Vorwürfe gegen Hypo-Vereinsbank:Gustl und das Schwarzgeld

Gustl Mollath behauptete, die Hypo-Vereinsbank sei in Schwarzgeld- und andere dunkle Geschäfte verwickelt. Als er in die Psychiatrie eingewiesen wurde, schwieg die Bank. Dabei wusste sie da bereits, dass einige seiner Vorwürfe stimmten. Ein Revisionsbericht bringt die HVB nun in Bedrängnis.

Olaf Przybilla und Uwe Ritzer, Nürnberg

Wer davon erfährt, dass ein anderer Mensch einen Angriffskrieg plant, jemanden ermorden oder Geld fälschen will, muss dies bei Polizei und Staatsanwaltschaft anzeigen. Andernfalls drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft. So steht es im Paragrafen 138 des Strafgesetzbuches. Es sind für den juristischen Laien erstaunlich wenige und nur außergewöhnlich schwere Straftaten, bei denen es eine solche gesetzliche Pflicht zur Strafanzeige gibt. Ein Unternehmen aber, das Straftaten von Mitarbeitern feststellt, muss nicht zwangsläufig die Staatsanwaltschaft einschalten.

Insofern hat die Hypo-Vereinsbank (HVB) gegen kein Gesetz verstoßen, als sie Anfang 2003 einen brisanten, internen Prüfbericht in ihren Tresoren verschwinden ließ, anstatt ihn der Staatsanwaltschaft zu übergeben. HVB-Revisoren hatten Vorwürfe eines Mannes namens Gustl Mollath untersucht, der behauptet hatte, dass seine Ehefrau, eine HVB-Vermögensberaterin, in Schwarzgeld- und andere dunkle Geschäfte mit dem Geld reicher Kunden in der Schweiz verwickelt ist. Die Prüfer fanden nicht nur die Vorwürfe Mollaths bestätigt, sondern stießen darüber hinaus auf viele Belege und konkrete Spuren von Geldwäsche, verbotenem Insiderhandel mit Aktien und anderen schmutzigen Geschäften (die SZ berichtete).

Die Staatsanwaltschaft ließ die HVB dennoch außen vor und sie schwieg auch weiter, als Gustl Mollath in die Psychiatrie eingeliefert wurde. Gutachter attestierten ihm einen Verfolgungswahn und begründeten dies - nicht ausschließlich, aber auch - damit, dass Mollaths Gerede von den Schwarzgeldgeschäften seiner Frau und anderer HVB-Mitarbeiter krankhaft sei, ein Ausdruck von Verfolgungswahn. Bei der HVB wusste man hingegen dank des internen Revisionsberichtes längst, dass zumindest diese Vorwürfe Mollaths voll und ganz stimmten.

Ein klärendes Wort wäre da angebracht, wenn HVB-Chef Theodor Weimer am heutigen Mittwoch die aktuellen Geschäftszahlen der Bank referiert. Kann es sein, dass die Hypo-Vereinsbank tatenlos zusah, wie ein Mensch jahrelang in der Psychiatrie verschwindet, obwohl sie längst wusste, dass nicht alles, was dieser Mollath erzählt, krankhaftes Zeug ist? Wenn schon keine strafrechtliche, hätte es dann nicht eine moralische, eine menschliche Pflicht gegeben, die Justiz davon zu informieren, und den Gutachtern so zumindest die Möglichkeit zu geben, ihr Bild vom paranoiden Mollath zu hinterfragen?

Die Erkenntnisse der Prüfer, so rechtfertigt sich die HVB bislang, seien doch aufgearbeitet worden. Man habe sich schließlich von den Mitarbeitern getrennt und für strafrechtliches Verhalten hätten sich keine Beweise gefunden - die Prüfergebnisse seien zu vage gewesen. Das allerdings ist eine grotesk verharmlosende Darstellung.

Selbst die Prüfer wundern sich über die Dreistigkeit der Kollegen

Der Revisionsbericht, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, beziffert konkret fragwürdige Geldströme, er nennt Namen, exakte Zeiträume und addiert Buchungsvorgänge. Er beschreibt akribisch, wie HVB-Vermögensberater sich von reichen Kunden zu Luxusurlauben nach Marbella und Südafrika einladen ließen, wie sie bei Schweizer Banken heimlich Provisionen kassierten und zwielichtige Derivatgeschäfte abwickelten. In einem Fall wurde eine reiche Kundin sogar beerbt.

Von unerlaubter Vorteilsnahme ist in dem Bericht die Rede, von möglichen Kurierfahrten mit Schwarzgeld in die Schweiz, von Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Verstößen gegen die Grundsätze sauberen Wirtschaftens, neudeutsch: Compliance. "Allen Mitarbeitern", so lautet das Fazit der Revisoren, "waren viele und gravierende Verfehlungen beziehungsweise Verstöße gegen interne Richtlinien und externe Vorschriften (u. a. Abgabenordnung, Geldwäschegesetz, Wertpapierhandelsgesetz) anzulasten."

Bisweilen wunderten sich die HVB-Prüfer sogar über die Dreistigkeit ihrer Kollegen. Im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften monierte ein Revisor mögliche Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Er habe "eine weiße Weste", antwortete ihm der Mitarbeiter empört. Der Prüfer notierte dazu lapidar: "Dies erscheint zumindest fraglich."

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