Allianz:Blitzüberweisung nach dem Blechunfall

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Die Allianz will Schäden schneller zahlen und baut mit hohen Investitionen die digitale Beziehung zum Kunden aus.

Von Herbert Fromme, München

Allianz-Vorstand Bernd Heinemann ist selbst ganz begeistert. Binnen vier Stunden, so rechnet er vor, kann ein Kunde oder ein geschädigter Autofahrer, dem ein Allianz-Versicherter ins Auto gefahren ist, künftig nach einem Blechschaden sein Geld haben. Das geht per Smartphone. "Er lädt sich eine App von uns und fotografiert damit den Schaden", erläutert er. Das Foto wird elektronisch und mit Hilfe von Experten analysiert, die eine Schadenhöhe feststellen. Der Kunde kann dann wählen: Entweder erstattet die Allianz die Reparaturrechnung, oder sie zahlt sofort den Schadenbetrag aus. Dann kann das Geld bei einem kleinen Unfall, der um elf Uhr passiert, um 15 Uhr angewiesen sein. "Hat er ein Paypal-Konto, ist das Geld sofort da", sagt Heinemann.

Auch andere Anbieter experimentieren mit solchen Apps. Aber keine Gesellschaft hat sich ein so umfassendes Digitalisierungsprogramm verordnet wie der Marktführer. Die Allianz weiß: Ihr altes Geschäftsmodell ist enorm unter Druck. "Die Kunden buchen eine Reise online und kaufen ein Buch im Internet", sagt Deutschlandchef Manfred Knof. "Sie wollen es bei der Versicherung genauso einfach haben." Da müssen sich die etablierten Anbieter beeilen. Immer mehr junge Unternehmen wollen den Verbrauchern den Umgang mit dem leidigen Thema erleichtern. Check24, Clark, Knip oder Finanzchef 24 versuchen, die Kunden mit Apps und Versicherungsvergleichen zu gewinnen. Die Allianz hält dagegen. "Wir sind überzeugt, die Allianz bietet das bessere Knip", sagt Knof.

Doch die Chefs der Allianz Deutschland wissen, dass sie noch viele Baustellen haben. "Wir sind gefordert, die Kundenorientierung wirklich zum Leben zu bringen", sagt Knof. Genau das verlangt der neue Welt-Chef Oliver Bäte.

Beim Service ist das Unternehmen noch nicht da, wo es hin will, bekennen Heinemann und Knof freimütig. Beispiel telefonische Erreichbarkeit: Täglich melden sich 35 000 Kunden per Telefon. Davon hören 5000 die Nachricht, dass sie später wieder anrufen sollen. Die durchschnittliche Wartezeit am Telefon beträgt 60 Sekunden. Jetzt will die Allianz Deutschland eine andere Software einsetzen und 150 weitere Mitarbeiter in den Telefoniezentren beschäftigen. So soll die Zahl der abgewiesenen Anrufe auf 1500 sinken, die Wartezeit auf 20 Sekunden.

"Die Hälfte der Anrufer will wissen, wie es mit dem jeweiligen Anliegen steht", sagt Heinemann. Auch da setzt er an. Wer will, kann künftig per Mail oder SMS den Stand seines Schadens oder seiner Antragsstellung verfolgen. Dann kommt eine Nachricht. "Wir bearbeiten Ihren Schaden unter der Nummer. . .Bei Fragen erreichen Sie uns unter. . ." oder "Wie gewünscht, haben wir den Allianz Handwerker-Service für Sie beauftragt. Dieser wird sich innerhalb eines Arbeitstages bei Ihnen melden. Ihre Allianz."

Der Konzern investiert allein in Deutschland in den kommenden Jahren jeweils 400 Millionen Euro in die von Bäte vorgesehenen Umbauprojekte. Davon werden 100 Millionen Euro Jahr für Jahr für Digitalisierungsprojekte ausgegeben. Da kann die Konkurrenz kaum mithalten.

Dabei geht es nur um die Kundenzufriedenheit, betont Knof. Ein Kostensenkungs- oder Stellenabbau-Programm soll es nicht geben. Derzeit beschäftigt die Allianz Deutschland 29 500 Angestellte, außerdem 8300 freiberufliche Vertreter. Einen Plan für die Reduzierung der Angestelltenzahl gebe es nicht, bei den Vertretern kann sich das Unternehmen sogar einen leichten Anstieg vorstellen.

Bei allem Respekt vor den Aufgaben der Zukunft - an Selbstbewusstsein mangelt es der deutschen Konzernführung nicht. Daran kann auch der ungewohnte Umsatzrückgang nichts ändern. Nach dem Rekordjahr 2014 mit 32,1 Milliarden Euro kamen 2015 nur 30,9 Milliarden Euro in die Kassen, der operative Gewinn stieg von 2,6 Milliarden Euro auf 2,7 Milliarden Euro.

Der Grund für den Umsatzrückgang: Wegen der Niedrigzinsen hat der Konzern Lebensversicherungen zurückgefahren, bei denen Kunden eine einzige, hohe Summe investieren. Die Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr, bei der eine Versicherung mit einem Ansparprodukt verbunden ist, hat der Konzern ebenfalls kräftig reduziert. Daher muss die Allianz Deutschland erstmals seit Jahren insgesamt sinkende Marktanteile hinnehmen. Nach 16,5 Prozent im Jahr 2014, waren es 2015 nur 15,8 Prozent.

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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