Versicherungsbranche:Lebensversicherer wollen Provisionen deckeln

Kehrtwende der Lebensversicherer: Die Branche fürchtet ein Totalverbot der Vermittlungsprovision - und schlägt lieber eine Obergrenze vor. Versicherungsmakler sehen in dem Ruf nach dem Gesetzgeber ein "Armutszeugnis". Ganz freiwillig vollzog sich der Gesinnungswandel bei den Versicherern allerdings nicht.

Von Herbert Fromme, Köln

Die Versicherungswirtschaft will die nächste Bundesregierung drängen, eine Höchstgrenze für Provisionszahlungen bei Lebens- und Rentenversicherungen festzulegen. Das geht aus einem Schreiben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) an Mitgliedsunternehmen hervor, das der SZ vorliegt.

"Wir bitten um Meinungsbildung in Ihren Häusern hinsichtlich der ... besprochenen Varianten zur möglichen gesetzlichen Regulierung der Kosten in der Produktkalkulation und Vergütung des Vertriebs", schreiben GDV-Hauptgeschäftsführer Peter Schwark und Abteilungsleiter Martin Wurster. Die vorgeschlagenen Höchstgrenzen sind so knapp, dass sie vor allem Großvertriebe wie DVAG, MLP oder Swiss Life Select in ernsthafte Schwierigkeiten bringen dürften.

Heftige Kritik kam vom Verband Deutscher Versicherungsmakler. "Dass die Versicherer den Gesetzgeber anrufen, ist ein Armutszeugnis", sagte der geschäftsführende Vorstand Georg Jenssen.

Jahrzehntelang hatte sich die Versicherungsbranche gegen eine von Verbraucherschützern und aus Brüssel angemahnte gesetzliche Obergrenze für Provisionen gesträubt. Für die Kehrtwende gibt es mindestens zwei Gründe. In den Niederlanden, in Großbritannien und in mehreren nordischen Ländern sind Provisionen auf Lebensversicherungen und andere Altersvorsorgeverträge verboten. Dort müssen die Kunden die Berater über ein Honorar zahlen. Die deutsche Branche muss fürchten, dass eine neue Bundesregierung in eine ähnliche Richtung geht - deshalb bietet sie von sich aus eine Obergrenze an.

Hohe Vertriebskosten machen sich sehr negativ bemerkbar

Ein weiterer Grund: Die Branche erlebt gerade einen schweren Einbruch im Neugeschäft. Klassische Lebensversicherungen verkaufen sich sehr schlecht, nur bankähnliche Verträge gegen hohe Einmalzahlungen schönen die Absatzzahlen etwas. Kunden scheuen angesichts der Finanzkrise langfristige Festlegungen. Dazu kommen die Zinsgarantien, die eigentlich das Hauptverkaufsargument sind: Heute dürfen die Versicherer für neu abgeschlossene Verträge höchstens 1,75 Prozent Zins garantieren, in den 90-er Jahren waren es vier Prozent. Der Höchstsatz wird von der Bundesregierung festgesetzt. Er wird wahrscheinlich demnächst angesichts der anhaltenden Zinsflaute weiter auf 1,25 Prozent oder sogar 1,0 Prozent sinken.

Da machen sich hohe Vertriebskosten in der garantierten Rendite der Lebensversicherungen sehr negativ bemerkbar. Ein heute abgeschlossener Vertrag muss mehr als 20 Jahre laufen, bevor die Garantiezinsen zumindest die eingezahlten Beiträge wieder einspielen, weil ihn die hohen Vertriebskosten negativ belasten. Im GDV ist man sich einig, dass Verträge nach zehn Jahren den Beitragserhalt geschafft haben müssen - auch bei einem Prozent Garantiezins.

GDV-Sprecherin Daniela Röben bestätigte die Diskussion im Verband. "Sie befasst sich aus Anlass des Niedrigzinsumfelds und der Kritik von Verbraucherschutz und Politik mit der Höhe der Kosten von kapitalbildenden Altersvorsorgeprodukten." Damit wolle der GDV eine Position zu möglichen Forderungen des Gesetzgebers vorbereiten.

