würden die Klagen der Anleger beste Erfolgsaussichten haben. Vor Zivilgerichten fordern Tausende Aktionäre Schadenersatz ein mit dem Argument, die Manager von VW und PSE hätten ihre Informationspflicht verletzt. Unter den Klägern befinden sich auch zahlreiche Großanleger wie die Deka Investment GmbH. Die Sparkassentochter ist Musterklägerin in einem Prozess vor dem Oberlandesgericht Braunschweig, der im Februar 2018 starten soll. Nach Angaben von Kläger-Anwälten summiert sich die Schadenersatzforderung aller Investoren auf zehn Milliarden Euro.

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