Euro-Schuldenkrise:Zypern schlimmer als Griechenland

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Zyperns Krise in Zahlen (Foto: SZ-Grafik)

Vordergründig geht es nur um 17 Milliarden Euro. Um diese Summe bittet Zypern seine Partner in der EU. Kleinigkeiten im Vergleich mit den Griechenland-Hilfspaketen. Doch Angela Merkel dürfte trotzdem Schwierigkeiten haben, im Bundestag eine Mehrheit für Kredite an den nächsten Krisenstaat zu finden.

Ein Kommentar von Claus Hulverscheidt, Berlin

In den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts war es eine Zeit lang Mode, mehr oder weniger geistreiche Sprüche auf Postkarten zu schreiben, auf Plakate zu drucken oder an Hauswände zu schmieren. Einer der Sprüche lautete sinngemäß, dass man auch dem größten Chaos froh lächelnd begegnen sollte, schließlich könne alles noch schlimmer kommen - gefolgt von der Pointe: "Und ich lächelte und war froh - und es kam schlimmer!"

Vielleicht ist Angela Merkel von Bonmots dieser Güte bisher verschont geblieben; der Spruch aber wird ihr, zumindest in seiner Quintessenz, wohl ausgerechnet zu Beginn des Wahljahrs 2013 erstmals begegnen: dann nämlich, wenn die Probleme mit dem Euro-Land Zypern so groß werden, dass das griechische Chaos des Jahres 2012 in der Rückschau zur Petitesse schrumpft.

Es mag paradox klingen, dass ausgerechnet das drittkleinste Mitglied der Währungsunion die Kanzlerin des größten EU-Staats in Bedrängnis bringen soll. Doch Zyperns Probleme sind nur klein, wenn man sich damit begnügt, die absoluten Zahlen zu betrachten: Dann wirken jene 17 Milliarden Euro, um die die Regierung in Nikosia die Partner bittet, tatsächlich beinahe niedlich. Setzt man die Summe aber ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung des Landes, dann zeigt sich, dass es um Darlehen in Höhe von fast einhundert Prozent des Bruttoinlandsprodukts geht.

Ein so gigantisches Paket hat die Euro-Zone noch nie geschnürt. Und schlimmer noch: Ein klassisches Hilfsprogramm nach dem Motto "Kredite gegen Reformen" löst diesmal auch das Problem nicht, denn viel mehr noch als Griechenland mangelt es Zypern schlichtweg an einem tragfähigen Geschäftsmodell.

Grotesk aufgeblähter Bankensektor

Bisher sah dieses Modell so aus: Der Inselstaat lockte mit dem niedrigsten Firmensteuersatz der EU und einer, sagen wir, einfühlsamen Finanzaufsicht ausländische Konzerne und Ersparnisse an. Das Ergebnis war unter anderem ein grotesk aufgeblähter Bankensektor, der nach fünf Jahren globaler Finanzkrise nun am Abgrund steht und den Staat mitzureißen droht.

Natürlich könnte man Zypern zwingen, als Gegenleistung für Darlehen in großem Stil Institute zu schließen und Firmen höher zu besteuern. Oder man könnte die Geldhäuser wie in Spanien oder Irland mit europäischer Hilfe wieder aufpäppeln. Im ersten Fall aber wäre besagtes Geschäftsmodell perdu. Und im zweiten Fall müsste Merkel ihren Steuerzahlern daheim erklären, warum sie mit ihrem sauer Ersparten für ein Land bürgen sollen, das im Verdacht steht, Steuervermeidung zu fördern und russische Oligarchen bei der Geldwäsche zumindest nicht zu behindern.

Hier schlummert die wahre, die viel größere, die politische Gefahr für die Kanzlerin. Denn SPD und Grüne warten ja nur darauf, sich im Bundestag aus der Wir-sind-doch-alle-Europäer-Umklammerung Merkels zu lösen und einmal gegen sie stimmen zu können, statt nur zu palavern. Die Begleitumstände der Causa Zypern liefern dafür endlich die nötige Begründung. Und zu gut ist aus Sicht rot-grüner Wahlkampfplaner der Slogan "Keinen Euro für Geldwäscher und Steuerflüchtlinge", als dass man auf ihn verzichten sollte.

Noch schlimmer aber für Merkel ist: Der Spruch hat das Potenzial, auch in den eigenen Reihen als Spaltpilz zu wirken. Schon bei den jüngsten Euro-Abstimmungen im Bundestag war es der Koalition angesichts von zwei Dutzend Dauerabweichlern nicht mehr gelungen, die Kanzlermehrheit zu erreichen. Das war egal, solange SPD und Grüne aus Angst vor dem Vorwurf europapolitischer Unzuverlässigkeit in die Bresche sprangen. Diese Angst schwindet, je näher der Wahltag rückt und je schlechter Merkels Argumente sind. Die Kanzlerin wird einiges tun müssen, damit es 2013 für sie nicht tatsächlich schlimmer kommt.

© SZ vom 20.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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