Abfallwirtschaft:China hat genug von Europas Müll

Abfallwirtschaft: Ein chinesischer Arbeiter ist in einer Recycling-Anlage für Plastikmüll in Peking zugange. Den Import weiteren Altplastiks aus Europa hat das Land nun gestoppt.

Ein chinesischer Arbeiter ist in einer Recycling-Anlage für Plastikmüll in Peking zugange. Den Import weiteren Altplastiks aus Europa hat das Land nun gestoppt.

(Foto: FRED DUFOUR/AFP)
  • Die Volksrepublik stoppt den Import von Plastikabfall.
  • Die EU und vor allem Deutschland haben jetzt ein Problem: Denn ein wichtiger Abnehmer für Plastik-Müll bricht weg.
  • Auch für die chinesische Bevölkerung bedeutet das einen Einschnitt: Bislang lebten ganze Landstriche von der Müllwirtschaft.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Christoph Giesen, Peking

Wie so ein globaler Kreislauf aus immer mehr Waren und immer mehr Müll aussehen kann, lässt sich an jedem größeren Hafen in Deutschland beobachten. Da kommen Frachter an, manche von ihnen sind bepackt mit Tausenden Containern. Turnschuhe, Fleecejacken, Brillengestelle, und fast alles kommt aus China. Ist die Ladung gelöscht, werden neue Container an Bord verstaut: bis obenhin gefüllt mit Plastikabfall. Das Verschiffen des Mülls lohnt sich, denn die Frachtraten nach Asien sind günstig - und zurück nach China müssen die Container ohnehin. Was einst als Verpackung oder Plastikspielzeug in Europa ankam, oftmals aus Asien, findet so seinen Weg zurück. Jedenfalls bis vor wenigen Tagen.

Denn zur Jahreswende hat die Regierung in Peking den Import von Altplastik gestoppt. Und das hat globale Folgen: Die Volksrepublik produziert mehr Plastik als jedes andere Land der Erde, doch jetzt will es von dem alten Zeug aus aller Welt nichts mehr wissen, jedenfalls nicht in der bisherigen, oftmals minderen Qualität. Europa hat nun ein gewaltiges Müllproblem.

Bislang galt China als dankbarer Abnehmer von Altkunststoff. Der Weg nach Fernost lief dabei über mehrere Stationen: Erst landet der Müll in der Wertstofftonne, wird dann eingesammelt und rattert auf Fließbändern durch Sortieranlagen. Am Ende wird der sortierte Müll gepresst oder zu Granulat verarbeitet - auf dass wieder neuer Kunststoff daraus werde. Im Jahr 2016 kaufte die Volksrepublik weltweit 7,3 Millionen Tonnen solcher Abfälle zusammen. Allein aus Deutschland gingen 1,5 Millionen Tonnen alter Kunststoffe nach China und Hongkong, mehr als die Hälfte der Gesamtmenge, die hierzulande anfällt. Ähnlich sieht es anderswo in Westeuropa aus. Von Großbritannien aus wurden zum Beispiel im vergangenen Jahr knapp 800 000 Tonnen nach China verschifft, etwa 65 Prozent des Plastiks.

Das ist nun vorbei. Zunächst für unsortierte Abfälle, von März an voraussichtlich auch für die sortierten. Ende Juli hatte das Umweltministerium in Peking diesen Schritt angedroht: Die Regierung habe die Welthandelsorganisation unterrichtet, dass bald 24 Sorten von Müll nicht mehr eingeführt werden dürften, darunter Elektroschrott, Altpapier und Plastikmüll. Einige skrupellose Händler hätten illegal "ausländischen Müll" importiert. "Das hat zu ernsthaften Umweltproblemen geführt", erklärte das Umweltministerium.

Das hängt auch mit den alten Elektrogeräten zusammen, die China bislang importiert hat. Ganze Landstriche in der Volksrepublik leben vom Ausschlachten des Schrotts. Gearbeitet wird meist unter erbärmlichen Bedingungen. In Guiyu etwa, einer Stadt in Südchina, in der besonders viele Geräte ausgenommen werden, konnten Ärzte bei 80 Prozent der untersuchten Kinder exzessiv hohe Konzentrationen an Blei im Blut nachweisen. Was sich nicht wiederverwerten lässt, landet oft in Flüssen, auf Äckern und schließlich auf dem Teller. Die kauffreudige Mittelschicht in den großen Städten allerdings fordert immer lauter bessere Luft und unbelastete Nahrung. Und die Regierung in Peking beginnt deshalb zu handeln, mit allen Konsequenzen für den Rest der Welt.

Deutschland, das Land der Sammler und Trenner, trifft der chinesische Bann empfindlich. Denn das Recycling von Kunststoffen sollte hierzulande in den kommenden Jahren eigentlich peu à peu zunehmen. Derzeit müssen 36 Prozent der Plastikabfälle wiederverwertet werden, bis 2022 soll der Anteil auf 63 Prozent ansteigen. Parallel dazu arbeitet die Europäische Union an einem neuen Paket für die Kreislaufwirtschaft und verfolgt dabei das Ziel, mehr Müll wiederzuverwerten.

Nur: Wohin mit dem Kunststoff? "Wenn wir nicht wollen, dass daraus nichts als Parkbänke oder Ähnliches werden, wird die Politik aktiv werden müssen. Man wird den Einsatz von Recyclingmaterial befördern müssen", sagt Peter Kurth, Chef des Entsorgerverbands BDE.

Die Branche selbst rechnet mit Kosten zwischen 60 und 80 Euro, um aus Bergen von Verpackungsmüll je eine Tonne sortenreinen Kunststoff zu gewinnen. "Bei den Kosten sind die Recyclate nur schwer konkurrenzfähig", sagt Kurth. Gerade große Hersteller griffen dann lieber zu Rohware statt zu wiederverwertetem Material. Zumal eine einzelne Abfallsortieranlage immer nur einen Bruchteil dessen bereitstellen kann, was große Hersteller an Kunststoffen brauchen, ob für Duschgelflaschen oder Verpackungen von Hundefutter.

Die Entscheidung der chinesischen Regierung wirbelt Europas Recyclinggeschäft nun durcheinander. "Der Markt hat sich von einem Anbietermarkt zu einem Nachfragemarkt gewandelt", urteilt der Recyclingverband BVSE. Während China künftig weniger Kunststoffmüll abnehmen wird, kommt immer mehr recyceltes Material hinzu, schließlich arbeiten neben Deutschland auch andere Länder fieberhaft daran, Rohstoffe wiederzuverwerten. Die gute Konjunktur verstärkt das Problem noch: Wenn mehr gekauft wird, fällt mehr Müll an.

Seit der Wiedervereinigung hat sich hierzulande allein das jährliche Aufkommen an Kunststoffverpackungen fast verdoppelt, von 1,6 auf 3,1 Millionen Tonnen. Keine andere Verpackungsart legte so zu. Entsprechend stark wuchs die Menge des recycelten Mülls - der sich nun nicht mehr einfach nach China exportieren lässt.

"Man sollte das als Ansporn nehmen, zu einer besseren Kreislaufwirtschaft zu kommen", sagt Evelyn Hagenah, Abfallexpertin beim Umweltbundesamt. "Für mehr hochwertiges Kunststoffrecycling bedarf es der flankierenden Maßnahmen." Schon jetzt zeichnet das Umweltlabel Blauer Engel Kunststoffprodukte aus, die mit 80 Prozent Recycling-Material hergestellt werden. Die schlechteste Lösung aber sei, warnt Hagenah, nun mehr Kunststoffe zu verbrennen.

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