Slowenien in der Krise:Euro-Liebling am Abgrund

Das kleine Slowenien führte als erster Staat nach der EU-Osterweiterung den Euro ein. Es galt als fleißig und solide. Doch seitdem die Gemeinschaftswährung schwächelt, trudelt das Land in Richtung italienische Verhältnisse.

Viktoria Großmann

Maribor in Slowenien, vor kurzem: ein geputztes Städtchen. Am Eingang zur Altstadt steht eine bunte Infobox, der Veranstaltungskalender der europäischen Kulturhauptstadt 2012 ist voll. Aber die Einkaufsstraßen sind leer. Genauso wie die Restaurants.

Alter Wein und junge Künstler - Maribor ist Kulturhauptstadt 2012

Der Dalai Lama hat dieses Jahr auch schon die europäische Kulturhauptstadt Maribor besucht. Der einzige Sektor der slowenischen Wirtschaft, der nicht stagniert, ist der Tourismus. Schön ist das Land ja immer noch.

(Foto: www.slovenia.info/Matej Vranic)

Das kleine Land am Rande Europas schien sich immer die größte Mühe zu geben, an Europas Zentrum anzuschließen: Slowenien sah aus wie eine Erweiterung Österreichs - nur sauberer. Ein Vorzeigeland unter den jüngeren Mitgliedern der Europäischen Union. Nun aber nähert sich Slowenien eher seinem Nachbarn Italien an: Die Schuldenkrise hat das Land voll erwischt. Ende der vorigen Woche hat die Ratingagentur Moody's die Bonität erneut heruntergestuft - sie liegt jetzt nur noch zwei Stufen über Ramschniveau.

2004 traten die mehr als zwei Millionen Slowenen der EU bei. Da lag das Wirtschaftswachstum noch bei 3,6 Prozent und die Arbeitslosenquote unter EU-Durchschnitt. Als erster der neuen EU-Staaten führte Slowenien 2007 den Euro ein, dem Land ging es gut, es wurde gebaut, Kredite waren leicht zu bekommen. Vom Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 wurden die Slowenen kalt erwischt: 2009 gab die Wirtschaft um 8,1 Prozent nach. Die Exporte brachen um ein Fünftel ein, niemand investierte mehr, der Bauboom war zu Ende. Übrig blieben faule Kredite und zwei geschwächte Banken, deren Hauptanteilseigner der Staat ist: die Nova Ljubljanska Banka (NLB) und die Nova Kreditna Banka Maribor. Beide Geldhäuser sitzen auf faulen Baukrediten; bis zu 18 Prozent sollen ausfallgefährdet sein.

Seitdem wachsen die Schulden. 2007, vor der Krise, lagen sie bei 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, nun schon bei fast 48 Prozent. Im Juni erschreckte der konservative Ministerpräsident Janez Janša die Öffentlichkeit: Slowenien müsse bald unter den EU-Rettungsschirm. Bald darauf ruderte er zurück und erklärte er, es sei ihm nur darum gegangen, die Opposition wachzurütteln.

Noch Ende Juli hatte die örtliche Presse von Gerüchten berichtet, dass die Regierung spätestens im November um 1,3 Milliarden Euro Hilfe bitten müsse. Doch Sloweniens Finanzminister Janez Šušteršič dementierte: Der Haushalt sei stabil. Er sehe überhaupt keine Notwendigkeit, die EU um Hilfe zu bitten. Das Land werde das Problem der faulen Bankkredite alleine lösen. Im Gegenteil hält Šušteršič weiter am ehrgeizigen Ziel fest, das Haushaltsdefizit des Landes auf drei Prozent zu senken. Im Dezember lag es bei 6,4 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Der Plan der Regierung? Reichlich optimistisch, sagen Wirtschaftswissenschaftler

Der Ökonom Vladimir Gligorov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche findet diesen Plan reichlich optimistisch: Nach seinen Berechnungen könne Slowenien am Jahresende ein Defizit von 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Für 2013 seien es immer noch minus 3,5 Prozent. "Aus ökonomischer Sicht könnte es für Slowenien sinnvoll sein, den IWF oder die Euro-Zone um Unterstützung zu bitten."

