Überwachung bei Edeka Südbayern:Gefilmt, bespitzelt und gefeuert

Bei Edeka Südbayern wird eine Mitarbeitrin überwacht, nachdem sie Unregelmäßigkeiten angezeigt hat

Es könnte eine so eine schöne Einkaufswelt sein, doch bei der Edeka Südbayern rumort es schon lange.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

In einem bayerischen Edeka-Einkaufszentrum zeigt eine Mitarbeiterin Unregelmäßigkeiten an. Fortan soll der Chef sie mit der Überwachungskamera gefilmt haben. Ihr Vater ist Top-Manager bei der Genossenschaft - als er Alarm schlägt, wird er entlassen.

Von Kristina Läsker und Uwe Ritzer, Ingolstadt

"Eine Welt für dich", lockt der Westpark, ein Einkaufszentrum am Rande von Ingolstadt. Vor allem dank des in der Stadt ansässigen Autobauers Audi gehört die Region zu den wohlhabendsten in Deutschland. Die Menschen hier gehen gerne einkaufen. Unlängst wurde der Westpark erweitert: Knapp 150 Geschäfte ziehen täglich 40.000 Besucher an. Das Einkaufszentrum gehört zur Edeka Südbayern, eine von sieben Gesellschaften im bundesweiten Genossenschafts-Verbund.

Es könnte eine so eine schöne Einkaufswelt sein, doch bei der Edeka Südbayern rumort es schon lange. Der frühere Bau-Chef steht unter Korruptionsverdacht; von internen Intrigen, Einschüchterungen und der Bespitzelung von Mitarbeitern war immer wieder die Rede. Nun scheint abermals eine Mitarbeiterin auf fragwürdige Weise ausspioniert worden zu sein - es ist ausgerechnet die Tochter eines Edeka-Topmanagers.

"Dubiose Auftragsvergaben an Handwerker und Firmen"

In einem sechsseitigen Brief an Geschäftsführung und Aufsichtsräte von Edeka Südbayern, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, erhebt Manager Josef K. schwere Vorwürfe gegen die eigene Organisation. Nachdem seine Tochter Claudia (beide Namen geändert) "dubiose Auftragsvergaben an Handwerker und Firmen" durch den Westpark-Leiter intern angezeigt habe, sei sie fortan schikaniert und bespitzelt worden.

Entgegen seinen Zusicherungen und den eigenen Richtlinien soll der Compliance-Beauftragte der Edeka Südbayern die Hinweise der Frau nicht vertraulich behandelt haben. Die Firma habe Claudia K. im Stich gelassen, die bis dahin zehn Jahre untadelig im Unternehmen gearbeitet habe, zuletzt als Assistentin des von ihr beschuldigten Westpark-Chefs.

Als Retourkutsche soll der Chef alles daran gesetzt haben, Claudia K. loszuwerden. Er warf ihr plötzlich vor, mehr Arbeitszeit abzurechnen als tatsächlich zu leisten. Mit Hilfe von mindestens einer der 40 Überwachungskameras im Einkaufszentrum soll er die Frau bespitzelt und Bewegungsprofile von ihr erstellt haben. Zu diesem Zweck habe er eigens den Aufnahmewinkel einer Kamera verändern lassen. Claudia K. sei fortan beobachtet worden, wann sie ins Büro kam und wann sie es verließ. So steht es in dem Brief der Führungskraft.

Vorwürfe des Vaters wiegen schwer

Sollte eine unbequeme Whistleblowerin aus dem Weg geschafft werden, die auf Missstände hingewiesen hat? Die Vorwürfe des Vaters wiegen schwer, zumal Josef K. selbst als ranghoher Manager bei der Edeka Südbayern arbeitet. Der Prokurist verantwortet seit Jahrzehnten die Expansion. Unmittelbar unter den beiden Geschäftsführern angesiedelt, zählt K. zum engsten Führungszirkel der Genossenschaft. Entsprechend schlug sein Brief ein - als Quittung erhielt der Manager diese Woche die fristlose Kündigung.

