Abenteuer Ich-AG:"Arbeitslosengeld de luxe"

Kritiker halten das Fördermodell für pure Geldverschwendung. Ihr Vorwurf: Erst werden die Subventionen kassiert, dann kommt der Ausstieg. Es fehlt an Kontrolle und Bürokratie, um den Missbrauch aufzudecken.

Von Nina Bovensiepen

Der Ansatz klang viel versprechend. Politiker priesen die Ich-AG bei ihrem Start vor eineinhalb Jahren als unbürokratische Wunderwaffe, die aus Arbeitslosen Unternehmer machen werde.

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(Foto: Foto: dpa)

Auf den ersten Blick scheint dies gelungen: Seit Januar 2003 hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) 141.400 Firmengründungen gefördert. Tausende ehemalige Arbeitslose, die den Mut hatten, sich selbstständig zu machen — so loben die einen.

"Arbeitslosengeld de luxe"

Andere dagegen sehen die hohe Zahl als Beweis, dass das Programm zum Missbrauch einlade — und der Staat viele hundert Millionen Euro verschwende.

Mit der Ich-AG habe man ein "Arbeitslosengeld de luxe mit geringer Wirkung" geschaffen, schimpft zum Beispiel Johannes Singhammer, Arbeitsmarkt-Experte der CSU.

Auslöser für neuen Streit um eines der Kernstücke der Hartz-Reformen sind weitere Daten aus Nürnberg. Danach haben sich inzwischen schon wieder etwa 17.000 Teilnehmer aus dem bis zu drei Jahre laufenden Förderprogramm verabschiedet. Diese Zahl stimmt fast exakt mit der Zahl der Neuanmeldungen überein, die bis Ende April vergangenen Jahres vorlagen.

Erst abkassieren, dann aussteigen

Kritiker sehen aufgrund dieser Parallele ihre These belegt, dass etliche der Subventionierten die maximal ein Jahr gewährte Höchstförderung von 600 Euro kassieren und sich dann, wenn die Sätze stark sinken, wieder arbeitslos melden.

Beweisen lässt sich dieser Vorwurf nicht — genauso wenig wie das Gegenteil. Hier rächt sich der im Grunde lobenswerte Ansatz, dass der Gesetzgeber mit der Ich-AG nicht noch ein Bürokratie-Monster schaffen wollte.

Fehlende Bürokratie rächt sich

Jeder Bezieher von Arbeitslosengeld oder -hilfe sowie alle Beschäftigten in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen hat Anspruch auf den Zuschuss.

Im Gegensatz zum Überbrückungsgeld, einer anderen Form der staatlichen Gründerhilfe, müssen die Geförderten nicht nachweisen, wie sinnvoll oder zukunftsfähig ihre Firmengründung ist. Zum Teil würden die "abenteuerlichsten Geschäftsideen" bezuschusst, räumt eine BA-Sprecherin ein.

"Arbeitslosengeld de luxe"

Bei Abbruch muss nicht zurückgezahlt werden

Die Förderung muss in jedem Jahr neu beantragt werden. Eingestellt werden die Zahlungen nur, wenn das jährliche Einkommen 25.000 Euro übersteigt. Das bis dahin geflossene Geld muss nicht erstattet werden.

Eine Kontrolle, wie sich die Geschäfte der Ich-AGs entwickeln oder warum jemand die Förderung vor Ablauf der drei Jahre abbricht, findet nicht statt.

Genau deshalb lässt sich über die Gründe, warum sich 17.000 Menschen bereits aus dem Programm verabschiedet haben, so trefflich spekulieren.

Variante eins

Sie haben das Geld tatsächlich ohne ernsthafte unternehmerische Absichten ein Jahr lang kassiert und sich dann wieder arbeitslos gemeldet.

Variante zwei

Sie verdienen mehr als die Obergrenze von 25000 Euro.

Variante drei

Sie haben vergessen, die Förderung für das zweite Jahr zu beantragen.

Variante vier

Der Antrag liegt unbearbeitet bei einer Behörde.

Variante fünf

Eine Mischung aus allem.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der BA befragt derzeit Aussteiger des Programms zu ihren Gründen. "In einigen Monaten wissen wir mehr", sagt Frank Wießner vom IAB.

Eines steht für ihn allerdings jetzt schon fest: Das Ich-AG-Modell sei damals "mit zu heißer Nadel" gestrickt worden. "Da hätte man Einiges eleganter regeln können."

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