Schuldeingeständnis des Schweizer Bankhauses Wegelin:Die Bank, die sich zu sicher fühlte

A man is reflected in the window of Swiss Wegelin bank headquarters building in St. Gallen

Die Wegelin-Bank-Zentrale in St. Gallen, Archivbild

(Foto: REUTERS)

Alles schien so einfach zu sein. Keine Zweigstellen in den Vereinigten Staaten, die Geschäfte ganz nach Schweizer Recht und - die anderen machten es ja genauso: Die Bank Wegelin glaubte sich unverwundbar, als sie US-Kunden half, Steuern zu hinterziehen. Doch für das Geldhaus endete die Geschichte dramatisch - und die gesamte Schweizer Bankbranche gerät in Bedrängnis.

Hans von der Hagen

Ausgerechnet die Vereinigten Staaten, das Land, das der Schweiz so viel ferner ist als Deutschland und all die anderen Staaten, deren Bürger ihr Geld gerne vor dem Fiskus verstecken. Ausgerechet die USA also haben die Schweizer Finanzindustrie derart heftig attackiert, dass jetzt die erste Bank kapituliert hat: Nach knapp 275 Jahren wird die Bank Wegelin ihre Geschäfte endgültig einstellen.

Die US-Behörden klagten gegen das Institut, weil es Personen aus den Vereinigten Staaten geholfen hatte, Steuern zu hinterziehen. Daraufhin hatte sich Wegelin schon vor einem Jahr praktisch aufgegeben. Weite Teile des Geschäfts wurden an die Raiffeisen-Gruppe verkauft und zuletzt nur noch die Konten der US-Kunden betreut, die nun endgültig abgewickelt werden.

Zugleich hat Wegelin eingestanden, dass es durch "Eröffnung von Konti und Depots und deren Betreuung für amerikanische Steuerpflichtige US-Recht verletzt" habe. Dafür wird die Bank einen Betrag von 57,8 Millionen Dollar an die Vereinigten Staaten zahlen.

Falsches Sicherheitsgefühl

Wie grotesk der Untergang der traditionsreichen Privatbank im Vergleich zum geradezu lächerlichen Gewinn ist, den das Institut mit den US-Kunden machte, wird in der Aufschlüsselung der Strafzahlung deutlich: Für die in der Zeit zwischen 2002 und 2010 erzielten Gewinne mit amerikanischen Kunden wurde ein Betrag von 15,8 Millionen Dollar angesetzt, den nun die Vereinigten Staaten erhalten.

Zusätzlich lassen sich die Behörden für mutmaßlich entgangene Steuern 20 Millionen Dollar bezahlen. Die Buße liegt bei zusätzlich 22 Millionen Dollar - der Betrag ist so bescheiden, dass der Verdacht aufkommt, die Bank diene den US-Behörden womöglich als eine Art Kronzeuge.

So jedenfalls äußerte sich der Rechtsexperte Peter Kunz von der Universität Bern. Er sagte im Interview mit dem Schweizer Nachrichtenmagazin 10 vor 10: "Ich habe damit gerechnet, dass die Buße höher sein wird. Es ist Spekulation, aber möglicherweise wagten die US-Behörden einen Discount einzugehen, weil sich Wegelin als Kronzeuge gegen die übrigen Schweizer Banken zur Verfügung gestellt hat."

Wegelin als Kronzeuge gegen die anderen Schweizer Banken?

Als entsprechenden Hinweis darauf werden vor allem Aussagen in einer Erklärung des geschäftsführenden Bankteilhabers Otto Bruderer gedeutet. Bruderer räumte nicht nur ein, dass die Bank US-Kunden bei der Hinterziehung von Steuern unterstützte - er ließ auch keinen Zweifel daran, dass die Bank genau wusste, was sie tat.

Wegelin habe die Steuerzahler dabei unterstützt, ihre Pflichten zu verletzen, heißt es in der Erklärung. Und: "Wegelin war bewusst, dass dieses Vorgehen falsch war." Aber man habe eben als Bank geglaubt, dass derlei Geschäfte in der Branche üblich seien. Genau auf einen solchen Satz hätten die amerikanischen Behörden gewartet, sagte Experte Kunz. Er signalisiere, dass viele Banken in der Schweiz genauso wie Wegelin gehandelt hätten. "Das ist sicherlich ein Problem für die übrigen Schweizer Banken." Ein solcher Satz kann womöglich als Druckmittel gegen andere Institute verwendet werden, weil er zeigt, dass die Beihilfe zur Steuerhinterziehung für manche Schweizer Institute wohl auch Strategie war - und nicht nur das Werk einzelner Mitarbeiter.

Was womöglich genauso schwer wiegt: Der Fall Wegelin demonstriert, dass sich keine Schweizer Bank in Sicherheit wiegen kann. Denn ausgerechnet das Institut, das nun aufgrund der Klagen in den USA die Geschäft aufgibt, hatte nach Angaben in der Erklärung Bruderers nicht mit einem Verfahren in den Vereinigten Staaten gerechnet.

Zum einen, weil die Bank keine Zweigstellen oder Büros in den USA unterhielt. Zum anderen, weil sie zugleich davon ausging, im Einklang mit Schweizer Recht zu handeln. Was also sollte ihr passieren? Nun weiß die ganze Bankszene: Es kann alles passieren. Der Arm der amerikanischen Justiz ist lang. Nicht ohne Grund sprach der zuständige Staatsanwalt Preet Bharara von einem "watershed moment" - von einem Wendepunkt.

Derzeit haben die Staatsanwälte noch rund zehn weitere Schweizer Banken im Visier, darunter nicht nur große Privatinstitute wie Credit Suisse und Julius Bär, sondern auch die Kantonalbanken von Zürich und Basel-Stadt. Die Schweizer Großbank UBS hatte bereits in einem ähnlichen Verfahren eine Strafe von knapp 800 Millionen Dollar gezahlt - und die Namen von mehr als 4000 Kunden den US-Behörden übergeben. Ein Teil der UBS-Kunden wurde übrigens dann von Wegelin übernommen. Ein gewaltiger Fehler, wie die Bank mittlerweile weiß.

Und die Deutschen? Jahrelang sahen sie zu, wie steuerpflichtiges Geld in Schweiz versickerte. Dann brachte man ein Steuerabkommen auf den Weg, das weder den Schweizer Banken noch ihren Kunden besonders wehgetan hätte. Doch es ist nun im Bundesrat gescheitert. Jetzt können die Behörden darüber nachdenken, ob das Vorgehen der US-Behörden auf dem Justizweg, das die Neue Zürcher Zeitung in einem Kommentar als "Kanonenbootpolitik" geißelt, letztlich nicht doch erfolgversprechender ist.

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