Neustart für Germanwings:Lufthansa riskiert billig

Jumbojet vor 'Supermond'

Ein Jumbojet der Lufthansa passiert beim Anflug auf den Frankfurter Flughafen den Vollmond.

(Foto: dpa)

Lufthansa will den Billigfliegern mehr Konkurrenz machen und startet einen letzten Versuch: Tochter Germanwings übernimmt ab sofort fast alle europäischen Direktflüge. Nun muss Lufthansa zeigen, ob die neue Sparte konkurrenzfähig ist.

Von Jens Flottau

Carsten Spohr wird diesen Montag verbringen, wie man sich das vom Chef einer großen Fluggesellschaft erwartet: im Flugzeug. Er wird in einem Airbus den ganzen Tag zwischen Berlin, Hamburg, Stuttgart und Köln pendeln, um zu präsentieren, was Lufthansa künftig alles anders macht. Wenn er wollte, könnte er sich auch ins Cockpit setzen - Spohr ist schließlich selbst Pilot.

Derzeit lässt der Chef der Lufthansa-Passagiersparte aber seine Mitarbeiter fliegen. Seine Mitarbeiter, das sind in diesem Fall die Piloten der Tochtergesellschaft Germanwings, deren Rolle vom 1. Juli an stark erweitert wird. Der Billig-Ableger übernimmt den europäischen Direktverkehr der Lufthansa, also alle Strecken, die nicht die beiden großen Drehkreuze in Frankfurt und München berühren.

Mit mehr als 80 Flugzeugen wird die neue Germanwings-Gesellschaft mehr als doppelt so groß sein wie die bisherige und sie soll endlich dafür sorgen, dass der Konzern auf den Nebenstrecken nicht mehr jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag verliert. Beobachter gehen von jährlichen Verlusten von etwa 300 Millionen Euro aus - Lufthansa hat diesen Betrag explizit nicht dementiert.

Für Lufthansa ist die Germanwings-Initiative der letzte Versuch, im Europageschäft weiter mitzumischen. Sollte sich auf Dauer herausstellen, dass auch die neue Germanwings-Gesellschaft nur Verluste einbringt, will sie sich nach und nach aus dem Segment zurückziehen - das haben Spohr und Franz immer wieder klar gemacht. Dann wäre Lufthansa endgültig eine reine Langstreckenfluggesellschaft mit einem europäischen Zubringernetz, das die Drehkreuze in Frankfurt und München mit Umsteigern füttert.

Harte Konkurrenz durch echte Billigflieger

Deshalb soll die Lufthansa-Passagiersparte (Lufthansa, Germanwings) nun in ihrer Struktur so verändert werden, dass sie wieder konkurrenzfähig ist. Ob das im Europageschäft gelingt, ist offen: Germanwings kann zwar günstiger produzieren als Lufthansa, aber sie ist wegen der Einbindung in den Konzern deutlich teurer als echte Billigflieger wie beispielsweise Ryanair und Easyjet, die beide in Deutschland expandieren wollen.

Billigelemente wird es aber auch an Bord von Germanwings geben. Wer sich für die günstigste Tarifkategorie entscheidet, der muss für alles extra bezahlen, in der mittleren Kategorie gibt es einen Snack und ein Getränk umsonst. Und Geschäftsreisende, die die teuersten Tickets kaufen, sollen weiterhin einen Service wie in der Business Class bekommen - eine abgetrennte Kabine gibt es aber nicht mehr.

Zwei neue Vorstände bei Lufthansa

Dass Lufthansa sich mit ihrer Kernmarke aus Teilen des Europageschäfts zurückzieht, ist allerdings nicht die einzige Veränderung, die diesen Montag zu einem besonderen Tag für den Konzern macht. Offiziell treten mit Bettina Volkens und Harry Hohmeister zwei neue Vorstände ihren Dienst an. Hohmeister hat in der vergangenen Woche berichtet, was für ein ungewöhnliches Gefühl es gewesen sei, nach mehr als einem Jahrzehnt den berühmten gelben Ausweis wiederzubekommen, mit dem die Lufthansa-Mitarbeiter im Dienst herumlaufen müssen und auf den viele mächtig stolz sind.

Hohmeister ist eine strategisch interessante Personalie. Der bisherige Swiss- Chef war in den Neunzigerjahren im Netzmanagement der Lufthansa, bevor er in die Touristiksparte Thomas Cook wechselte und später in den Vorstand der Schweizer Lufthansa-Tochter.

Als Christoph Franz 2010 seinen Job an der Spitze der Swiss aufgab, übernahm Hohmeister und setzte fort, was sein Vorgänger begonnen hatte: Swiss ist mit weitem Abstand die profitabelste Fluggesellschaft im Lufthansa-Konzern. Hohmeister behält seinen Job bei Swiss, aber er bekommt zusätzlich als Konzernvorstand die Oberaufsicht über Austrian und Brussels Airlines. Sollte sich Lufthansa eines Tages dazu entscheiden, weitere Airlines zuzukaufen, würden die wohl in sein Ressort fallen.

Ein Signal für mehr Integration

Das ist ein Signal für mehr Integration. Denn bislang haben die Austrian und Brussels Airlines ein ausgeprägtes Eigenleben geführt. Harry Hohmeister soll nun dafür sorgen, dass die Tochtergesellschaften endlich voneinander lernen und gemeinsame Projekte anstoßen. Austrian befindet sich nach vielen verlustreichen Jahren zwar wieder auf dem Weg der Besserung, aber Brussels Airlines steckt noch mitten in der Krise.

Die neue Frau im Vorstand, Bettina Volkens, ersetzt Stefan Lauer als Personalvorstand. Der war nach 13 Jahren in mehr oder weniger der gleichen Rolle offenbar ausgelaugt davon, Veränderungen durchzusetzen - das hieß in letzter Zeit vor allem: Leute zu entlassen. Konzernchef Christoph Franz hat die neuen Kollegen in der vergangenen Woche im kleinen Kreis vorgestellt, von Lauer wurde da schon kaum mehr gesprochen. Bettina Volkens hat Franz im vergangenen Jahr von der Bahn geholt.

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