Neues Modell in China:VW plant einen Volksrepublikwagen

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VW will mit dem Projekt "Budget Car" in China erfolgreich sein. (Foto: dpa)

Wie abgespeckt darf ein Volkswagen sein, um noch als Volkswagen zu gelten? Der Autokonzern will ein Billigauto für den chinesischen Markt entwickeln. Die Entscheidung ist schwierig, denn es wäre ein Kulturbruch für die Qualitätsfanatiker in Wolfsburg. Doch die Zeit drängt - die Rivalen sind in diesem Bereich längst erfolgreich.

Von Kristina Läsker

Es ist einer der unerfüllten Träume von Ferdinand Piëch. "13 war immer meine Glückszahl." Diesen Satz ließ der Aufsichtsratschef von Volkswagen, 76, einst beim Pariser Autosalon fallen. Konkret hatte er da wohl die Fiat-Tochter Alfa Romeo im Visier. Doch der italienische Rivale Fiat weigert sich bis heute, Alfa herzugeben. Schon gar nicht an das Wolfsburger Zwölf-Marken-Reich. Insofern: Als Piëch seinerzeit von der "13" sprach, war das also eine ziemliche Kampfansage. Nur zu gerne hätte Piëch, der mächtige Mann bei VW, dem Auto-Imperium damals eine weitere Marke hinzugefügt.

Nun ist das Ziel einer Marke Nummer 13 in greifbare Nähe gerückt. Und zwar ganz ohne Alfa Romeo. Im Fokus stehen diesmal nicht mehr italienischer Stil, Eleganz oder technische Finesse. Im Gegenteil. Piëch und VW-Chef Martin Winterkorn machen sich intensiv Gedanken darüber, wie abgespeckt ein Volkswagen sein darf, um noch als Volkswagen zu gelten. Kurz: Sie planen eine Billig-Marke für wachsende Märkte wie China und Indien. Eine billige 13. "Budget Car" heißt das Projekt intern. Und bis Jahresende wollen sie darüber entscheiden.

Die Zeit drängt, Rivalen wie Dacia und Kia sind längst etabliert im Billig-Business. VW kann frühestens in zwei Jahren aufschließen: "Unser Budget Car könnte 2016 in China auf den Markt kommen", sagt VW-Manager Hans Demant am Rande der Automobilausstellung IAA. Der einstige Chef von Opel betreut das ehrgeizige Projekt von der Zentrale in Wolfsburg aus.

Wer Primus sein will, braucht Billig-Autos

Derzeit reist der 62-Jährige im Konzern umher und scheucht die Kollegen mit Analysen auf. Demnach sind 2012 weltweit knapp acht Millionen Billigautos unter 10.000 Euro verkauft worden. Bis zum Jahr 2018, so schätzen Experten, werden es 9,4 Millionen Wagen sein.

Das wären dann zehn Prozent des gesamten Absatzes. "2018 wird der Weltmarkt für Billigautos fast so groß sein wie der gesamte europäische Automarkt", sagt er. Es ist ein gigantischer Markt. Und VW spielt nicht mit. Bis jetzt nicht. Genau das aber könnte VW den Weg an die Spitze der Industrie versperren: Dieses Jahr will der Hersteller etwa 9,5 Millionen Fahrzeuge absetzen - der Konzern hofft, dass die Auto-Krise in Europa ihren Tiefpunkt erreicht hat und bald wieder mehr verkauft wird. Bis 2018 wollen die Niedersachsen dann Toyota und General Motors übertrumpfen und Marktführer sein.

Klar ist aber: Wer Primus sein will, darf nicht nur hochwertige Mittelklasse-Autos wie Golf und Audi oder Luxus-Wagen wie Porsche oder Bugatti anbieten. Er braucht auch Billigautos im Angebot für aufstrebende Regionen der Welt. Für Länder wie China, Indien, Russland und Brasilien.

