Griechenland:Verheerende Bilanz für Wachstumshilfe

"Das ist aus deutscher Sicht nicht akzeptabel": Das Wirtschaftsministerium zieht nach sechs Monaten Wachstumshilfe für Griechenland eine erschütternde Bilanz. Das Krisenland sei weder willens noch in der Lage, die Hilfe anzunehmen, heißt es in einem Papier, das der SZ vorliegt.

Guido Bohsem, Berlin

Michalis Chrysohoides ist ein begnadeter Redner. Wenn der griechische Minister für Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit und maritime Angelegenheiten ans Pult tritt, ist richtig was los. Chrysohoides ackert, gestikuliert und schwitzt. Ob mit Mikrofon oder nicht, man kann den 62-Jährigen selbst vor den Türen eines Saals noch gut verstehen.

Führt eine Partei in schwerer See: FDP-Chef Philipp Rösler

Konnte den Griechen bis dato nicht helfen: Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler.

(Foto: dpa)

Was die schwierige Beziehung zwischen Deutschland und Griechenland anbelangt, hatte Chrysohoides Anfang Oktober seinen großen Auftritt. Mit viel Tamtam empfing er in Athen seinen deutschen Amtskollegen Philipp Rösler. Der war mit etwas mehr als 70 Vertretern deutscher Unternehmen im Schlepptau angereist, um seine "Investitions- und Wachstumsoffensive" für Griechenland in die Tat umzusetzen.

Es schien zu passen. Rösler bot umfangreiche Hilfen an, und Chrysohoides versprach Großes: Bürokratische Hemmnisse sollten beseitigt, Probleme mit der notorisch schlechten Zahlungsmoral des griechischen Staates gelöst werden. Um die deutschen Investitionen zu begleiten, nahm der Minister Röslers Anregung an, die Finanzierung des Mittelstandes zu verbessern. Hörte man die Begeisterungsrufe des Pasok-Politikers, man hätte glauben können, das ruinierte Griechenland wäre längst auf dem Weg in eine bessere Zukunft.

Keine sechs Monate später zeigt sich: Die Ankündigungen von Chrysohoides waren nicht viel mehr als laute Worte und leere Versprechungen. Von der deutsch-griechischen Initiative ist kaum mehr geblieben als der noch in Athen geschlossene Vertrag eines deutschen Unternehmens, das Brennbriketts aus den Abfällen von Oliven herstellen möchte.

Sogar Röslers Ministerium kommt zu einem verheerenden Urteil. In einem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Arbeitspapier heißt es desillusioniert: "Eine vorläufige Bilanz des deutschen Unterstützungsangebots fällt ernüchternd aus. Die Umsetzung auf griechischer Seite ist nach wie vor unzureichend."

Röslers Beamte betonen zwar, dass sie Wachstum neben den Sparanstrengungen der Griechen für zentral halten. Deshalb sollte mit den deutschen Angeboten die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gestärkt werden - klingt vernünftig und spiegelt auch den Stand der Diskussion über den Ausweg aus der griechischen Misere wider. Doch hat die Regierung in Athen nach Einschätzung des Wirtschaftsministeriums kein großes Interesse an einem solchen Ansatz: "Auf griechischer Seite genießt die Umsetzung offenbar keine Priorität. Das ist aus deutscher Sicht nicht akzeptabel."

Unklare Zielvorstellungen

Da wäre zum Beispiel die Sache mit den Schulden, die der griechische Staat bei deutschen Unternehmen hat. Oder da wären die Beschwerden, die deutsche Firmen über die Steuerverwaltung führen. Oder die Probleme, die es mit den anderen staatlichen Institutionen gibt. In einer gemeinsamen Erklärung mit Rösler sicherte Chrysohoides zu, dies alles nun sehr schnell anzugehen und zu lösen. Fast resigniert stellen Röslers Beamte fest: "Die überwiegende Anzahl der wiederholt vorgetragenen Altfälle sind nach wie vor nicht gelöst." Dies hemme die Bereitschaft anderer deutscher Unternehmen, in Griechenland zu investieren.

Ein großes Problem ist weiterhin auch die Finanzierung von Investitionsvorhaben. In Griechenland selbst herrscht faktisch eine Kreditklemme. Rösler hatte deshalb die Idee, dort eine staatliche Förderbank nach dem Vorbild der KfW aufzubauen. Er sagt die Unterstützung seines Hauses und auch der KfW zu.

Zuletzt gab es im Dezember Gespräche. Doch die verlaufen schleppend, wie die KfW-Fachleute diplomatisch formulieren. Der ursprünglich zuständige Chefvolkswirt des griechischen Wirtschaftsministeriums wurde von dem Projekt abgezogen. "Verantwortlichkeiten und Zielvorstellungen der griechischen Seite sind unklar", heißt es in dem Arbeitspapier.

Diese Einschätzung teilt man auch beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Röslers Initiative unterstützt hatte. Das griechische System habe derzeit keine Kraft, ökonomische Visionen, Ideen oder Projekte zu entwickeln, urteilt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Volker Treier. "Hoffentlich gibt es nach den Wahlen stärkere Gewissheit, welchen Weg das Land gehen will."

Insgesamt bleiben die Voraussetzungen für einen Konjunkturaufschwung in Griechenland nach Einschätzung des deutschen Wirtschaftsministeriums schlecht. Die Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmen leide an den fragilen politischen Rahmenbedingungen, schreiben Röslers Beamte - allen schönen und lauten Reden zum Trotz.

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