Datenpanne der Fed:Wurstfinger in der Notenbank

Ökonomen kritisieren die Fed US-Notenbank

Zentrale der US-Notenbank Federal Reserve in Washington

(Foto: AFP)

Malheur bei der US-Notenbank: Die eigentlich für ihre Diskretion bekannte Fed verschickt wichtige Informationen viel zu früh. Dummerweise gehen diese an einige große Banken - also ausgerechnet an jene, für die solche Informationen bares Geld wert sein können.

Hans von der Hagen

Es wird wohl dieses "Uuups"-Gefühl gewesen sein, als große Banken und andere Adressaten am Dienstag plötzlich eine Mail von der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) in ihren Accounts fanden, mit der sie erst einen Tag später gerechnet hatten. In dem Schreiben stand, was die Mitglieder des sogenannten Offenmarkt-Ausschusses der Fed bei ihrem Treffen am 19. und 20. März diskutiert und abgestimmt hatten - es war das Protokoll der Sitzung. Allerdings hat die Fed, eine der wichtigsten Finanzinstitutionen der Welt, sich bei dieser Veröffentlichung etwas dilettantisch angestellt.

Ungewöhnlich war nicht die Information selbst - die Notenbank veröffentlicht die Protokolle regelmäßig, um ihre Geldpolitik transparenter zu machen: Jeder kann so leichter nachvollziehen, wie die Mitglieder des Ausschusses die Wirtschaftslage, Inflationsgefahr und das Zinsniveau beurteilen. Das erleichtert Prognosen etwa über die Konjunkturentwicklung und hilft Anlegern zu entscheiden, wie sie an der Börse handeln sollen.

Ungewöhnlich war aber der Zeitpunkt: Die Mail kam zu früh. Sie traf wohl bei den Adressaten Dienstagnachmittag gegen 14 Uhr Washingtoner Zeit ein und enthielt als Anhang das Sitzungsprotokoll. Auf dem sei aber als Sperrfristvermerk für die Weiterverbreitung Mittwoch, 14 Uhr angegeben gewesen, also 20 Uhr hiesiger Zeit, berichtet die Agentur Reuters.

Fed bittet um Untersuchung

Das Problem: Zu derart börsenrelevanten Informationen müssen alle Anleger zur gleichen Zeit Zugang erhalten. Wenn Einzelne vorweg informiert werden und nicht gleichzeitig die Protokolle etwa auf der Webseite der Fed einsehbar sind, könnten diese Profit aus einem Informationsvorsprung ziehen.

Jetzt ist die Frage: Haben Banker oder Private-Equity-Manager mit dem Malheur Geld verdient? Die Notenbank spricht von einem Versehen - ihre Vertreter bemerkten einem Bericht des Wall Street Journal (WSJ) zufolge den Fehler erst am Mittwoch. Auch eine Reihe von Adressaten hat demnach wohl erst dann die vorzeitige Veröffentlichung bemerkt, als die Fed von sich aus darauf hinwies. Die Notenbank hat die Börsenaufseher der SEC und der für Finanzderivate zuständigen CFTC um eine Untersuchung gebeten, um festzustellen, ob es zu unerwünschten Börsengeschäften kam. Nach Angaben des Blattes ging die Mail an mehr als 150 Adressen.

Den Fehler machte der Financial Times zufolge ein Mitarbeiter, der für "government relations", also politische Kontakte, zuständig ist. Der Assistent des Fed-Gouverneursrates habe die Mail zu früh an einen seiner Verteiler gesendet. US-Finanzmenschen haben einen Ausdruck für solche digitalen börsenrelevanten Schnitzer: fat finger - Wurstfinger als Sündenbock.

Debatten im Ausschuss

Und das Protokoll selbst? Es barg wenig Überraschungen. Die Führungsspitze der US-Notenbank ist sich demnach weiterhin uneinig über den weiteren geldpolitischen Kurs: Einige führende US-Notenbanker wollen die zur Stützung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt gedachten milliardenschweren Staatsanleihenkäufe der Federal Reserve Mitte des Jahres beenden.

Eine andere Gruppe möchte den Wertpapierkauf zum Jahresende auslaufen lassen. Die dritte Fraktion will die ultralockere Geldpolitik noch über den Jahreswechsel hinaus aufrecht erhalten.

Die Mehrheit des Ausschusses sei aber der Ansicht gewesen, dass die Vorteile des aktuellen Kurses die Kosten überwögen. Allerdings: Bei dem turnusmäßigen Treffen der Notenbanker waren die jüngsten Daten vom US-Arbeitsmarkt noch nicht bekannt. Vergangene Woche hatten miserable Jobzahlen aus den USA die Spekulationen über ein Ende der Wertpapierkäufe der Fed schon im Sommer mehr oder weniger zunichtegemacht.

Die Fed kauft derzeit Monat für Monat Staatsanleihen und Immobilienpapiere im Wert von 85 Milliarden Dollar. Das auf diese Weise geschaffene Geld soll die Konjunktur ankurbeln und vor allem den Arbeitsmarkt stützen. Bernanke will erst dann Zurückhaltung üben, wenn die Arbeitslosenquote wieder auf 6,5 Prozent gefallen ist. Aktuell liegt sie bei 7,6 Prozent und ist damit weit von seinem Zielwert entfernt.

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