Auf absehbare Zeit wird die slowenische Wirtschaft nicht mehr wachsen. Zwar sind 17 Milliarden Euro Staatsschulden nicht viel, aber das Land kann nicht refinanzieren. Die Rendite auf Staatsanleihen liegt bereits bei mehr als sieben Prozent - so hoch wie in Portugal, Irland und Griechenland, bevor die Länder um Hilfe bitten mussten.

Welche Fehler Slowenien gemacht hat

Es zeigt sich, dass die Scheu des Landes vor ausländischen Investoren falsch war. Die Telekom Slovenije, die Eisenbahn, die Post, Versicherungen - überall ist der Staat dabei. Er ist insgesamt an 50 Firmen beteiligt. Diese Politik sicherte dem Land bisher Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit; es schien richtig zu sein, dass der Staat nicht blind ausverkaufte und privatisieren ließ. Der Hang zum Staatseigentum ist laut Gligorov eine Frage der Mentalität. Der Ökonom stammt aus Mazedonien - einem Land, das wie Slowenien früher eine Teilrepublik von Jugoslawien war. Das Volk wolle einen Staat, der sich um alles kümmert. Arbeitslosigkeit? Ist man nicht gewöhnt.

Nun müssen die Slowenen sich umstellen. Einsparungen gibt es in erster Linie im Sozialen, und die Arbeitslosigkeit liegt bereits bei 8,2 Prozent und soll weiter steigen. Die Slowenen konsumieren wenig. Beamte sollen im Zuge der Sparpolitik weniger Lohn erhalten, Lehrer müssen länger arbeiten. Kindergeld und Arbeitslosengeld sollen gekürzt werden, Kommunen und Staatseisenbahn weniger Geld erhalten. Es ist das in den Südländern Europas derzeit übliche Rekonvaleszenz-Programm.

Auch die slowenische Politik scheint nicht besonders stabil zu sein. Im Dezember gab es vorgezogene Neuwahlen, danach scheiterte der erste Versuch der neuen Regierungsbildung. Seit Februar ist nun zum zweiten Mal Janša Ministerpräsident; er war bereits von 2004 bis 2008 im Amt. Im Februar 2012 bildete der Mann erneut eine Regierung, eine Koalition aus fünf Parteien. Kaum angetreten, reduzierte die Anzahl der Ministerien. Besonders heftig kritisiert wurde, dass Janša die Staatsanwaltschaft dem Innenministerium unterstellte, vorher gehörte sie in die Zuständigkeit des Justizministeriums. An die Spitze des Innenministeriums setzte er einen ehemaligen Polizisten und angeblichen Getreuen.

Gegen den Ministerpräsidenten läuft ein Prozess wegen Korruption

An der Steuerung der Justiz hat Janša ein besonderes Interesse: Gegen ihn wird seit September in Ljubljana ein Prozess wegen Korruption geführt. Janša soll vom finnischen Waffenfabrikanten Patria Bestechungsgeld erhalten haben. Im Gegenzug soll Janša der Firma einen Auftrag zur Ausrüstung der slowenischen Armee erteilt haben. Vor Janša regierte von 2008 bis 2011 der Sozialdemokrat Borut Pahor das Land. Er schob Reformen an - doch das Parlament sprach der Regierung das Misstrauen aus.

Kommt es nun im Herbst zu Geldspritzen für Slowenien? Im Juli versicherte Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Gruppe, das sei für Slowenien kein Thema. EU-Kommissions-Präsident José Manuel Barroso mahnte das Land unterdessen bereits damals, sein Bankenproblem zu lösen.

Noch allerdings ist Sommer, Urlaubszeit. Der Tourismus ist der einzige florierende Wirtschaftszweig. Die slowenische Tourismuszentrale hat gute Argumente: Auf der kleinen Fläche des Landes drängen sich Berge, Seen und Mittelmeer-Hafenstädtchen. Amerikaner, Österreicher, Italiener und viele Schweizer knipsen da den venezianisch anmutenden Marktplatz von Piran an der Adria. Sie drücken sich in den Schatten der barocken Bauten der Hauptstadt. In den Lokalen und Läden sind die Touristen unter sich - bis auf weiteres.

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