Abgas-Skandal:Eine Sammelklage, die keine ist

Abgas-Skandal: Christoph Rother (2.v.l.), Anwalt der Kanzlei Hausfeld, präsentiert 15 000 Klagen der VW–Kunden.

Christoph Rother (2.v.l.), Anwalt der Kanzlei Hausfeld, präsentiert 15 000 Klagen der VW–Kunden.

(Foto: Peter Steffen/AFP)

Eine US-Kanzlei fordert für deutsche Autokäufer 357 Millionen Euro von VW. Sie vertritt 15 000 Kunden, die Wiedergutmachung für die Diesel-Affäre verlangen. VW weist das Anliegen zurück.

Von Markus Balser, Janis Beenen, Berlin/München

Verbraucheranwälte erhöhen in der Diesel-Affäre den Druck auf den VW-Konzern. Die Kanzlei Hausfeld reichte nach eigenen Angaben am Montag eine Schadenersatzklage im Auftrag von mehr als 15 000 Kunden ein. Die Kanzlei fordert vom Autohersteller insgesamt 357 Millionen Euro an Wiedergutmachung. Der Konzern soll dafür haften, dass Diesel-Autos mit manipulierten und überhöhten Schadstoffwerten verkauft wurden. In den USA hatte VW Kunden bereits eine millionenschwere Entschädigung gezahlt. In Deutschland weigert sich der Konzern wegen eines anderen Rechtssystems bislang, Kunden zu entschädigen. Die Klage ging am Montagmittag beim zuständigen Gericht in Braunschweig ein.

Die Kanzlei des US-Staranwalts Hausfeld arbeitet dabei nicht nur auf eigene Faust. Sie kooperiert mit einer Berliner Firma namens Financial Right . Die wiederum hat sich von den gut 15 000 Autobesitzern deren Ansprüche abtreten lassen und macht alle Schadenersatzforderungen in einer einzigen, eigenen Klage geltend. Für die Autobesitzer kostet die Klage deshalb zunächst nichts - die Kosten und Risiken trägt Hausfelds Partnerfirma. Bei einem Erfolg vor Gericht würde sie vom fälligen Schadenersatz dann jedoch 35 Prozent Provision kassieren. Das wären bei der VW-Klage im besten Falle mehr als 100 Millionen Euro.

Die Kanzlei versucht, für Kunden den gesamten Kaufpreis gegen Rückgabe des Autos zurückzubekommen. Sie argumentiert dabei, dass Autos nach geltendem Recht nur "in den Verkehr gebracht und zugelassen werden, wenn sie einem behördlich genehmigten Fahrzeugtyp entsprechen". Laut Kraftfahrt-Bundesamt sei das bei den mit Schummel-Software ausgestatteten Fahrzeugen mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189 des VW-Konzerns aber eindeutig nicht der Fall. "Volkswagen wusste genau, dass der Einbau von Abschalteinrichtungen nach den für die betreffenden Fahrzeuge erteilten Typgenehmigungen nicht gestattet war", sagt Christoph Rother, deutscher Statthalter der US-Kanzlei in Berlin.

Amerikanischen Juristen wird vorgeworfen, aus Profitgier zu handeln

Die Affäre könnte für VW auch noch aus einem anderen Grund teuer werden. Wegen finanzieller Folgen für US-Pensionsfonds infolge des Dieselskandals haben nun auch noch die USA Volkswagen auf Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe verklagt. Wie die Bild am Sonntag berichtete, reichte die US-Regierung ebenfalls Klage vor dem Landgericht Braunschweig ein. Demnach sollen zahlreiche US-Pensionsfonds durch den Absturz der Aktie im Zuge des Dieselskandals einen massiven finanziellen Schaden erlitten haben. Das US-Justizministerium werde in dem Rechtsstreit von einer deutschen Anwaltskanzlei mit Sitz in Frankfurt vertreten.

Volkswagen zweifelt in einer Stellungnahme an den Erfolgsaussichten der Klage in Deutschland: "Die Kanzlei Hausfeld und Financial Right versuchen hier wieder einmal medial den Eindruck zu erwecken, dass es wie in den USA auch in Deutschland möglich sei, sich vermeintlichen Sammelanklagen anzuschließen." Aus Sicht von VW ist die Rechtslage anders: "Das Gericht wird in den kommenden Wochen und Monaten Fall für Fall bearbeiten müssen, selbst wenn alle Fälle in der Klagebegründung übereinstimmen sollten." Erfolgsaussichten sieht der Konzern allerdings nicht: "Wir sind der Ansicht, dass es für kundenseitige Klagen im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik keine Rechtsgrundlage gibt. Alle betroffenen Fahrzeuge sind technisch sicher und fahrbereit. Sie können uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt und auch weiterhin verkauft werden."

Indem die Kunden ihre Ansprüche an die Partnerfirma Financial Right abtreten, umgeht Hausfeld ein juristisches Hindernis. Das deutsche Recht sieht grundsätzlich keine Sammelklagen vor, mit denen Kanzleien tausende Kläger vertreten. So vertritt Hausfeld nur einen Kläger, nämlich Financial Right. Juristisch sei der Umweg legitim, sagt Roland Stuhr vom Verband der Verbraucherzentralen. Damit widerspricht er der Darstellung von VW. Für die Verbraucher sei das Modell aber nicht optimal: "Bei einem erfolgreichen Verfahren ist ein großer Teil des erstrittenen Geldes für die Honorare der Kanzleien vorgesehen", sagt Stuhr. Für viele sei das Vorgehen von Hausfeld aber die einfachste Möglichkeit Ansprüche geltend zu machen.

In der deutschen Politik gab es im Zuge des Dieselskandals immer wieder Überlegungen, die Möglichkeit der Sammelklage zu erlauben. Zuletzt wagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki einen entsprechenden Vorstoß. Letztlich scheiterten die Entwürfe bislang auch an der Angst vor Kanzleien, die nach amerikanischem Vorbild agieren. Vielen US-Juristen wird vorgeworfen, rechtlich fragwürdige Sammelklagen aus Profitgier und dem Streben nach Öffentlichkeit zu initiieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: