Siemens:Die fetten Quartale sind vorbei

Siemens gerät unter Druck: Millionen-Abschreibungen in der Medizintechnik und Probleme bei den erneuerbaren Energien belegen das. Jetzt stellt sich der Konzern auf härtere Zeiten ein.

Martin Hesse

Sie wollten umbauen, solange die Sonne noch auf den Siemens-Konzern scheint. So hatten sich Konzern-Chef Peter Löscher und der neue Vorstand Roland Busch das überlegt, als sie im März den Bau der vierten Konzernsäule "Infrastruktur und Städte" verkündeten.

Siemens: Das Verwaltungsgebäude der Siemens AG in München.

Das Verwaltungsgebäude der Siemens AG in München.

(Foto: AP)

Vor ein paar Wochen war es dann die Aufgabe von Finanzvorstand Joe Kaeser, Aktionäre und Mitarbeiter auf den Wetterwechsel vorzubereiten. "Der Rückenwind der Krisenerholung" sei vorbei. Und jetzt, so scheint es, frischt der Wind sogar auf, kommt von vorn und bringt Regenwolken mit sich.

Siemens wird im dritten Quartal, über das der Konzern in der kommenden Wochen am 28. Juli berichtet, schlechte Nachrichten haben: In der Medizintechnik wird es eine Abschreibung von mehr als 300 Millionen Euro geben, wie es in Konzernkreisen heißt. Im Windgeschäft kommen zwar weiterhin Aufträge herein, doch die Gewinne geraten unter Druck. Und das Solargeschäft läuft schleppend.

Zwar werden auf den ersten Blick die Zahlen für den Konzern ordentlich aussehen - vor allem wenn man sie mit dem Konkurrenten Philips vergleicht. Der Auftragseingang soll höher liegen als jene 20,7 Milliarden Euro, die Siemens im zweiten Quartal erreicht hatte. Dafür sorgt schon der Milliardenauftrag der Deutschen Bahn für neue ICE-Züge.

Der Umsatz soll stabil bei etwa 17,7 Milliarden Euro liegen, das Ergebnis etwas über den 1,4 Milliarden Euro aus dem Vorjahresquartal. Darin ist eine Zahlung von 650 Millionen Euro, die Siemens an den Konkurrenten Areva für den Ausstieg aus dem Atom-Joint-Venture zahlen muss, nicht inbegriffen.

Probleme in der Medizintechnik

Doch es gibt einige Probleme hinter den Zahlen, die Siemens noch länger beschäftigen dürften. So bekommt der Konzern Schwierigkeiten in der Medizintechnik nicht in den Griff. Erst im vergangenen Jahr hatte Siemens einen Milliardenbetrag für die überteuerte Übernahme der Diagnostik-Firma Dade Behring abgeschrieben.

Jetzt gibt es ein neues Problem. Große Hoffnungen hatte Siemens in die Vermarktung der Partikeltherapie gesetzt - ein neues Verfahren zur Krebs-Bekämpfung. Für viel Geld installierte man Anlagen in Kliniken in Marburg, Heidelberg, Kiel und Schanghai, um das Verfahren möglichst breit anwenden und so auch wirtschaftlich betreiben zu können. Am Montag kündigten Siemens und der Partner in Marburg, die Rhön Klinikum AG, an, dass sie die Partnerschaft "vertraglich auf eine neue Basis stellen" wollen.

Im Klartext heißt das: Siemens kauft die Anlage von dem privaten Klinikbetreiber zurück und wird sie nur noch als Forschungsprojekt nutzen. Damit gesteht Siemens sich ein, dass sich die Partikeltherapie vorerst nicht rentabel betreiben lässt. In Kiel, wo die Therapie mit der Uniklinik Schleswig-Holstein betrieben wird, verhandelt Siemens noch über eine Lösung. In Heidelberg und Schanghai lag der Schwerpunkt auf der Forschung, diese wird fortgeführt.

"Im Solarbereich fehlt ein industrielles Konzept"

Abschreibungen könnten auf Siemens eines Tages auch in der Solartechnik notwendig werden, allerdings noch nicht im abgelaufenen Quartal. Die Hoffnungen, die Siemens an die Übernahme der israelischen Firma Solel geknüpft hatte, haben sich bislang nicht erfüllt. "Im Solarbereich fehlt dem Konzern ein industrielles Konzept", kritisiert ein Aufsichtsrat. Wenn man im Geschäft mit der Sonnenenergie so weit kommen wolle wie im Windgeschäft, müsse man zukaufen.

Doch dazu muss erst ein Nachfolger für Divisionschef René Umlauft gefunden werden, der den Konzern in Richtung MAN verlässt. Der Neue muss auch in der Windsparte aufräumen: Zwar ist Siemens im Geschäft mit Windparks vor der Küste (offshore) weltweit führend. Doch im Onshore-Geschäft hinkt Siemens hinterher. Vor allem aber ist das Windgeschäft nicht profitabel genug.

Auf Siemens-Chef Löscher kommt also noch viel Arbeit zu - und dann kommt auch noch der neue Sektor. Dessen Chef Roland Busch könnte von Anfang an damit zu kämpfen haben, dass seiner wichtigsten Zielgruppe, nämlich die öffentlichen Hand, in Zeiten der Staatsschuldenkrise das Geld für große Investitionen fehlt.

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