44. Weltwirtschaftsforum in Davos:Skeptischer Blick aus den USA

A musician is silhouetted as he listens during the Crystal Awards Ceremony at the annual meeting of the WEF in Davos

Ökonomie in Dur und Moll: Das Orchester des Mariinsky Theaters St. Petersburg beim Auftritt aus Anlass des Weltwirtschaftsforums.

(Foto: Denis Balibouse/Reuters)

In Davos überlassen die europäischen Ökonomen die Debatte den Starprofessoren aus Amerika. Und die sind sich einig: Die USA haben die Krise überwunden, Deutschland auch - der Rest der Euro-Zone aber noch nicht.

Von Andrea Rexer und Ulrich Schäfer

Eigentlich hält Kenneth Rogoff die Einführung des Euro noch immer für einen "historischen Fehler", und der Mann von der amerikanischen Harvard-Universität weiß, dass dies viele Europäer ungern hören. Und doch rührt der Professor von der amerikanischen Harvard-Universität auch in Davos wieder in der Wunde. Ja, räumt er ein, die Währungsunion sei nicht mehr in Gefahr, auseinanderzubrechen. Aber die Vereinigten Staaten entwickelten sich nunmal sehr viel dynamischer als Europa, dessen Länder mehrheitlich immer noch in einer Rezession steckten.

Auch Barry Eichengreen sieht Europa überaus kritisch. Während die Krise in den USA den Wendepunkt überschritten habe, hält es der Star-Ökonom der US-Eliteschmiede Berkeley gar für "gefährlich", dass Europa glaubt, die Krise sei vorbei. Denn das lenke davon ab, dass noch viel zu tun sei. So wie Rogoff und Eichengreen sehen es fast alle Ökonomen, die man in Davos trifft: Sie fordern von den Europäern größere Anstrengungen im Kampf gegen die Krise, gerade auch von den Deutschen. Die Bundesregierung müsse mehr für das Wachstum tun, mehr investieren, weniger auf den Export setzen. Deutschland diktiere Europa den falschen Kurs . Sparen allein führe ins Desaster, weil die Konjunktur dadurch abgewürgt werde.

Es ist der amerikanische Blick, der die ökonomische Debatte in Davos prägt, ein durchaus pragmatischer Blick auf die Wirtschaft, bei dem die Lehren des "Defict spending" von John Maynard Keynes eine wichtige Rolle spielen. Aber eben nicht nur: Die US-Ökonomen propagieren zugleich, dass Europa seine Arbeitsmärkte viel stärker lockern müsse, damit die staatlichen Konjunkturprogramme nicht verpuffen.

Viel Widerspruch ernten sie nicht, jedenfalls nicht aus der Ökonomen-Zunft. Denn auch in diesem Jahr beherrschen die Wirtschaftswissenschaftler aus Übersee die Debatte beim 44. Weltwirtschaftsforum. Europäische Ökonomen sind auf den Gängen des Kongresszentrums und auf den Podien nur spärlich vertreten, namhafte deutsche Wirtschaftswissenschaftler sucht man im Programm vergeblich. Einzig der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft diskutiert beim Forum mit, doch auch Dennis Snower ist amerikanischer Staatsbürger. Das fällt auch deutschen Firmenchefs auf wie dem Vorstandsvorsitzenden des Henkel-Konzerns, Kasper Rorsted.

Den US-Ökonomen ist die dominante Rolle gar nicht recht. "Es ist die große Ironie von Davos, dass es in Europa liegt, aber von den europäischen Ökonomen gemieden wird", sagt Eichengreen. Er vermisst den Gedankenaustausch. Gemeinsame Themen gäbe es genug: "Das wichtigste Thema derzeit ist die steigende Ungleichheit. In den USA, weil die soziale Mobilität abnimmt und kein Sozialstaat für Ausgleich sorgt. In Europa, weil die Langzeitarbeitslosigkeit und die hohe Jugendarbeitslosigkeit für ein Auseinanderdriften sorgen."

Schaulauf für die US-Eliteschmieden

Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) macht an der Davos-Abstinenz der deutschen Wirtschaftswissenschaftler ein tieferes Problem fest. Er glaubt, dass die deutschen Ökonomen selbst daran schuld sind, dass sie in der globalen Debatte kaum gehört werden: "Wir haben zu häufig eine nationale Brille auf, und sind zu sehr auf unsere deutschen Themen fokussiert. Wir müssen uns stärker für den internationalen Dialog öffnen. Die häufig isolierte deutsche Perspektive über die Europapolitik unterstreicht dies deutlich."

Einer der Hauptgründe für das Ausbleiben der deutschen Ökonomen ist in der Tat das Finanzielle. Tickets für Davos sind teuer, die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute und Universitäten sind mit knappen Mitteln ausgestattet. Ganz anders können da die amerikanischen Universitäten auftreten, die sich mit Drittmitteln finanzieren. Während deutsche Universitäten weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle schwimmen, wird Davos zum Schaulauf für die US-Eliteschmieden. Harvard schickt ganz selbstverständlich die beiden Professorenstars Larry Summers und Kenneth Rogoff, Berkeley entsendet Barry Eichengreen, die Columbia Edmund Phelps, das Peterson Institute ist mit seinem Präsidenten Adam Posen vertreten. Dass damit die globale Debatte auch von den USA geprägt wird, darf da nicht verwundern.

Aber dann taucht noch ein deutscher Ökonom auf. Einer allerdings, der heute eine andere Aufgabe hat: Axel Weber, einst Mitglied im Sachverständigenrat der "Fünf Weisen", später dann Bundesbank-präsident. Heute ist er Verwaltungsratschef der Schweizer Großbank UBS. Weber sieht die Lage noch ein wenig düsterer als Rogoff: "Europa ist zurück. Die Erholung ist aber kein Grund, euphorisch zu sein", sagt er. Und dann schickt er ein paar kleine Giftpfeile in Richtung Berlin: In Deutschland habe man offenbar das Gefühl, es gebe angesichts des fast ausgeglichenen Haushalts Raum für teuere Manöver: "Das ist eine gefährliche Illusion", sagt der ehemalige Bundesbank-Chef.

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