Abgas-Skandal:"E-Mail-Gate" in Berlin

Daimler - Technologiezentrum

Der Streit um manipulierte Abgas-Tests setzt die Hersteller unter Druck.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Ein zufällig aufgetauchtes Schreiben eines Daimler-Lobbyisten an einen Staatssekretär des Bundesverkehrsministerium empört die Opposition. Wurde in der Abgasaffäre über private Postfächer kommuniziert?

Von Markus Balser, Berlin

Der Ton war freundlich, der Inhalt brisant: "Lieber Herr Odenwald", schrieb Eckart von Klaeden, selbst einst CDU-Politiker und inzwischen Cheflobbyist von Daimler in Berlin, an den Staatssekretär Michael Odenwald im Bundesverkehrsministerium. Er melde sich "wie verabredet" wegen der Abgas-Grenzwerte für die Autoindustrie. Anbei ein "Non-Paper", also ein offiziell nicht existierendes Papier, zur speziellen Situation bei Vans - Großraumlimousinen und Transportern. Für Vans seien großzügigere Regelungen nötig, lautete die Botschaft von Daimler.

Die E-Mail wurde Anfang Dezember nicht nur ihres Inhalts wegen bekannt. Das Schreiben, das am 16. November 2015 abgeschickt wurde, also zwei Monate nach Bekanntwerden der Abgasaffäre, löste auch wegen einer Formalie im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages ziemliches Erstaunen aus. Denn die E-Mail ging an Odenwalds private Mail-Adresse und nicht an seine offizielle im Ministerium. Zufall oder Absicht, fragen sich die Kontrolleure seither.

Die Opposition im Bundestag versucht derzeit zu klären, ob es neben den offiziellen Einflussnahmen der Autoindustrie noch geheime Kanäle gab. Die Obmänner des Ausschusses verlangten deshalb von der Regierung die Herausgabe sämtlicher Korrespondenz. Im Januar will die darüber entscheiden. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Frage aus der Grünen Bundestagsfraktion, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, nährt nun allerdings den Verdacht, dass die Privatmail kein Einzelfall war. Die Bundesregierung könne nicht ausschließen, dass im Rahmen des Abgasskandals Korrespondenz zwischen ihr beziehungsweise nachgeordneten Behörden über private E-Mail-Accounts von Mitarbeitern gab, teilte Norbert Barthle, Parlamentarischer Staatssekretär des Verkehrsministeriums Mitte Dezember mit. Aus der Regierung verlautet, es gebe im Fall des Staatssekretärs, der als gewissenhafter Beamter gilt, nur zwei oder drei E-Mails über dessen Privatadresse. Das Verkehrsministerium von Alexander Dobrindt will sich zu den Angaben nicht äußern. Ob wirklich nur im kleinen Stil inoffizielle Kanäle genutzt wurden, will der Untersuchungsausschuss im kommenden Jahr endgültig aufklären. Auch Odenwald selbst ist im Februar als Zeuge geladen.

In der Opposition mehren sich die Zweifel daran, dass es nur um wenige, eher zufällige private Mailkontakte ging. "Neben den behördlichen Kommunikationswegen gab es im Rahmen des Abgasskandals weitere inoffizielle Kommunikationswege", ist sich Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, sicher. "Hillary Clintons Praxis als Außenministerin, die offiziellen Kommunikationswege mit privaten Mailaccounts zu umgehen, gibt es auch in Dobrindts Behörde." Völlig unklar sei, ob die brisanten Abgasskandal-Daten durch das Nutzen privater Server nicht auch von unbefugter Seite abgegriffen worden seien. "Diese Praxis ist der Skandal im Skandal." Der Abgas-Untersuchungsausschuss, war von Grünen und Linken im Bundestag einberufen worden. Die Parlamentarier um den Ausschussvorsitzenden Herbert Behrens (Linke) wollen bis Ende dieser Legislaturperiode herausfinden, ob die Bundesregierung bei Gesetzgebung oder Kontrolle der Autoindustrie versagt hat und dazu einen Bericht vorlegen. Im vergangenen Jahr waren Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) als Zeugen geladen. Im kommenden Jahr sollen auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aussagen. Zudem könnten Automanager wie Ex-VW-Chef Martin Winterkorn von dem Gremium geladen werden.

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