Arbeitslosigkeit:Hartz IV - lebenslang

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Bundesagentur für Arbeit in Köln: In Nordrhein-Westfalen ist die Gruppe der Dauer-Hartz-IV-Empfänger gewachsen. (Foto: dpa)

Mehr als drei Millionen der 4,33 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger sind Langzeitbezieher. Das zeigen neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die der SZ vorliegen. Die Behörde räumt ein, dass es sich bei diesen Menschen um den "harten Kern" der Arbeitslosen handele. Es blieben diejenigen zurück, bei denen sich "eine Integration in Ausbildung oder Beschäftigung in naher, vielleicht auch in weiter Zukunft nicht abzeichnet".

Von Thomas Öchsner

Jeder Bürger solle die Chance haben, "aufzusteigen und sich Besitz zu erarbeiten", sagt Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Für die CDU-Politikerin gehört dies zu den wichtigsten Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Doch vielen Menschen bleibt dieser Weg verwehrt. Sie leben von der staatlichen Grundsicherung (Hartz IV), wollen auf eigenen Füßen stehen, schaffen es aber nicht. Das zeigen neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Demnach sind mehr als drei Millionen der 4,33 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger Langzeitbezieher.

Wer von 24 Monaten mindestens 21 auf Hartz IV angewiesen war, gilt in der Nürnberger Behörde als Langzeitbezieher. Einen durchgehenden Zeitraum hat die Bundesagentur bewusst nicht gewählt, weil sonst Menschen, die im Prinzip dauerhaft die Sozialleistung bekommen, aber zum Beispiel für ein, zwei Monate als Saisonarbeiter beschäftigt sind oder eine Probezeit nicht bestehen, aus der Statistik herausgefallen wären.

Trotz des Abbaus der Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren sinkt die Zahl dieser "Dauerkunden" der Jobcenter jedoch nur langsam. So gab es nach Angaben der BA Anfang 2009 knapp 3,27 Millionen Langzeitbezieher von Hartz IV. Bis August fiel die Zahl auf 3,03 Millionen. Regional ist die Entwicklung sehr unterschiedlich: In Ostdeutschland ist die Zahl deutlich stärker rückläufig als in Westdeutschland. Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass viele Leistungsempfänger im Osten in Rente gegangen sind, vermutet die Bundesagentur. In Bayern, Brandenburg, oder Mecklenburg-Vorpommern sind die Zahlen stark gesunken. In Berlin haben sie sich mit gut 300.000 nur wenig verändert. In Bremen und im bevölkerungsreichsten Bundesland, in Nordrhein-Westfalen (NRW), ist die Gruppe der Dauer-Hartz-IV-Empfänger sogar größer geworden.

Hinter den gut drei Millionen verbergen sich nicht nur Langzeitarbeitslose. Knapp die Hälfte, oder 1,35 Millionen, werden offiziell als erwerbslos gezählt. Alle anderen stehen für Vermittlungsversuche nicht zur Verfügung. Zu diesen gehören etwa Alleinerziehende mit kleinen Kindern, die sich ganz legitim von der Jobsuche zurückziehen dürfen. Außerdem können Arbeitnehmer darunter sein, die ihren Verdienst mit Hartz IV aufstocken können. Nach Angaben der BA handelt es sich dabei häufig um Beschäftigte mit Familie und Kindern, deren Lohn den Haushaltsbedarf nicht deckt.

Kampf gegen den "Drehtüreffekt"

BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt will die hohe Zahl der Langzeitbezieher nicht nur negativ bewerten. Der Rückgang von mehr als 200.000 seit 2009 zeige, dass sich etwas bewege. "Es gibt zugegebenermaßen einen hartnäckigen Sockel in der Arbeitslosigkeit, aber ich möchte nicht von einer Verfestigung sprechen", sagt Alt. Er räumt aber ein, dass man sich in den Jobcentern "immer weiter dem harten Kern nähere". Es blieben diejenigen zurück, bei denen sich "eine Integration in Ausbildung oder Beschäftigung in naher, vielleicht auch in weiter Zukunft nicht abzeichnet".

Bei vielen der Langzeitbezieher gehe es am Anfang nicht um die Jobsuche. "Viele Menschen müssen zunächst stabilisiert, Haushalte entschuldet werden." Drogenprobleme könnten hinzukommen. Auch seien viele der Dauer-Hartz-IV-Bezieher durch Krankheiten eingeschränkt. "Das alles dauert seine Zeit, Erfolge zeigen sich deshalb nicht unbedingt von heute auf morgen", sagt Alt. Deshalb steckt auch das Bundesarbeitsministerium der BA nicht allzu ehrgeizige Ziele. 2012 sollten die Jobcenter den Bestand ihrer Langzeit-Bezieher um 1,6 Prozent reduzieren, und das wird auch gelingen.

Der BA-Manager weist darauf hin, dass jedes Jahr eine Million Menschen den Weg aus der Grundsicherung in die Arbeitsgesellschaft finden würden. Fast genauso viele rutschen allerdings Jahr für Jahr ins Hartz-IV-System. Etwa jeder Zweite ist dabei ein Rückkehrer, der schon einmal die Hilfe bezogen hat. Diesen Drehtüreffekt will die BA in Zukunft minimieren. In Erfurt und Fürth läuft daher ein Modellversuch, bei dem Mitarbeiter der Jobcenter Hartz-IV-Empfänger weiter betreuen, wenn sie einen Job gefunden haben. Das "Coaching", wie sie es in der Behörde nennen, soll helfen, dass diese Menschen möglichst nicht mehr beim Jobcenter anklopfen müssen.

© SZ vom 29.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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