Gutachten zur finanziellen Situation von Rentnern:Wie alt ist die Armut?

Eine Frau sucht in Mülleimern der thüringischen Stadt Weimar nach Pfandflaschen.

Eine Frau sucht in Mülleimern der thüringischen Stadt Weimar nach Pfandflaschen.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Altersarmut? Kein großes Problem in Deutschland, meint der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums. Altersarmut? Ein drängendes Problem, sagt die Nationale Armutskonferenz. Zwei aktuelle Gutachten interpretieren die finanzielle Lage der älteren Generation äußerst unterschiedlich.

"Derzeit kein allgemeines gesellschaftliches Problem": Mit diesen Worten hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium die Altersarmut in der Bundesrepublik umrissen. Er kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, dass heute eher die junge Generation von Armut bedroht sei - besonders Alleinerziehende oder Junge mit ausländischen Wurzeln. Qualifizierung für den Arbeitsmarkt sei daher am ehesten geeignet, um Armut im Alter vorzubeugen.

Gesonderte Maßnahmen für die Bekämpfung der Altersarmut lehnt das Gremium deshalb ab: Die parteiübergreifend diskutierten Zusatzrenten sind nach Ansicht des Beirats der falsche Weg. "Bevor wir viele Milliarden in Zusatzrenten versenken, sollten wir sie bei jungen Leuten investieren", sagte der federführende Gutachter Axel Börsch-Supan. Die meisten derzeit diskutierten Vorschläge würden vor allem die Beitrags- und Steuerzahler belasten. Auch eine stärkere Anerkennung von Erziehungszeiten, von Zeiten der Erwerbsminderung oder der Arbeitslosigkeit lehnt der Beirat ab.

Die Nationale Armutskonferenz (NAK) kam hingegen in ihrem Schattenbericht zum "Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung" zu anderen Schlüssen. Demnach nimmt die Altersarmut in Deutschland zu und stellt inzwischen ein wachsendes Risiko für Ältere da. Darum steige auch die Zahl der Rentner, die einem Job nachgehen müssten. "In wenigen Jahren wird das Alter eines der größten Armutsrisiken sein", steht in dem Papier. Seit 2005 habe sich die Zahl der auf staatliche Grundsicherung angewiesenen Rentner auf 400.000 Menschen erhöht.

"Prekäre Beschäftigung wechselt mit Arbeitslosigkeit"

Zudem weist die Nationale Armutskonferenz darauf hin, dass vier von fünf Niedriglohnbeschäftigten eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss vorweisen könnten. Die Aufstiegsmöglichkeiten aus dem Niedriglohnsektor seien begrenzt. Kurze Zeiten prekärer Beschäftigung wechselten sich immer häufiger mit Perioden der Arbeitslosigkeit ab.

Die Autoren forderten flächendeckend gesetzliche Mindestlöhne, um die Altersarmut zu bekämpfen. "Mini-Löhne heute führen zu Mini-Renten morgen", lautet eine der Feststellungen der Gemeinschaft von Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, der Kirchen, des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und anderer Initiativen. Letztendlich schütze nur eine gesetzliche Mindestrente effektiv vor Altersarmut.

Kritik an geschöntem Bericht der Regierung

Der Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz ist nicht neu - er stammt aus dem Oktober dieses Jahres -, dennoch stellten ihn die Autoren noch einmal vor. Im Januar will das Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel dann den vierten "Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung" verabschieden.

Ein Entwurf des Papiers, den das Arbeitsministerium von Ursula von der Leyen (CDU) erarbeitet hatte, war bereits im September an die Öffentlichkeit gelangt. In diesem waren Einkommensunterschiede und die Lohnentwicklung in Deutschland kritisch bewertet worden. FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler reagierte wenig erfreut und ließ verlauten, dass der Bericht nicht "der Meinung der Bundesregierung" entspreche. Die Liberalen störte vor allem die Aussage, dass die Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche größer werde.

In einer überarbeiteten Fassung vom 21. November fehlten dann teils kritische Fakten und Interpretationen. Die Nationale Armutskonferenz und die Opposition warfen der Regierung daraufhin vor, den Bericht geschönt zu haben. Thomas Beyer, Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, erkärte: "Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler ertragen es nicht, dass Ergebnisse ihrer Politik offensichtlich werden."

Die von ihnen mitgeschaffene Realität sei nun einmal die, dass die Einkommen der Reichen stiegen, während die der Armen sänken.

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