Krankenversicherung:Mit der Brechstange

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Bei den Mitarbeitern der Süddeutschen Krankenversicherung ist der Blutdruck nach Streitereien erhöht. (Foto: Adam Berry/Getty Images)

Ein neuer Chef krempelt die kleine Süddeutsche Krankenversicherung um. Kritiker vermuten dahinter einen ganz anderen Plan.

Von Herbert Fromme, Köln

Als klein und fein gilt die Süddeutsche Krankenversicherung (SDK) in Fellbach bei Stuttgart. Mit 634 000 Kunden - davon 168 000 mit privater Krankenvollversicherung - steht die Firma etwa auf Rang 15 im Markt. Sie verkauft ihre Policen über die Volks- und Raiffeisenbanken, über Makler und eigene Vertreter. Der Krankenversicherer gilt als solide, der Kundenservice als überdurchschnittlich gut. Schließlich wurde der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 1926 von den Landwirten der Region gegründet.

Doch in dieser schwäbischen Idylle herrscht seit Monaten "eine Stimmung wie im Kühlhaus", wie ein Mitarbeiter sagt. Zahlreiche Führungskräfte haben das Unternehmen in den vergangenen Monaten verlassen oder verlassen müssen, auch Vorstandsmitglied Volker Schulz ging Ende März. Die Drohung mit Abmahnungen sei verbreitet, berichten Insider. In einer von Kritikern anonym an alle 650 Mitarbeiter verschickten Mail heißt es, die SDK sei ein gesundes Unternehmen gewesen, das über Jahrzehnte lang einen guten Ruf und das Vertrauen vieler Menschen genoss. "Dies wird nun von der neuen, obersten Führungsebene, mit vorbehaltloser Billigung des viel zu politisch besetzten Aufsichtsrates, zerstört." Unerhörte Töne bei dem bislang so harmonischen Unternehmen.

Hinter dem Umbau steckt Vorstandschef Ralf Kantak, 55. Seinen Stil sind die Mitarbeiter nicht gewöhnt. Vielen Aufsichtsräten war die altgediente Führung offenbar zu harmoniebedürftig. Schließlich stehen gerade private Krankenversicherer (PKV) und Lebensversicherer wegen der niedrigen Zinsen, den Veränderungen im Aufsichtsrecht und der politischen Debatte um die PKV erheblich unter Druck.

Der Chef bezeichnet die Mitarbeiter als Zitronen, die man auspressen müsse

Ein neuer, frischer Kopf von außen sollte es richten. Die SDK holte 2013 Kantak, vorher Vertriebsvorstand bei der Württembergischen Versicherung in Stuttgart, an die Spitze. Als ausgewiesener Experte für die Krankenversicherung galt Kantak damals nicht. Das hinderte den forschen Manager nicht daran, mit Hilfe externer Beratungsfirmen dem Unternehmen eine grundlegend neue Strategie zu verpassen.

Darum geht jetzt der Krach. Der Vorstandsvorsitzende bezeichne die Mitarbeiter als Zitronen, die man ausquetschen müsse, heißt es in der internen Kritikmail. Er behandele Vertriebspartner und Vertreter schlecht. Kantak selbst wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Im Unternehmen und im Genossenschaftslager wird derweil wild über die Zukunft des Versicherers spekuliert.

Die SDK ist Teil des genossenschaftlichen Finanzverbunds aus Raiffeisen- und Volksbanken. Diese Banken kontrollieren aber auch eine deutlich größere Versicherungsgruppe, die R+V in Wiesbaden. In der Vergangenheit hat es immer wieder Gespräche zwischen R+V und SDK über ein engeres Zusammenrücken gegeben. Die Kantak-Kritiker haben eine ganz eigene These zum aktuellen Kurs: "Der Vorstandsvorsitzende und der Vertriebsvorstand sowie der Aufsichtsrat treiben die SDK absichtlich in den Ruin, um eine Fusion mit der R+V rechtfertigen zu können." In der Schärfe ist das wahrscheinlich übertrieben. Aber ob ein Versicherer mit 810 Millionen Euro Umsatz allein lebensfähig bleiben kann, ist tatsächlich eine berechtigte Frage. Dann wäre die Fusion mit der R+V der logische Schritt.

© SZ vom 09.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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