Josef K. wollte keine Stellungnahme abgeben, ebenso wenig wie seine Tochter. Der beschuldigte Westpark-Leiter erklärte, er erwäge rechtliche Schritte gegen K. und wolle sich deshalb nicht äußern. Auch Hans Georg Maier, der Geschäftsführer der Edeka Südbayern, und deren Aufsichtsratsvorsitzende Angela Steinberger ließen einen umfangreichen Fragenkatalog unbeantwortet. An ihrer Stelle äußerte sich der Bielefelder Rechtsanwalt Carsten Thiel von Herff.

Bloße Hinweise kein Grund für Bewegungsprofil

Der Jurist ist als Ombudsmann der Edeka Südbayern mit dem Fall befasst. Er weist die Vorwürfe von Josef K. als "falsch" zurück. Es habe "hinreichende Anhaltspunkte" für Unregelmäßigkeiten bei den Arbeitszeiten von Claudia K. gegeben. Daraufhin habe der Westpark-Leiter "die Aufzeichnung einer Kamera ausgewertet", die eigentlich aus Sicherheitsgründen in einem der öffentlichen Zugänge zum Einkaufszentrum angebracht ist. "Es gab aber zu keinem Zeitpunkt eine Videoüberwachung von Frau K.", sagt Thiel von Herff.

Genau das aber bezweifelt eine staatliche Behörde. Das bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat den Vorgang geprüft und kam zu einem ganz anderen Ergebnis: "Die Auswertung der zweckgebundenen Videoaufzeichnungen im Hinblick auf arbeitsrechtliche Verstöße war unzulässig", stellte die Behörde unmissverständlich fest.

Das Persönlichkeitsrecht von Claudia K. sei verletzt worden. Bloße Hinweise auf falsche Angaben von ihr bei der Abrechnung von Arbeitsstunden seien kein ausreichender Grund, um ein Bewegungsprofil aus Videoaufzeichnungen zu erstellen. "Unserer Ansicht nach fehlt es an der Erforderlichkeit der Datennutzung", so die Behörde.

Abmahnung gegen Claudia K. zurückgenommen

Tatsächlich erteilte die Edeka Südbayern Claudia K. wegen der angeblichen Arbeitszeitmanipulationen eine Abmahnung - und nahm diese später wieder zurück. "Nicht aus rechtlichen Gründen, sondern lediglich auf meine Empfehlung, um zu deeskalieren", sagt Ombudsmann Thiel von Herff. Doch das las sich in internen Unterlagen schon mal ganz anders.

Demnach ist er vor wenigen Monaten noch zu einem etwas anderen Ergebnis gekommen: Ob die Abmahnung begründet sei, könne er nicht sicher bewerten, hieß es damals, unverhältnismäßig sei sie in jedem Fall. Eine mündliche Ermahnung - das mildere Mittel als die Abmahnung - hätte es auch getan.

"Verdacht einer bevorzugten Behandlung"

Auch am Vorgehen von Edeka findet der Ombudsmann wenig auszusetzen. Der Vorwurf, ein Edeka-Beauftragter habe die Angaben von Frau K. über Missstände nicht vertraulich behandelt, sei falsch. Ihr Name werde zwar neben dem anderer Westpark-Beschäftigter genannt, aber nicht als Hinweisgeberin.

Immerhin gingen die Edeka-Revisoren den Angaben der Frau nach. Ihrem internen Sonderprüfungsbericht zufolge, der der SZ vorliegt, stießen sie tatsächlich auf fragwürdige Auftragsvergaben gestoßen. Sie äußerten den "Verdacht einer bevorzugten Behandlung" bestimmter Firmen; manche Verflechtungen seien "sehr sonderbar und abschließend nicht vollständig erklärbar". Als Konsequenz erhielt der Westpark-Chef einen Stellvertreter an seine Seite gestellt.

Die deutsche Edeka-Zentrale in Hamburg hält sich raus. Ihr Sprecher verweist auf die Eigenständigkeit der regionalen Genossenschaften. Völlig separat scheinen diese jedoch nicht zu arbeiten. Edeka-Vorstandschef Markus Mosa vertritt in der Gesellschafterversammlung der Edeka-Südbayern immerhin den mit 50-Prozent der Anteile größten Gesellschafter.

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