Gefährliche Währungs- und Handelspolitik:Zoll und Gegenzoll

Solarpark im Aufbau

Auch deutsche Solarparks werden mit öffentlichem Geld gefördert

(Foto: dpa)

Brüssel plant für die Solarbranche Zölle von bis zu 68 Prozent, die Chinesen drohen mit Vergeltung. Das ist ein riskantes Spiel. Doch freie Handelszonen sind wichtig. Das zeigt ein Blick auf die Katastrophe der dreißiger Jahre.

Ein Kommentar von Ulrich Schäfer

Es war ein sehr bedenkliches Paragrafenwerk, das die beiden Vorsitzenden des amerikanischen Finanzausschusses, Reed Smoot und Willis Hawley, im Frühjahr 1930 dem Kongress in Washington präsentierten. Im Gefolge des Crashs von 1929 wollten sie die amerikanische Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz schützen und deshalb die Einfuhrzölle auf 20.000 Produkte erhöhen. Die führenden Ökonomen hielten dies für eine blödsinnige Idee, ebenso viele Unternehmer. Der Autofabrikant Henry Ford nannte das Gesetz eine "ökonomische Dummheit" und bedrängte Präsident Herbert Hoover, sein Veto einzulegen. Es half jedoch nichts - und so beschloss der Kongress den Smoot-Hawley Tariff Act, der mitten hinein führte in die Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre. Denn andere Nationen konterten prompt mit Gegenzöllen, der Welthandel brach ein.

Noch sind Amerikaner und Europäer, Japaner und Chinesen weit davon entfernt, die fatalen Fehler der Dreißigerjahre zu wiederholen. Noch gibt es niemanden, der bereit wäre, ein derart umfängliches Werk zur Abwehr ausländischer Importe zu schreiben. Noch sind die Fehler aus der Weltwirtschaftskrise vor acht Jahrzehnten Warnung genug. Aber wie lange noch? Es mehren sich jedenfalls die Anzeichen, dass der Glaube an einen möglichst ungehinderten Austausch von Waren und Dienstleistungen brüchig wird und jene immer lauter trommeln, die am freien Handel zweifeln.

Besonders offenkundig ist dies in der Solarindustrie. Vehement fordern die europäischen Solarunternehmen, dass sie nach Jahren des beispiellosen Preiskampfs vor Billigware aus China geschützt werden - und sie treffen damit bei der EU-Kommission, die sich ja sonst gerne als Hüter des freien Wettbewerbs gibt, auf erstaunlich offene Ohren. Als wäre nichts dabei, plant Brüssel Zölle von bis zu 68 Prozent. Doch einer Branche, deren wichtigste Unternehmen oft pleite sind oder kurz davor stehen, wird dies auf Dauer nicht helfen. Zugleich drohen die Chinesen, die ihren Marktanteil verteidigen wollen, mit Vergeltung: Sie erwägen hohe Zölle für Importe aus Europa. Zoll und Gegenzoll - es wäre ein riskantes Spiel.

Immerhin hat wenigstens die Bundesregierung die Gefahr erkannt und bemüht sich um Mäßigung in diesem Konflikt. Denn was in der Solarbranche beginnt, könnte schnell auf andere Industrien, alte wie neue, überschwappen. Am Montag meldete sich zum Beispiel der britisch-indische Stahlunternehmer Lakshmi Mittal zu Wort und forderte, Brüssel möge mit hohen Zöllen doch bitte den Import von chinesischem Billigstahl verhindern. Die Begründung dafür hat es in sich: Die Stahlbranche in Europa, sagt Mittal, leide auch deshalb so stark, weil die Sparpolitik der EU-Staaten den Absatz der europäischen Autokonzerne bremse; das wiederum bringe auch die Lieferanten aus der Stahlindustrie in Not.

Währungen als Waffe

Wer also kommt als Nächster um die Ecke und ruft nach Schutzzöllen? Die Landwirte vielleicht, die ja ohnehin gern staatliche Hilfen beantragen? Die Autohersteller, die sich von Importen aus Japan oder Südkorea bedroht fühlen? Oder die Maschinenbauer, die immer mehr Konkurrenz aus Fernost bekommen?

Befördert wird der Ruf nach Zöllen durch einen zweiten Krieg, eine zweite Front, die sich im Gefolge der Finanz- und Schuldenkrise auftut: den Währungskrieg. Immer häufiger versuchen Staaten, den eigenen Wechselkurs und damit die Exportpreise ihrer Produkte zu drücken, um sich Vorteile im Welthandel zu verschaffen. Selbst ein eher zurückhaltendes Land wie die Schweiz interveniert seit bald zwei Jahren ständig an den Devisenmärkten, um den Franken zu schwächen.

Mit ihrer lockeren Geldpolitik nehmen auch die USA seit fünf Jahren billigend in Kauf, dass sie den Dollarkurs tendenziell eher schwächen. Brasiliens Finanzminister warnte deshalb bereits im Jahr 2010 vor einem "internatonalen Währungskrieg". Die amerikanische Geldschwemme ist aber noch nichts verglichen mit dem Vorgehen der Japaner: Deren lockere Geld- und Finanzpolitik hat den Yen im letzten halben Jahr um 30 Prozent fallen lassen, was andere Exportnationen in Asien wie Südkorea mächtig beunruhigt.

Die Kombination aus beginnenden Handelskriegen und einem Währungskrieg kann für die Weltwirtschaft gefährlich werden. Solch ein doppelter Krieg würde nicht nur die etablierten Industrieländer treffen, sondern auch Aufsteigernationen wie China und Indien, deren Dynamik derzeit entscheidend ist für das globale Wachstum. Im schlimmsten Fall könnte am Ende eine Rezession stehen - jedenfalls dann, wenn die Lehren von 1930 völlig vergessen werden.

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