"Wir halten es für falsch, so in Märkte einzugreifen"

Vor zwei Jahren unternahmen die privaten Krankenversicherer eine ähnliche Aktion. Sie drängten beim Gesetzgeber auf eine Deckelung der Provisionen, weil sie anders mit schwarzen Schafen in den eigenen Reihen nicht fertig wurden, die bis zu 18 Monatsbeiträge Provision zahlten und schräge Vertriebsorganisationen wie die MEG von Mehmet Göker erst möglich machten. Seit dem Jahr 2012 sind die Provisionen in der Krankenversicherung auf neun Monatsbeiträge gedeckelt. In der Lebensversicherung werden Provisionen nicht in Monatsbeiträgen berechnet, sondern in Prozent der insgesamt vom Kunden zu zahlenden Beiträge.

Die Vorschläge für den Provisionsdeckel wurden von einer GDV-Arbeitsgruppe erarbeitet, in der auch Markus Faulhaber sitzt. Er ist Chef der Allianz Lebensversicherung, des unbestrittenen Marktführers. Möglichkeit eins: Begrenzung der Auszahlungen an die Vermittler auf 3,5 bis vier Prozent der Beitragssumme, mit einer "Stornohaftung" von zehn statt bisher fünf Jahren.

Möglichkeit zwei: Begrenzung auf zwei bis 2,5 Prozent der Beitragssumme mit einer Haftung von fünf Jahren, sowie weitere zwei Prozent während der gesamten Laufzeit des Vertrags. Mehr als einen Jahresbeitrag soll es nie geben.

Großvertriebe kassieren heute regelmäßig mehr als fünf Prozent

Die Stornohaftzeit ist wichtig: Während der müssen Vermittler die Provision ganz oder teilweise zurückzahlen, wenn der Kunde kündigt - je länger die Stornohaftung, desto größer das Interesse des Vermittlers, dass der Vertrag wirklich für den Kunden passt und nicht frühzeitig aufgegeben wird. Außerdem ist eine lange Stornohaftung ein Schutz gegen die Versuchung von Maklern, ihren Kunden nach einigen Jahren die Kündigung des Altvertrags und den Abschluss eines neuen Vertrag nahezulegen, wofür erneut Provision fällig wird. Heute erhalten unabhängige Versicherungsmakler rund 4,5 Prozent bis 4,8 Prozent der Beitragssumme als Provision, bei Versicherungsvertretern, die nur für eine Gesellschaft als freie Handelsvertreter arbeiten, sind es etwa 2,6 Prozent. Mehrfachagenten, die mehrere Unternehmen vertreten, erzielen rund 3,5 Prozent. Für sie wird der Deckel wenig ändern.

Ganz anders bei den Großvertrieben. Sie kassieren heute regelmäßig mehr als fünf Prozent, in der Spitze werden sieben Prozent Provision verlangt - und gezahlt. Für die Eigner und Aktionäre von DVAG, MLP, Swiss Life Select oder OVB wäre die Umsetzung der GDV-Vorschläge deshalb eine Katastrophe. Sie leiden ohnehin unter starken Umsatzeinbrüchen und dem Provisionsdeckel in der Krankenversicherung.

"Wir halten es für falsch, so in Märkte einzugreifen", sagte MLP-Sprecher Jan Berg. "Die Beratungsqualität hängt nicht von der Höhe der Provisionen ab."

Aber die Versicherungsbranche meint es ernst. Dass Allianz, Ergo und Co. ein großes Problem sehen, sagte Allianz-Deutschlandchef Markus Rieß der SZ schon im Juli: "Wenn sich die Niedrigzinsphase verstetigen sollte, wovon auszugehen ist, dann müssen die Lebensversicherungen kostengünstiger werden."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: