Kommunen:Der Rentner, vor dem sich die Sparkassen fürchten

Rainer Gottwald

"Ach, ich geb' nicht auf", sagt Rainer Gottwald.

(Foto: OH)
  • Ein 70-jähriger Rentner aus Landsberg am Lech findet heraus, dass bayerische Sparkassen Milliarden Euro an die Kommunen ausschütten könnten.
  • In vielen deutschen Gemeinden wollen die Verwaltungen nun die örtlichen Sparkassen anzapfen - zum Unmut der Institute.

Von Meike Schreiber

Irgendwann im Februar 2013 klingelt bei Rainer Gottwald das Telefon, seither ist im Leben des 70-Jährigen nichts mehr wie früher. Der Anrufer verschweigt seinen Namen und fordert den pensionierten Controller auf, die Bilanz der Sparkasse in Gottwalds Heimatort Landsberg am Lech zu studieren. In dem Zahlenwerk, raunt der Tippgeber, liege ein Millionenschatz, der gehoben werden und der Kommune zugute kommen müsse.

Gottwald, ein freundlicher Rentner mit buschigen Augenbrauen und roten Wangen, ist sofort begeistert. Schließlich kennt sich der promovierte Betriebswirt, Ex-Inspektor eines Landratsamtes und zuletzt selbständiger Berater gut mit Bilanzen aus. Zahlen sind seine Leidenschaft, als Bürger sorgt er sich um die miserable Kassenlage der Kommunen. Die Mitarbeiter der Landsberger Stadtverwaltung will Gottwald, da ist er bereits Rentner, in Kurzarbeit schicken, um den Haushalt zu entlasten. Die Kampagne scheitert, aber seither ist er eine lokale Berühmtheit.

Sein nächstes Opfer ist, Anonymus ist schuld, die Sparkasse Landsberg. Deren Trägergemeinde hatte, wie so viele in Deutschland, Millionen mit Finanzprodukten verzockt und braucht nun Geld, muss bereits Steuern und Gebühren erhöhen. Was läge da näher, als die Sparkasse anzuzapfen? Die gehört schließlich der Kommune. Gottwald wird fündig: Mehrere Millionen Euro könnte das Institut, wenn es wollte, an den Träger ausschütten, sagt er.

Bayerns Sparkassen sitzen auf Milliarden

Doch Gottwalds Ehrgeiz endet nicht an Landsbergs Stadtgrenze. Anstatt den Ruhestand zu genießen, vertieft er sich in die Bilanzen aller 71 Sparkassen in Bayern. Er studiert Basel III, die neuen Eigenkapitalregeln für Banken, sowie das Landessparkassengesetz. Und siehe da: Die Sparkassen des Freistaats sitzen auf Rücklagen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro, die sie ausschütten könnten, ohne die strengen Auflagen der Aufsichtsbehörden zu verletzen, behauptet Gottwald. Seine Erkenntnisse mailt er an Bürgermeister und Lokalpolitiker.

Für die Sparkassenchefs ist Gottwald dagegen der natürliche Feind. Sie polstern lieber ihre Reserven auf. Verständlich ist das, die Zeiten werden immer härter. Die niedrigen Zinsen fressen die Gewinne auf, zugleich verlangen die Aufseher hohe Kapitalreserven. Um weiter Kredite vergeben zu können, braucht es viel Kapital; und die Chance, welches über die Börse hereinzuholen, haben Sparkassen nicht. Wenn sie schon ausschütten, dann lieber als Spende für soziale Belange vor Ort. Das nämlich schafft Abhängigkeiten: Bürgermeister können am Gemeinderat vorbei den Fußballverein oder den neuen Brunnen finanzieren und nehmen das Geld gerne an.

Trotzdem schwelt das Thema auch andernorts: in Essen etwa, wo die Stadt die Sparkasse zu einer Ausschüttung verdonnerte, oder in Düsseldorf, wo sich Oberbürgermeister und Sparkassenchef seit einem Jahr über eine Millionen-Ausschüttung streiten. Während in Düsseldorf die beiden besten Anwaltskanzleien der Republik Stellung bezogen haben, trifft sich Gottwald alle paar Wochen mit anderen Rentnern zu Hause am Küchentisch. Dort beugen sie sich über die Excel-Tabellen.

Gottwald konnte in Lindau am Bodensee vergangenen Sommer bereits eine fraktionsübergreifende Mehrheit im Stadtrat aufwiegeln, für eine Gewinnbeteiligung der Kommune zu stimmen. Weil der Sparkassen-Verwaltungsrat die Sache verhinderte, soll das Thema dort in den nächsten Wochen erneut auf die Tagesordnung. Auch in Landshut hat die örtliche Opposition, gebrieft von Gottwald, gerade eine Ausschüttung beantragt, um günstigen Wohnraum zu schaffen. Vorerst scheiterte die Initiative - doch Gottwald macht weiter: "Ach, ich geb' nicht auf".

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