Der Preis der Flut:Wer soll das bezahlen?

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Das Millionen-Programm der Regierung reicht nicht aus - für den Wiederaufbau sind Milliarden nötig.

Andreas Hoffmann, Oliver Schumacher und Sascha Tegtmeier

Ein Symbol für den Aufbau Ost fiel in Dresden der Flut zum Opfer: In der gläsernen Manufaktur des VW-Konzerns, in der Besucher die Montage ihres Fahrzeugs beobachten können, standen die Bänder zeitweise still; es war kein Nachschub da.

Das örtliche Logistikzentrum, in dem die Teile für das Hunderttausend-Euro-Auto Phaeton lagern, drohte von der Elbe überflutet zu werden; verzweifelt kämpften die Beschäftigten mit Besen und Schiebern gegen die braune Brühe.

Der Stillstand der gläsernen Manufaktur mag nur eine Rand-Episode im Flut- Sommer 2002 sein. Doch er ist beispielhaft. Der Aufbau Ost versinkt im Hochwasser.

"Es geht um einen Neubeginn", sagt Kanzler Gerhard Schröder. Und Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) ergänzt: "Neben ganzen Orten ist ein großer Teil völlig neuer Infrastruktur vernichtet worden."

Ungenaue Zahlen

Firmen bangen um ihre ausgefallene Produktion, Hausbesitzer um Gebäude, die Bahn um Gleise und Bauern um die Ernte. Allein Bauernpräsident Gerd Sonnleitner erwartet einen Schaden von 1,5 Milliarden Euro, wobei solche Zahlen ungenau sind, weil noch niemand das Schadensausmaß abschätzen kann.

Immerhin: Rot-Grün will angesichts der Flut Tatkraft beweisen, auch um in der Wählergunst aufzuholen. Schließlich ist das Hochwasser für viele Betroffene ein finanzielles Desaster. Die normale Hausratversicherung deckt die Schäden nicht ab, nur wenn die Police auch "Elementarschäden" absichert, ist mit Geld zu rechnen.

So vorsorglich war nach Branchenangaben aber nur jeder zehnte Versicherte. Einziger Lichtblick: Viele Ost-Bürger haben noch alte DDR-Verträge, die auch gegen Flutschäden schützen. Aber das wird nicht reichen und so lobt die Regierungskoalition ein Millionenprogramm aus:

Der Bund gibt 100 Millionen Euro Soforthilfe, wobei die Hälfte des Geldes nach Zahl der Einwohner schnell in die betroffenen Gebieten fließen soll.Die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die landwirtschaftliche Rentenbank legen Sonderkreditprogramme von je 100 Millionen Euro auf. Betroffene erhalten Darlehen zu günstigen Zinsen.Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) gibt 25 Millionen Euro für die Straßenreparatur. Zusätzlich soll die Bahn schnelle Hilfe erhalten.Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) gewährt den Bauern weitere 10 Millionen Euro. Außerdem dringt sie darauf, in Brüssel die Aufkauf-Kriterien für Roggen und Weizen zu ändern. Dadurch könnten Landwirte feuchtes Getreide leichter absetzen.Die Bundesanstalt für Arbeit finanziert mit 50 Millionen Euro den Einsatz von 5000 Arbeitslosen für Aufräum- und Hilfsarbeiten. Finanzminister Hans Eichel legt eine Sonderbriefmarke für 56 Cent auf plus eines Spendenzuschlags von 44Cent. Neben dem Bund gewährt das Land Bayern zusätzliche Mittel von 65Millionen Euro, die von nächster Woche an fließen sollen. In Sachsen können betroffene Haushalte bis zu 2000 Euro erhalten, soweit ihre nicht versicherten Schäden 5000 Euro übersteigen.

Eines aber ist schon jetzt klar: Das zugesagte Geld reicht bei weitem nicht aus. Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) fordert "Hilfen im Milliardenbereich" des Bundes und einen EU-Hilfsfonds. Auch Schröder erwartet, dass für den Wiederaufbau "ein Vielfaches" der bereits zugesagten Mittel nötig sein wird: "Es geht um Milliarden, die wir mobilisieren müssen."

Ebbe in den Kassen

Fragt sich, woher das Geld kommen soll. Umschichten im Etat allein wird nicht reichen, heißt es in Regierungskreisen. Die steigende Arbeitslosigkeit belastet den Bundeshaushalt stark wegen zusätzlicher Ausgaben, dazu sorgt die lahmende Konjunktur für Ebbe bei den Steuereinnahmen.

Die meisten Länder haben deshalb bereits eine Haushaltssperre verhängt. Eichel hat größte Schwierigkeiten, die EU-Vorgaben zu erfüllen, wonach das Haushaltsdefizit drei Prozent des Bruttoinlandprodukts nicht übersteigen soll. Ansonsten droht ein blauer Brief aus Brüssel.

Auch den Solidarpakt II vorzuziehen, wie es Schröder erwägt, ist schwierig. Der Solidarpakt II ist ein sehr komplexes, zerbrechliches Gebilde. Bund und Länder haben jahrelang um eine Einigung gerungen, jetzt ist vorgesehen, dass 156 Milliarden Euro zwischen 2005 und 2019 in die neuen Länder fließen, wovon der Bund zwei Drittel und finanzstarke Westländer den Rest tragen sollen.

"Brüssel interessiert mich überhaupt nicht"

Große Zahler wie Hessen oder Nordrhein-Westfalen werden aber nur ungern ihre Kasse öffnen, angesichts ihrer schlechten Finanzlage - vor allem wenn sie wegen eines möglichen blauen Briefs sparen sollen. Doch die Flut scheint auch die Brüsseler Mahnung zu überspülen; Zumindest bei Gerhard Schröder. Journalisten blaffte er am Donnerstag in Berlin an: "Das interessiert mich überhaupt nicht."

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