Misstände bei Apple:Technik innovativ, Moral rückständig

Apple ist ein Meister der Kommunikation - allerdings nur, wenn es um die eigenen Vorzüge geht. Kommt die Sprache auf Kinderarbeit, Selbstmordraten oder Datenschutz, schweigt der Konzern verbissen. Damit ist das Unternehmen in der digitalen Welt kein Einzelfall.

Varinia Bernau

Es war ein kniffliges Spiel für Handys: Auf dem ersten Level galt es, das Gewehr im Anschlag, Kinder anzutreiben, damit sie das Coltan aus den Minen im Kongo noch etwas schneller schürfen; im nächsten dann, vor einem Fabrikgelände hin- und herzulaufen, um mit einem Netz die sich vom Dach stürzenden Arbeiter aufzufangen. Und schließlich sollte der Spieler in die Rolle eines Verkäufers schlüpfen, der das Kunststück schafft, einer möglichst großen Gruppe ein und dasselbe Handy als Ausdruck einer individuellen Persönlichkeit anzupreisen. Nur wenige Stunden konnte man sich das Spiel aus Apples App-Store auf sein iPhone laden - dann sortierte es der Konzern aus.

Raindrops are seen in front of an Apple logo outside an Apple store in Shanghai

Apple lebt von der Kommunikation - und verweigert sie, sobald es um kritische Themen geht.

(Foto: REUTERS)

Das Spiel stammte von einer italienischen Künstlertruppe, die gern mal sozialkritische Spiele entwickelt und diese bis dahin auch in Apples App-Store erfolgreich untergebracht hatte. Nun aber, so erfuhren sie per Brief aus dem Hause Apple, hätten sie gegen mehrere Richtlinien verstoßen: Szenen, die den Missbrauch von Kindern und Gewalt verherrlichen, dulde man auf iPhones nicht.

Damit hatte Apple eine Antwort auf jene Fragen gegeben, denen sich der Konzern nur ungern stellt: Den Fragen nach den in Handys verbauten Rohstoffen und nach den Bedingungen, unter denen diese zusammengeschraubt werden. Die Antwort lautet: Wir entziehen uns jeglicher Kritik. Statt auf Aufklärung setzte der Konzern auf Abschottung.

Und Apple ist damit unter den großen Firmen der digitalen Welt - Handy-Anbieter, soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Kurznachrichtendiensten - nicht allein. Wenn es beispielsweise um Datenschutz geht, entziehen sich Konzerne wie Facebook oder Google gern der öffentlichen Nachfrage. Sie sitzen in ihren Büros in Kalifornien, denken über die nächsten Welteroberungsstrategien nach, und empfinden Debatten in Journalen und Zeitungen als überflüssig wie Fliegendreck. Allenfalls die Entscheider in der Politik werden mit Spezialisten für Business Affairs bedient. Man weiß ja nie, was da künftig an neuen Gesetzen droht.

Es wirkt paradox: Ausgerechnet die Firmen, die mit Kommunikation ihr Geschäft machen, verweigern sich ebendieser - wenn es um eigene Sachen geht. In einer Welt, in der alle ständig und überall online sind, ist Transparenz bei heiklen Fragen kaum festzustellen. Auch auf dem Mobile World Congress, der Mobilfunkmesse, die an diesem Montag in Barcelona startet, werden die Unternehmen viel reden: über noch schnellere Netze, noch schickere Telefone, noch unterhaltsamere Spiele. Aber nicht über den Raubbau an seltenen Rohstoffen, die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte, den recht löchrigen Datenschutz.

Sicher, auch in anderen Branchen ducken sich die sonst so selbstbewussten Manager gern mal weg, wenn es um unliebsame Themen geht: Textil-Discounter würgen Fragen um die Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Bangladesch ab; in der Lebensmittelindustrie wird erst mal gemauert, wenn wieder etwas Unappetitliches über die Produktionsbedingungen bekannt wird. Und doch irritiert die Verweigerungshaltung bei Apple, Google und den anderen, weil diese Konzerne sich gern als innovativ geben. Oder sollte das nur für Änderungen der Produkte gelten? Man kann von Unternehmen verlangen, dass sie sich auch bei brisanten Themen dem Dialog stellen. Läuterung zu erwarten, wäre allerdings naiv. Betriebswirtschaftlich hat Apple keinen Grund zu mehr Offenheit. Das Geheimnisvolle des Gerüchts, das den Konzern umweht, ist Teil eines Kultes, der wiederum das Geschäft antreibt.

Das von der Künstlertruppe entwickelte Spiel zur Entstehungsgeschichte eines Handys zeigt, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, eine Debatte zu entfachen. Auch Blogger, die etwa Datenpannen aufdecken, haben die Konzerne oft zur Kommunikation gezwungen. Das ist die neue Chance für die Verbraucher.

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