Streit über Duftwerbung bei Abercrombie&Fitch:Den Kunden stinkt es

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Für die einen riecht es nach frischer Zitrone, für die anderen stinkt es einfach nur nach Kloreiniger: In Hamburg ist Streit über einen Duft entbrannt, der in der Filiale der angesagten Modemarke Abercrombie&Fitch versprüht wird. Dabei ist das Unternehmen bei weitem nicht das einzige, das auf Duftwerbung setzt. Die Frage ist nur: Wann wird ein Geruch zur Qual?

Charlotte Frank, Hamburg

Nur damit sich am Ende keiner missverstanden fühlt, soll hier zunächst die tiefere Botschaft erklärt werden, die "Fierce" innewohnt. Fierce, so heißt ein Herrenduft der unter Jugendlichen extrem angesagten Marke Abercrombie&Fitch (A&F), was sich ins Deutsche mit diversen Attributen aus dem Bereich der Balz übersetzen lässt: wild, leidenschaftlich, scharf.

Stinkt es oder stinkt es nicht? Abercrombie&Fitch parfümiert die Fußgängerzonen. (Foto: REUTERS)

Entsprechend verlockend klingt der Werbetext: "Die frische Zitrusnote wird ihre Aufmerksamkeit packen, warmer Moschus ihr Interesse fesseln." Zumindest das mit Aufmerksamkeit und Interesse hat schon mal geklappt in Hamburg. Nur nicht so, wie die A&F-Manager das geplant haben dürften. Dem Laden steht Ärger ins Haus. Es stinkt dort, sagen die Hamburger. Es stinkt nach Parfum.

Seit April hat die Modemarke eine Filiale in der Innenstadt und versprüht vor der Tür eine dichte Wolke Fierce. Das ist Werbung, sagt A&F. Das riecht wie ein Nebel aus Kaubonbon und Kloreiniger, sagen viele Hamburger. Inzwischen muss das Bezirksamt schon prüfen, ob zugelassene Emissionswerte überschritten sind.

Herauszufinden, ab wann ein Duft stinkt, ist keine leichte Aufgabe - aber eine, die sich Behörden immer öfter stellt. In den Städten blasen Autos weniger Dreck in die Luft, dadurch entsteht ein Effekt wie nach dem Rauchverbot in Clubs: "Plötzlich nimmt man Gerüche wahr, die zuvor unterdrückt waren", sagt Hanns Hatt, Duftforscher am Lehrstuhl für Zellphysiologie der Uni Bochum.

A&F verfahre nach einem Modell, welches Bäcker, Wurstbuden und Parfümerien seit Jahren nutzten und welches etwa in der Schweiz schon zu Anwohnerprotest gegen den Seifenladen Lush geführt hat: "Der Mensch läuft der Duftspur nach", sagt Hatt.

Längst versuchten die meisten Firmen deshalb, über Gerüche Markenidentität zu schaffen: Samsung "beduftet" laut dem Bochumer Professor seine technischen Geräte ebenso wie Adidas seine Turnschuhe. Daran sieht er zunächst nichts Schlimmes. Menschen, sagt er, parfümierten sich meist auch nur zur Selbstvermarktung - ihr eigenes Parfum röchen sie eh nicht mehr. "Der Dauerstreit ist nur: Ab wann belästigt ein Geruch?"

Das lässt sich objektiv kaum sagen, denn der Geruchssinn ist höchst individuell. Das Umweltbundesamt hat deshalb die "Geruchsmessung durch Gebietsbegehung" ersonnen - ein Instrument, das auch Hamburg bei Klagen nutzt: "Wir schicken Probanden los, die im fraglichen Gebiet Protokoll führen, wie oft es stark riecht", sagt die Sprecherin der Umweltbehörde. Bundesweit gelte: In Wohngebieten darf es nicht mehr als zehn Prozent der Jahresstunden riechen, in Industriegebieten höchstens 15 Prozent.

Auch im Fall A&F bittet das Bezirksamt nun Menschen, die im Dunstkreis wohnen oder arbeiten, zu notieren, wann Fierce nicht mehr wild, leidenschaftlich und scharf auf sie wirkt - sondern penetrant.

Die Chancen der Parfumgegner sind nicht schlecht. In den USA hat sich die Initiative "Teens Turning Green" gebildet, die gegen die Luftverschmutzung durch Düfte protestiert.

Schwerpunkte sind die A&F-Läden in San Francisco und New York. An der Fifth Avenue hat A&F das Sprühen schon eingestellt. Die Hamburger Filiale will sich zu dem Streit nicht äußern.

© SZ vom 25.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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