Umweltschäden in Nigeria:Gericht verurteilt Shell zu Schadenersatz

Local Nigerian farmers take Shell to court in a landmark pollluti

Ölschaden im Ogoniland: Ein nigerianischer Fischer zeigt seinen mageren Fang.

(Foto: Marten Van Dijl/dpa)

Ein Urteil, das Geschichte schreiben könnte: Als erster Ölmulti wird Shell in Europa wegen Umweltschäden in der Dritten Welt zu Schadenersatz verurteilt. Aus Pipelines des Tochterkonzerns in Nigeria war Öl ausgeflossen - afrikanische Bauern zogen vor Gericht.

Von Markus Balser

Das Versprechen des Konzerns klingt vielsagend: "Shell legt großen Wert darauf, einen Unterschied zu machen für die Umwelt, in der Menschen leben und arbeiten." So verspricht es der Ölmulti auf seiner nigerianischen Homepage. Friday Akpan hätte auf den einen oder anderen Unterschied gerne verzichtet. Denn die Heimat des Fischers, die Sümpfe im nigerianischen Ogoniland, sind heute ein Meer aus Öl. Verklebte Gräser, verschmiertes Wasser: Der niederländische Konzern entdeckte in dem drittgrößten Feuchtgebiet der Welt vor mehr als einem halben Jahrhundert große Ölvorkommen. Es wurde zu einem der wichtigsten Produktionsstandorte, mit fatalen Folgen für die Umwelt.

Am Mittwoch saßen sich die Anwälte von Friday Akpan, drei anderen Bauern und Shell in einem weltweit beachteten Prozess vor einem Gericht in den Niederlanden gegenüber. Angeklagt: Der Ölkonzern Shell. Vorwurf: Umweltverschmutzung im Entwicklungsland Nigeria. Die Forderung: Eine Entschädigung. Die Entscheidung in diesem fünf Jahre währenden Kampf David gegen Goliath könnte in die Geschichte eingehen. Denn das Zivilgericht in Den Haag verurteilte Shell am Mittag wegen der Ölpest zu Schadenersatz.

Umweltschäden in Nigeria: Alali Efanga, Friday Alfred Akpan-Ikot Ada Udo, Chief Fidelis Oguru Oruma und Eric Dooh (von rechts) haben Shell verklagt.

Alali Efanga, Friday Alfred Akpan-Ikot Ada Udo, Chief Fidelis Oguru Oruma und Eric Dooh (von rechts) haben Shell verklagt.

(Foto: AFP)

Es ist das erste Mal, dass ein Ölkonzern wegen Umweltschäden in einem Entwicklungsland vor einem europäischen Gericht zur Rechenschaft gezogen wird. Shell habe seine Pipelines im Nigerdelta nicht ausreichend vor Sabotage geschützt, urteilte das Distriktgericht. Die Höhe des Betrages muss nun in einem anderen Verfahren festgelegt werden. Es war eine Premiere, dass sich eine niederländische Firma in den Niederlanden für Schäden einer Niederlassung im Ausland verantworten sollte.

Bauern und Fischer aus Nigeria und eine niederländische Umweltorganisation hatten den britisch-niederländischen Konzern verklagt. Sie machten Shell dafür verantwortlich, dass die Betroffenen in Nigeria ihre Lebensgrundlage verloren hätten und ihre Familien nicht mehr ernähren könnten. Durch Pipelinelecks in den Jahren 2005 bis 2007 habe Shell drei Dörfer im Südosten Nigerias verseucht. Das über Tage auslaufende Öl habe die Ernte der Bauern vernichtet und den Fischfang in der Region unmöglich gemacht.

Umweltgruppen sehen die Entscheidung als Präzedenzfall. "Der Fall zeigt, dass sich Unternehmen in Umweltfragen auch bei Aktivitäten im Ausland grundsätzlich ihrer Verantwortung im Heimatland stellen müssen", sagt Ann-Katrin Schneider, die Leiterin Internationale Klimapolitik vom BUND in Berlin. Die Betroffenen in Nigeria hätten 20 Jahre vergeblich versucht, zu Hause Recht zu bekommen, seien aber immer wieder an der Verschleppungstaktik der Justiz gescheitert. Der BUND erwartet nun, dass das Urteil mehr Geschädigte in Entwicklungsländern dazu ermutige, sich vor Gerichten in London, Paris oder Berlin gegen Konzerne zu wehren.

Vereinte Nation ergriffen in dem Streit Partei

Allerdings kam das Gericht den Forderungen der Kläger nur in einem von vier Punkten nach. In drei Fällen wies das Gericht die Klagen ab. Für die Schäden sei allein Shell Nigeria verantwortlich und nicht der britisch-niederländische Mutterkonzern. Richter Henk Wien berief sich in seinem Urteil ausdrücklich auf die nigerianischen Gesetze, wonach ein ausländischer "Mutterkonzern nicht grundsätzlich für Schäden seiner Tochterunternehmen an Dritten" verantwortlich sei.

In Nigeria sorgte die Entscheidung dennoch für Erleichterung: Akpan kam mit seiner Klage durch und kann nun auf Entschädigung hoffen. "Alle Fischteiche in meinem Dorf sind verseucht, das ist einfach die Wahrheit", sagte der zwölffache Vater im nigerianischen Port Harcourt. Dass die anderen Klagen abgewiesen wurde, nannte er "ungerecht". Mene Eric Barizaa Dooh, der am Mittwoch als einziger der vier Nigerianer selbst in Den Haag war, begrüßte es, dass das Gericht Shell Nigeria für die schlechte Wartung seiner Pipelines verantwortlich gemacht habe. Den Menschen in seinem Dorf Goi aber habe es kein Gehör geschenkt: "Unsere Böden sind immer noch verseucht". Die Einwohner würden allein gelassen.

Dagegen sieht der bei Shell für den Umweltschutz zuständige Vize-Vorsitzende Allard Castelein den Richterspruch positiv. Er habe im Wesentlichen den Standpunkt des Konzerns bestätigt. Nigeria ist der größte Ölproduzent in Afrika südlich der Sahara und der achtgrößte Ölexporteur weltweit. Das Nigerdelta ist nach mehr als 50 Jahren Ölförderung von extremer Umweltverschmutzung betroffen. In den vergangenen Jahrzehnten sind Schätzungen von Experten zufolge rund 1,5 Millionen Tonnen Öl aus den 9000 Kilometern der Shell-Pipelines ausgelaufen. Das Volumen entspricht Umweltschützern zufolge etwa einem Exxon-Valdez-Unfall pro Jahr.

Auch die Vereinten Nationen hatten in dem Streit um die Umweltverschmutzung im Nigerdelta Partei ergriffen. Die Uno hatte 2011 erklärt, die Säuberung der Region Ogoniland könne möglicherweise die umfangreichste und längste Reinigungsaktion aller Zeiten werden. Sie hatte die Ölbranche erstmals offiziell für die Schäden verantwortlich gemacht und in einer Studie die Vergiftung des Grundwassers nachgewiesen. So lag die Verseuchung mit krebserregendem Benzol in einem Dorf der Ogoni in Pipelinenähe um das 900-Fache über dem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation.

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