Ermittlungen gegen Steuerhinterziehung:Big Data gegen das schwarze Loch in der Weltwirtschaft

Ermittlungen gegen Steuerhinterziehung: Die Cook-Inseln, die Kaimaninseln, die Britischen Jungferninseln - etwa 50 Staaten weltweit gelten als Steueroasen.

Die Cook-Inseln, die Kaimaninseln, die Britischen Jungferninseln - etwa 50 Staaten weltweit gelten als Steueroasen. 

(Foto: AFP)

Zu besichtigen ist der versteckte Reichtum dieser Welt, ein globales Gespinst von schwer durchschaubaren Arrangements. Steuerkommissare und Daten-Journalisten untersuchen immer öfter geheime Dokumente aus Steuerparadiesen. Kritiker sehen darin einen "Terror der Transparenz". Doch die Auswertung von Festplatten und Steuer-CDs ist ein Akt der Notwehr gegen parasitären Reichtum.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

In den sogenannten Steueroasen der Welt ist (nach Schätzungen von Tax Justice Network) ein Finanzvermögen von 21 bis 32 Billionen Dollar gebunkert. Diese Summe übersteigt das Bruttoinlandsprodukt der USA und auch das der Länder der Europäischen Union. Die dem Fiskus entzogenen Gelder sind das große schwarze Loch in der Weltwirtschaft. In dieses Loch leuchten immer öfter und immer intensiver die Steuerkommissare und Daten-Journalisten mittels der ihnen zugespielten gigantischen digitalen Konvolute.

Big Data: Zu besichtigen ist der versteckte Reichtum dieser Welt, der Reichtum von Konzernen und Individuen. Zu besichtigen ist ein globales Gespinst von schwer durchschaubaren juristischen und finanztechnischen Arrangements. Zu besichtigen ist eine elitäre Asozialität. Es gibt Kritiker, die wegen der digitalen Schlaglichter, die nun in die schwarzen Löcher strahlen, über einen "Terror der Transparenz" klagen und über eine angeblich "hyperventilierende Publizistik". Auch solche Kritik ist Ausdruck elitärer Asozialität. Sie wirft den Aufdeckern und Aufklärern frivol vor, den Rechtsstaat auszuhebeln. Das ist so ähnlich, als würde ein Sexualstraftäter sich Ermittlungen gegen und Berichte über ihn unter Hinweis auf den Schutz seiner Intimsphäre verbitten wollen.

Es gibt Gründe, sein Geld dort zu deponieren: Frauen, Kinder, Konkurrenz. Nicht jeder, der sein Geld auf die Kaimaninseln transferiert hat, ist auch ein Steuerbetrüger; womöglich ist er nur ausgefuchster Steuervermeider. Aber einen Anfangsverdacht wecken die globalen Transaktionen jedenfalls; und sozialverträglich sind sie keinesfalls. Die Auswertung von Festplatten und Steuer-CDs ist, auch bei fragwürdiger Herkunft, ein Akt der Notwehr gegen parasitären Reichtum.

"Geld ist ein guter Soldat, mein Herr, und macht sich Bahn": Shakespeare lässt das seinen Sir John Falstaff sagen. Geld öffnet Türen, schmiert Beziehungen; Geld macht sich nicht nur Bahn, sondern macht auch Politik und hat es geschafft, sich politikfreie Räume und regulierungsfreie Zonen zu schaffen - die Offshore-Paradiese.

Vielleicht geht nun, mit den digitalen Datengroßpaketen, die Zeit zu Ende, in der die Reichen ihr Geld wie Soldaten einsetzen konnten. "Wir sind die 99 Prozent" hieß der Slogan, den die Occupy-Bewegung bei der Besetzung des Zuccotti-Parks in New York im Sommer 2011 gewählt hatte - die 99 Prozent also, die keinen Anteil am Reichtum der USA haben und keine Mitsprache. Occupy war ein trotziges Aufbegehren gegen die Übermacht der Wenigen und ein zumindest temporärer Erfolg der Geldlosen. Occupy hat gemahnt, gefordert und gezeigt: Das große Geld hat seine kleinen Gegner. Die Bewegung ist bald wieder ermattet. Big Data verhilft ihrer Kritik nun zu neuer Stärke.

Diese Stärke kann in der EU ein wirksames Anti-Hinterziehungs-Gesetz erzwingen - das nach dem noch zu verschärfenden US-Vorbild des "Foreign Account Tax Compliance Act" die globale Geldbunkerei verhindert und bestraft.

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