Billig bedeutet in jedem Staat etwas anderes. Von Land zu Land variieren Einstiegspreise und Ausstattungen von Billigwagen. "Das globale Budget Car, das überall erfolgreich sein kann, gibt es nicht", sagt Demant. Grund genug für VW, sich im ersten Schritt auf China zu konzentrieren und erst im zweiten den indischen Markt anzupeilen. China ist für VW bereits der größte Markt. 2012 wurden 2,8 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert.

Doch Erstkäufer erreicht VW dort viel zu selten: Andere Hersteller haben 2012 insgesamt 3,5 Millionen Billigautos in der Volksrepublik abgesetzt, 2018 sollen es 4,6 Millionen sein. 80 Prozent der Käufer haben noch nie ein Auto besessen. Diese Gruppe will VW künftig mit Preisen zwischen 6000 und 7000 Euro locken. Die Produktion könnte dazu schnell hochgefahren werden. Schon im dritten Jahr nach dem Start dürfte es möglich sein, 300.000 bis 400.000 Wagen in China zu bauen.

Das klingt einfach. Ist es aber nicht. Die Manager des deutschen Konzerns gelten als Qualitätsfanatiker. Billiger geht aber nur, wenn gespart wird. Was tun? Wird auf Sicherheit verzichtet? Demant widerspricht vehement. Das Budget Car müsse robust und langlebig sein, sagt er. Nur schlichter dürfe es werden.

Niedrige Gewinne mit Kleinwagen

Sicher und schlicht? Wie soll das gehen? Sparen will der Konzern, indem der Billigwagen auf einer bestehenden Plattform und mit vorhandenen Technologien gebaut wird. "Wir würden möglichst ein komplettes eigenes Werk für das Budget Car in China auslasten", sagt Demant. VW betreibt bereits mit Partnern vierzehn Fabriken im Land, zuletzt wurde ein Werk in Urumqi eröffnet, fünf weitere sind geplant. Möglichst viele Teile für das Budget Car sollen in China produziert und zugeliefert werden. Das soll Geld sparen. Im Haus ist klar: Demant darf nur loslegen, wenn er mit internen Projekten konkurrieren kann. Kurz: Der Billigwagen muss eine zweistellige Rendite bringen.

Das ist nicht ungefährlich: Die Gewinne von Kleinwagen sind - absolut gesehen - eher niedrig. Ein paar Hundert Euro dürften es pro Auto sein, mehr nicht. Wenn ein Fehler passiert, wird das ganz schnell ganz teuer und lässt sich durch Gewinne kaum ausgleichen. Ein Grund, weshalb auch die Investitionen in die neue Marke wohl eher niedrig bleiben und mit bestehenden Mitteln gearbeitet werden muss.

Bleibt die Frage, ob Marke Nummer 13 so sehr zum Kulturbruch wird, dass sie daran scheitern könnte: Will Volkswagen überhaupt günstig bauen? Ist Billigbau erlaubt in einem Konzern, wo Piëch und Winterkorn persönlich und penibel auf hohe Qualität pochen? "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das können", sagt Demant. Doch dafür braucht er ein erfahrenes und selbstbewusstes Team - und Freiraum. Es müsse die Freiheit geben, Dinge anders zu machen, betont er.

Wie sehr der Hersteller noch mit dem Billigbau hadert, zeigt sich an Folgendem: Das neue Auto soll gar nicht als Volkswagen zu erkennen sein. Einen Namen hat das Budget Car noch nicht, zu schwer tun sich Marketing-Experten bisher damit. Wie heißt ein Volkswagen, der innen ein abgespeckter und außen gar kein Volkswagen sein darf?

Kaum vorstellbar, dass die Marke Nummer 13 künftig bei großen Feiern auf die Bühne rollen darf oder dass ein Piëch öffentlich von ihr träumt. Wahrscheinlich steht der Wagen später irgendwo in der Ecke. Hinter einem Vorhang.

© SZ vom 16.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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