Siemens und die Krise:"Keine Anzeichen für Bodenbildung"

Abschied vom Jahresziel: Siemens beugt sich der Wirtschaftskrise und senkt die Ergebnisprognosen fürs laufende Jahr ab.

Caspar Busse

Lange hatte sich Siemens-Chef Peter Löscher dagegen gewehrt, angesichts der Wirtschaftskrise die Erwartungen zu korrigieren. Doch jetzt gehen die Aufträge deutlich zurück. Siemens erwartet härtere Zeiten, für 2009 rechnet Löscher mit weniger Gewinn. Die Börse hatte offenbar Schlimmeres erwartet, die Aktie stieg.

Siemens und die Krise: Siemens: Auch in der Energietechnik wird das Geschäft schwieriger.

Siemens: Auch in der Energietechnik wird das Geschäft schwieriger.

(Foto: Foto: AP)

In Berlin wurde Siemens vor mehr als 160 Jahren gegründet, und die Stadt ist nach wie vor einer der größten Standorte des weltweit agierenden Konzerns. Konzernchef Peter Löscher hat in diesem Jahr die Mosaikhalle in der imposanten Siemens-Hauptverwaltung im Nordwesten der Stadt ausgewählt, um die Halbjahreszahlen zu präsentierten.

Was der gebürtige Österreicher mitzuteilen hatte, waren keine gute Nachrichten. Auch Siemens ist inzwischen auf dem Boden der Realität gelandet. Löscher musste die Prognose für den Gewinn deutlich nach unten korrigieren. Und er machte auch klar, dass die weltweite Wirtschaftskrise aus seiner Sicht alles andere als beendet ist. "Wir sehen keine Anzeichen für eine Bodenbildung", sagte Löscher. Der Konzern richtet sich auf einen langen Abschwung ein: "Die Krise wird auch im kommenden Jahr das Geschehen bestimmen."

Am Mittwoch berichtete auch der Maschinenbau von einem weiteren Auftragseinbruch. Die Bundesregierung rechnet mit einem Rückgang der Wirtschaft und steuert dagegen. Löscher begrüßt das. Die staatlichen Konjunkturprogramme würden dem Konzern helfen. "Die Krise kommt auch bei Siemens an, aber Siemens ist nicht in der Krise", sagte Löscher.

Der Siemens-Chef hatte lange keinen Anlass gesehen, die Planung anzupassen und damit auch Kritik auf sich gezogen. Im vergangenen Sommer hatte er gesagt, er rechne mit einem operativen Gewinn von bis zu 8,5 Milliarden Euro. Löscher und Finanzvorstand Joe Kaeser hatten allerdings immer wieder, wenn auch in kleinen Dosen, auf die wachsenden Probleme hingewiesen. Dass die Ziele nicht mehr zu erreichen sind, war vielen klar. Jetzt kassierte Löscher auch offiziell die Prognose. Siemens rechnet nun mit einem operativen Ergebnis von 6,6 Milliarden Euro oder mehr - das wäre mindestens das Niveau des vergangenen Jahres.

Komfortables Polster

Die Aktie legte am Mittwoch zeitweise um fast fünf Prozent zu. Die Prognose-Senkung sei nicht so stark ausgefallen wie im Vorfeld befürchtet, teilten Analysten mit. Siemens verbuchte im abgelaufenen Quartal nach bereinigten Zahlen bereits einen Gewinnrückgang. Nach Steuern verdiente Siemens aber immer noch über eine Milliarde Euro. Das ist durchaus noch komfortabel, viele Großkonzerne weisen bereits hohe Verluste aus.

Anlass zur Sorge ist vor allem der um elf Prozent schrumpfende Auftragseingang. Es gebe aber keine Stornierungen in großem Umfang, hieß es. Lediglich Orders von etwa 500 Millionen Euro seien zurückgezogen worden. Insgesamt liegt der Auftragsbestand noch immer bei 87 Milliarden Euro. Die Kunden würden aber zunehmend Orders verschieben.

Der Bereich Industrie spürt derzeit die Krise am deutlichsten. Hier gehen die Aufträge auf breiter Front zurück. Im Bereich Energie sei die Lage noch "robust", meinte Löscher. Siemens würde sich hier aber nicht "in falscher Sicherheit" wiegen und stellt sich offenbar auf einen Rückgang auch hier ein. Noch wenig beeinträchtigt sei bisher die Medizintechnik. Hier habe Siemens General Electric überholt und sei Weltmarktführer. Insgesamt rechnet der Konzern für 2009 mit einem geringeren Umsatz.

Sparen im Einkauf

Löscher kündigte weitere Sparanstrengungen an. In der Verwaltung läuft bereits ein Programm, das 1,2 Milliarden Euro bringen soll. Dieses Ziel könne durchaus übertroffen werden, hieß es. Betriebsbedingte Kündigungen seien vorerst bis Herbst ausgeschlossen.

Gespart werden soll auch im Einkauf. 2008 kaufte Siemens im Wert von 40 Milliarden Euro ein, sagte Barbara Kux, Mitglied im Siemens-Vorstand. Insgesamt gebe es rund 100.000 Zulieferer. Es seien bereits 1000 Maßnahmen eingeleitet worden, berichtete Kux, die vor kurzem vom Wettbewerber Philips zu Siemens gekommen war. Wie viel gespart werden soll, teilten weder Kux noch Löscher mit. Analysten gehen davon aus, dass etwa fünf Prozent des Einkaufsvolumens möglich seien - das wären immerhin zwei Milliarden Euro.

Löscher lobte ausdrücklich das Instrument der Kurzarbeit und die von der Bundesregierung geplante Verlängerung der Zahlungen. Demnächst wird Siemens die Zahl der Kurzarbeiter auf 19.000 erhöhen. Siemens beschäftigt in Deutschland 130.000 der weltweit 430.000 Mitarbeiter. Ob demnächst an weiteren Standorten kurzgearbeitet werden muss, wollte Löscher nicht mitteilen.

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