Der Kampf um Patente:Angriff der Trolle

Man nennt sie Patenttrolle: Firmen, die unbemerkt Technologie-Schutzrechte aufkaufen, um anschließend Unternehmen mit Milliardenklagen zu überziehen.

Nina Jauker

Wenn es um Patente geht, ist die Konkurrenz nicht mehr die einzige Sorge der deutschen Technologie- und Softwarefirmen. Eine neue Gefahr droht von außerhalb des Systems. "Patenttrolle werden zum Problem für deutsche Unternehmen," sagt Joachim Henkel, Professor für Technologie- und Innovationsmanagement an der Technischen Universität München.

Der Kampf um Patente: Trolle sind schadbringende Geisterwesen. Der Name Patenttrolle könnte sich aber auch von einer Phishing-Methode ableiten, die "trolling" genannt wird.

Trolle sind schadbringende Geisterwesen. Der Name Patenttrolle könnte sich aber auch von einer Phishing-Methode ableiten, die "trolling" genannt wird.

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Milliardenschwere Rückendeckung

Patenttrolle, auch Patenthaie genannt, sind Firmen, die darauf spezialisiert sind, Technologie-Schutzrechte aufzukaufen, um dann als Rechte-Inhaber anderen Unternehmen gegenüber Forderungen erheben zu können. Finanziert werden sie häufig durch Hedgefonds und Private-Equity-Firmen. Die aggressiven Patentverwerter nutzen die Technologien nicht, sondern beginnen eine Jagd auf mutmaßliche Patentverletzer. Der Name "patent trolls" wurde von einem Patentrechtsberater des US-Konzerns Intel geprägt und spielt auf die schadbringenden Geisterwesen aus der germanischen Mythologie an.

Die gefährlichste Eigenschaft der Trolle ist ihre Unabhängigkeit vom System - die Verteidigungsstrategien der Unternehmen gegen Wettbewerber sind nutzlos gegen sie. Denn das System funktioniert in den meisten Branchen auf Basis eines Waffenstillstands. "In vielen Industrien gilt: Solange man sich nicht zu dreist kopiert, klagen Wettbewerber nicht gegeneinander", sagt Henkel - es würde sofort der Gegenangriff drohen. Produzierende Unternehmen haben über die Jahre ein Waffenarsenal an Patenten aufgebaut, die als Tauschmasse dienen. Entweder lizenzieren sie die Technologien gegenseitig oder lassen sich einfach stillschweigend gewähren.

Unseriöse Patentverwerter

In dieses "Gleichgewicht der Abschreckung," wie es Anette Gärtner, Anwältin bei der internationalen Kanzlei Clifford Chance, nennt, bricht der Troll ein wie ein Wolf in die Schafherde. Er produziert nicht und verletzt deshalb keine Patente - also sind die angesammelten Schutzrechte in den Schränken der produzierenden Unternehmen völlig wirkungslos gegen ihn.

"Es handelt sich um einen Schock im System," sagt Markus Reitzig, Professor für strategisches und internationales Management an der London Business School, der gemeinsam mit Henkel die Wertzerstörung durch die Trolle erforscht hat. Im Gegensatz zu seriösen Patentverwertungsgesellschaften bauen Trolle auf Tricks: Sie melden ihren Anspruch auf Lizenzgebühren erst an, wenn eine Firma ihr Produkt bereits auf den Markt gebracht hat oder im Planungsprozess so weit fortgeschritten ist, dass eine Umkehr unmöglich ist.

Ihre schärfste Angriffswaffe ist ein rechtliches Instrument, das der Staat eigentlich Erfindern in die Hand gab, um sich vor Piratenprodukten zu schützen: die einstweilige Verfügung. Spricht ein Gericht einem Troll eine solche Eilverfügung zu, kann er in kürzester Zeit den Betrieb des angeblichen Verletzers lahmlegen oder dessen Waren an der Grenze stoppen lassen.

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Angriff der Trolle

Der drohende Produktionsstopp lässt den Firmen keine Wahl. "Wir haben diverse Hai-Strategien identifiziert," sagt Markus Reitzig. "Bei einer dieser Strategien ist der Zeitdruck ein höchst effektiver Bestandteil."

600 Millionen Dollar Lösegeld

Unter Druck schließen viele Firmen überteuerte Vergleiche ab. Der US-amerikanische Blackberry-Hersteller RIM zahlte 600 Millionen Dollar an den kleinen Patenttroll NTP - weil der einen winzigen Teil der Technik blockierte und drohte, den gesamten Blackberry-Dienst lahmzulegen. Drei Millionen amerikanische Blackberry-Nutzer - einschließlich der US-Regierung - waren davon betroffen. "Die Firmen wissen oft: Wenn sie vierundzwanzig Monate Zeit hätten, könnte dargelegt werden, dass die Patente der Trolle ungültig sind," sagt Reitzig. "Ihnen bleibt diese Zeit aber nicht, wenn ihnen morgen jemand den Laden abschaltet." Das strenge deutsche Patentrecht, das Erfinder und Patentinhaber schützen soll, spielt fatalerweise den Angreifern in die Hände. "Eine einstweilige Verfügung gegen einen Patentverletzer bekommt man in Deutschland und England viel einfacher und schneller als in den USA," sagt Thorsten Vormann, Kollege von Gärtner bei Clifford Chance.

