Euro-Krise:Nehmt von den Reichen!

Spanier und Italiener sind viel reicher als die Helfer im Norden. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der europäischen Notenbanken. Es ist eine ehrliche Debatte nötig, wer wie viel zur Rettung der Währungsunion bezahlen sollte. Ohne deutschen Schaum vor dem Mund - und ohne südeuropäische Ausflüchte.

Ein Kommentar von Alexander Hagelüken

Es sind Zahlen, die den Stammtisch erregen müssen. Da pumpen deutsche Steuerzahler Hunderte Milliarden Euro in den kriselnden Süden, um jetzt zu erfahren: Spanier und Italiener sind viel reicher als die Helfer im Norden. Was bisher vor allem geschätzt wurde, scheint durch die neue Studie der europäischen Notenbanken erhärtet: Haushalte in Spanien und Italien besitzen im Schnitt netto, also nach Abzug von Schulden, einige Zehntausende Euro mehr als die Bundesbürger - und die gerade besonders beachteten Zyprer sind ähnlich begütert. Was heißt das? Stoppt die Euro-Rettung? Nein. Aber es ist eine ehrliche Debatte nötig, wer wie viel für die Währungsunion bezahlen sollte. Eine Debatte ohne deutschen Schaum vor dem Mund - und ohne südeuropäische Ausflüchte.

Von der Schaffung der Währungsunion haben ab 1999 viele besonders profitiert: Die Bewohner der heutigen Krisenstaaten durch reale Minizinsen, die einen Bauboom auslösten und zu überhöhten Lohnabschlüssen verleiteten, die Deutschen durch einen Exportboom. Unter den Turbulenzen des Euro leiden jetzt auch viele besonders: Arbeiter und Rentner in den Krisenstaaten, Steuerzahler in den Helfernationen - und Sparer überall, weil die Notenbanken die Zinsen drücken müssen. Diese Aufzählung zeigt, wie ungleich Gewinne und Kosten der Währungsunion verteilt sind. Die Wohlhabenden, die von wirtschaftlich guten Zeiten meist besonders profitieren, tragen zu wenig Lasten.

Diese Aussage gilt auch für die Helferstaaten, denn die Euro-Rettung bezahlen bisher meist die Steuerzahler, also fast alle Bürger, wenn auch Großverdiener übermäßig. Nur selten aber, etwa im Fall griechischer Staatspapiere, bezahlen vor allem die Wohlhabenden, die zuvor vor allem vom Zinsboom in Südeuropa oder dem Exportboom in Deutschland profitierten, weil sie die Aktien von Finanzkonzernen oder Firmen besitzen.

400.000 mehr Millionäre als in Deutschland

Noch viel ungleicher wird es, wenn man die geringe Belastung der Reichen in Südeuropa betrachtet. Ja, auch sie leiden unter der Rezession in den Krisenstaaten. Doch sie werden bei Weitem nicht so stark belastet, wie die Arbeiter und Rentner dort oder auch die Steuerzahler im Norden. Und das hat System. In Italien leben etwa 1,4 Millionen Millionäre, fast 400.000 mehr als im weitaus größeren Deutschland.

Italien hat mit der Sicherheit, die der Euro der vormaligen Chaoswirtschaft brachte, einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung genommen. Aber das ist nicht alles: Italien hat - wie andere Krisenstaaten - seine Gutverdiener auch besonders stark von Steuern entlastet, weit stärker als die Bundesrepublik. Die politische Kaste hatte daran oft ein spezielles Interesse, weil ihr die Steuersenkungen oft selber nutzten, wie das Beispiel Silvio Berlusconi zeigt.

Nun ist der Moment gekommen, an dem die Währungsunion nicht nur Gewinne erzeugt wie am Anfang, sondern auch hohe Kosten zu ihrer Rettung. Und das ist der Augenblick, an dem die Lasten endlich gerechter verteilt werden sollten. Wer in den Anfangsjahren besonders profitierte (und nach der Krise wieder besonders profitieren wird), muss einen höheren Beitrag leisten als Arbeiter und Steuerzahler aus der Mittelschicht. Nehmt den Reichen, vor allem im Süden!

Durchschnittsverdiener entlasten

Eine Erhöhung der Steuern beziehungsweise die ernsthafte Eintreibung von Steuern in Italien oder Griechenland wäre dabei nur ein erster Schritt. Europas Regierungen sollten überlegen, wie sie die Vermögenden der Krisenstaaten für die Rettung des Euro in Anspruch nehmen können. Ein privates Vermögen von zusammen elf Billionen Euro allein in Italien und Spanien (Deutschland: acht) legt nahe, dass hier einiges zu holen ist, um die Durchschnittsverdiener in ganz Europa zu entlasten. Ja, natürlich wäre dazu auch nötig, dass die EU-Staaten ihren teilweise unsinnigen Steuerwettbewerb reduzieren und sich bei der Bekämpfung von Steuerflucht besser helfen als bisher.

Wer Wohlhabende stärker an den Lasten beteiligen will, sollte keine linken Mythen pflegen. Manches Vermögen wie Immobilien oder Betriebe ist nicht leicht in der Substanz zu besteuern. Und Opfer der Arbeiter und Rentner in den Krisenstaaten sind nötig, weil die Länder durch niedrigere Löhne und Sozialausgaben ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken müssen. Doch selbst wenn man das alles berücksichtigt: Europa sollte die Wohlhabenden stärker belasten, um die Krise für alle übrigen Europäer erträglicher zu machen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: