5,2 Millionen Arbeitslose:Anlass für neuen Streit

Hauptursache für den Februar-Rekord sind die kalte Witterung und die Hartz-IV-Regeln. Politiker und Verbände nehmen die Zahlen derweil zum Anlass, weiter über mögliche Reformen zu streiten.

Von Andreas Hoffmann und Philip Grassmann

Die Arbeitslosigkeit hat einen Nachkriegsrekord erreicht. Im Februar waren über 5,2 Millionen Menschen als arbeitslos gemeldet, wie aus Kreisen der Bundesagentur für Arbeit (BA) verlautete.

5,2 Millionen Arbeitslose: Schon wieder ein neuer Rekord: 5,2 Millionen Menschen waren im Februar arbeitslos.

Schon wieder ein neuer Rekord: 5,2 Millionen Menschen waren im Februar arbeitslos.

(Foto: Foto: dpa)

Sie will an diesem Dienstag die Zahlen vorstellen. Unterdessen ging der Streit um Hartz IV und mögliche Reformen weiter.

Der Rekordstand hatte sich seit längerem angedeutet. Bereits vor einigen Tagen hatten Arbeitsmarktexperten einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit erwartet und begründeten dies vor allem mit der konjunkturellen Entwicklung.

Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) rechnete mit einem weiteren Zuwachs, wie er kürzlich sagte.

Vor allem junge Leute neu in der Statistik

Nun ist der Anstieg auf über 5,2 Millionen offenbar größer ausgefallen als gedacht. Im Januar lag die Zahl der Arbeitslosen bei 5,037 Millionen Menschen.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gibt es für den Zuwachs mehrere Gründe. Dazu zählen neben der schwachen Konjunktur und der kalten Witterung vor allem die neuen Regeln von Hartz IV.

Danach sind viele junge Leute als arbeitslos gemeldet, weil sie nun als erwerbsfähig gelten und Arbeitslosengeld II erhalten. Früher bezogen sie Sozialhilfe und tauchten nicht in der Arbeitslosenstatistik auf.

Ruf nach Reformen

Auf diese jungen Arbeitslosen unter 25 Jahren will sich auch die SPD künftig stärker konzentrieren. Wie Parteichef Franz Müntefering am Montag nach einer Sitzung des Präsidiums sagte, müsse man die Gründe des Scheiterns der jungen Leute klären und Gegenmaßnahmen ergreifen.

Konkrete Schritte kündigte er aber nicht an. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte, er hoffe, dass inzwischen der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit überschritten sei. Vielleicht gelinge es schon im März, "die Arbeitsmarktzahlen nach unten zu bringen".

Angesichts des neuen Rekordstandes bei der Arbeitslosigkeit wurde der Ruf nach Reformen lauter. Die Wirtschaft verlangte Steuernachlässe für Firmen, die Gewerkschaften wollen die Arbeitnehmer entlasten.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, kritisierte, "Deutschland verharre in einer Umsetzungsstarre". Nach Hartz IV müsste jetzt Hartz V folgen, wodurch die Steuern und Abgaben für Firmen sinken könnten.

"Unternehmen in der Pflicht"

Dagegen sehen die Gewerkschaften vor allem die Unternehmen in der Pflicht. Es gebe auch eine "Verantwortung der Firmen, in Deutschland zu investieren und nicht weiter Personal abzubauen", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer.

Die Betriebe seien in den vergangenen Jahren kräftig entlastet worden. Außerdem sehe sie "dringenden Handlungsbedarf" bei den vielen jungen Arbeitslosen.

Der beunruhigende Anstieg in dieser Klientel werde sich auch nicht durch die demographische Entwicklung in den nächsten Jahren verbessern, wenn mehr Ältere aus dem Berufsleben ausscheiden werden.

Streit um Tricks

Unterdessen ging der Streit um die Arbeitsmarktreformen weiter. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) warnte davor, dass sich der Bund mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe finanziell übernommen hat.

Er rechne mit einer Finanzlücke von mindestens sieben Milliarden Euro. Dazu kämen noch Lasten aus den Unterkunftskosten, die derzeit noch ermittelt würden. Eine zusätzliche Lücke werde durch die Kosten für die Eingliederung erwerbsfähiger Arbeitsloser entstehen.

"Damit steht die Finanzierung der gesamten Reform in Frage", sagte der CDU-Politiker. Wulff kritisierte zudem, dass das Bundeswirtschaftsministerium versuche, Belastungen abzuwälzen und die Kommunen "reich zu rechnen".

Kein Mißbrauch "in großem Stil" durch die Kommumen

Bereits vergangene Woche wurde deutlich, dass durch Hartz IV ein neues Milliardenloch im Bundeshaushalt entstehen könnte. Zahlen aus dem Monatsbericht von Finanzminister Hans Eichel (SPD) deuteten auf eine Lücke von 6,4 Milliarden Euro.

Seitdem wogt ein Streit zwischen Clement und Kommunen um mögliche Tricks, mit denen Städte und Gemeinden Kosten auf den Bund abwälzen wollen.

In diesem Zwist, bei dem es um die angeblich falsche Einstufung erwerbsunfähiger Sozialhilfeempfänger zu arbeitsfähigen Beziehern des Arbeitslosengeldes II geht, hat der CDU-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann Städten und Gemeinden den Rücken gestärkt.

Nach seinen Worten hat es zwar in einigen Fällen Mißbrauch gegeben. Er schloss aber aus, dass die Kommunen in großem Stil auf diese Weise vorgegangen seien. Die Zahl der Empfänger des Arbeitslosengeldes sei generell höher als ursprünglich angenommen, sagte Laumann.

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