Das fragwürdige Geschäftsmodell der Trolle ist ein Auswuchs der Entwicklung, dass Unternehmen zunehmend auch banale Details schützen lassen. In diesem Schutzrechts-Dschungel sind Patentverletzungen fast nicht mehr zu vermeiden. "Besonders betroffen sind Telekommunikationsunternehmen und Softwarehersteller - alles Branchen, in denen Produkte aus Tausenden technischer Komponenten bestehen", sagt Joachim Henkel. Auf jedem Baustein liegt meist ein Schutzrecht, das entweder gekauft oder lizenziert werden muss.

Deutscher Prozess um zwölf Milliarden Euro

Auch in Deutschland bieten Patente lukrative Einnahmemöglichkeiten. Vor dem Landgericht Mannheim wehrt sich der finnische Handyhersteller Nokia gerade gegen einen Patentverwerter aus Pullach. Es geht um zwölf Milliarden Euro - und die Chancen stehen nicht schlecht, dass der Rechteinhaber wenigstens einen Teil der gewaltigen Summe zugesprochen bekommt. Denn er besitzt Patente auf Telekommunikationstechnologien, die Nokia angeblich seit Jahren in seinen Handys verwendet.

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Angriff der Trolle

Der kleine Angreifer heißt IP-Com und hat alles, was ein Troll braucht: Geld für Prozesse und ein Portfolio an Patenten. Der milliardenschwere US-Private-Equity-Fonds Fortress ist mit fast 50 Prozent beteiligt. Bernhard Frohwitter betreute die strittigen Patente bereits, als sie noch Bosch gehörten. Als dort die Mobilfunksparte eingestellt wurde, verkaufte Bosch die Rechte an Frohwitter, Anwalt in München, der die Firma IP-Com gründete.

Investment in geistiges Eigentum

Frohwitter selbst distanziert sich von Trollen. "Wir sind eine neue Klasse von Asset-Managern, die es so zuvor in Deutschland nicht gegeben hat", sagt der Patentrechtsanwalt. Das Geschäftsmodell von IP-Com sei vollkommen anders als das eines Trolls. Während Trolle auf bloßen Verdacht, ein Patent sei verletzt, klagen, verwalte und betreue IP-Com Patente und vertrete die Interessen der Erfinder. Er beobachte seit 30 Jahren, wie sich große Konzerne häufig über Patente hinwegsetzten, sagt IP-Experte Frohwitter. "Wir vertreten Einzelerfinder und kleine Firmen, die nicht die Ressourcen haben, sich gegen die Großindustrie zu verteidigen." Der Prozess dauert an.

In den USA ist die Troll-Variante des Investments in IP (Intellectual Property, geistiges Eigentum) bereits umstritten. Der US Supreme Court macht sich mittlerweile öffentlich Gedanken darüber, ob den Trollen der Griff zu ihrer schärfsten Waffe erschwert werden sollte - dem schnellen Produktionsstopp. "In der Entscheidung "Ebay v MercExchange" wirft Richter Kennedy die Frage auf, ob es im öffentlichen Interesse liegt, einem Unterlassungsantrag stattzugeben, der offensichtlich und ausschließlich als Druckmittel für Lizenzverhandlungen dient", sagt Gärtner.

Die Trolle profitieren von Gesetzesverschärfungen

Zwar beginnen die Trolle nun, zum Schein Produktionsstätten zu kaufen. Doch immer noch besser als in Deutschland: Hier wird voraussichtlich im August 2008 das neue "Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums" in Kraft treten. Die Regierung setzt damit die sogenannte EU-Durchsetzungsrichtlinie in deutsches Recht um.

Die neuen Gesetze sollen den Kampf gegen Produktpiraterie erleichtern und geistiges Eigentum schützen. Mit den neuen Bestimmungen wird die Beschlagnahmung von Waren an der Grenze vereinfacht. Der Patentinhaber kann Einsicht in Bankunterlagen verlangen. Und: Er hat schon vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens einen Auskunftsanspruch gegenüber Dritten, selbst wenn diese noch keine Rechte verletzt haben. Doch mit der Position der Schutzrechtsinhaber verbessert sich auch die Rechtsposition der Trolle. Auf Unternehmen, denen das Geld für eine umfangreiche Patentrecherche fehlt, könnten bald harte Zeiten zukommen.

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