315-Milliarden-Paket:Wie Juncker Europas Wachstum fördern will

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EU-Kommissionspräsident Juncker will Projekte mit "europäischem Mehrwert" fördern.

(Foto: Getty Images)
  • EU-Kommissionspräsident Juncker will in den kommenden drei Jahren 315 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren, um Europas Wirtschaft anzutreiben.
  • Dazu wird der "Europäische Fonds für strategische Investitionen" (EFSI) geschaffen, für den die EU eine Garantie in Höhe von 16 Milliarden Euro bereitstellt. Daraus sollen per Hebelwirkung Investitionen in Höhe von 315 Milliarden Euro entstehen.
  • Ein unabhängiger Ausschuss soll die zu fördernden Projekte bewerten. Priorität hat die Verbesserung der "strategischen Infrastruktur", also etwa Breitbandnetze und der Energiesektor.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Jean-Claude Juncker hat noch einmal eine Schippe draufgelegt. Vor Weihnachten, hatte der EU-Kommissionspräsident versprochen, werde er ein 300-Milliarden-Paket für Investitionen auf den Tisch legen.

Was Juncker nun an diesem Mittwoch - immerhin einen Monat vor dem Fest - dem EU-Parlament präsentiert, fällt noch ein bisschen größer aus: Mindestens 315 Milliarden Euro will Juncker in den kommenden drei Jahren an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren, um dem dramatischen Investitionsrückgang in Europa entgegenzuwirken. Das Mittel zu diesem Zweck hat auch schon einen Namen: Europäischer Fonds für strategische Investitionen (EFSI).

Aus 21 sollen 315 Milliarden Euro werden

Absolut "glaubwürdig" sei das Vorhaben, versichern EU-Beamte. Denn: "Wir rechnen keine Beiträge ein, von denen wir nicht sicher wissen, dass wir sie bekommen. Wir rechnen hier mit keinem Geld, das vom Himmel fällt." Auch frisches Steuergeld soll nicht eingesetzt werden.

Genutzt werden sollen stattdessen die Hebelgesetze der Finanzwelt. Dafür stellt die EU eine Garantie in Höhe von 16 Milliarden Euro bereit. Von der Europäischen Investitionsbank (EIB) kommen noch einmal fünf Milliarden. Mit diesen 21 Milliarden Euro als Risikopuffer im Rücken soll die EIB Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro vergeben können, was wiederum Investitionen in Höhe von 315 Milliarden Euro erlauben soll.

Der reale Einsatz der EU als Kapitalpuffer beträgt dabei zunächst nur acht Milliarden Euro, zwei davon direkt aus dem Haushalt. 3,3 Milliarden Euro kommen überdies aus dem Infrastrukturprogramm "Connecting Europe" sowie 2,7 Milliarden Euro aus dem Forschungsförderprogramm "Horizont 2020". Möglich ist, dass EU-Staaten oder andere Geldgeber den Fonds weiter aufstocken. Man habe da ein "sehr flexibles Instrument" geschaffen, versichern EU-Beamte.

Eine Pipeline, kein Füllhorn

Ein Instrument, das sie allerdings nicht als Füllhorn verstanden wissen wollen. Die Vokabel, die sie lieber verwenden, ist Pipeline. In die Pipeline sollen möglichst viele Projekte gebracht werden, die finanzierungswürdig sind, aber bisher keinen Investor gefunden haben. Ein Stimulierungspaket, das rasch wieder verpuffe, wolle man gerade nicht.

Sinn und Zweck des EFSI soll es sein, Investitionen in einem Umfeld anzustoßen, in dem es an Geld gar nicht fehlt, sondern an Vertrauen. Angesichts hoher Liquidität und niedriger Zinsen gehe es darum, "Vertrauen wieder herzustellen, indem wir sehr gezielt die Ressourcen einsetzen, die uns zur Verfügung stehen". Die Sicherheit, die der EFSI geben kann, soll dazu animieren, Projekte anzustoßen, die andernfalls keine Aussicht auf Finanzierung hätten.

Die Verbesserung der "strategischen Infrastruktur" hat Priorität

Nach den Planungen sollen in den nächsten drei Jahren dabei etwa 240 Milliarden Euro in langfristige Investitionen sowie 75 Milliarden in kleine und mittelständische Unternehmen fließen. Dabei soll es strikt professionell zugehen. "Nicht Politiker werden entscheiden, welche Projekte gemacht werden", wird betont.

Der Fonds wird von einer eigenen Führung verwaltet. Ein unabhängiger Investitionsausschuss soll die Projekte bewerten - und sich dabei aber durchaus auch von den politischen Zielen leiten lassen, die Juncker in einer Art Regierungsprogramm postuliert hat. Ganz oben steht da die Verbesserung der "strategischen Infrastruktur", womit Breitbandnetze ebenso gemeint sind wie der Energiesektor.

Auf der Wunschliste stehen auch Verkehrsinfrastruktur, Forschung, Innovation und Bildung. Hinzu kommt, darauf legt eine Mehrheit im Europaparlament großen Wert, alles, was dem Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit dient. Ebenfalls förderungswürdig sind "ökologisch nachhaltige Projekte".

"Juncker-Voodoo gegen die Mega-Depression"

Auch wenn Politiker nicht entscheiden sollen, bleibt die Frage, wohin das Geld fließt, von größter politischer Brisanz. Es werde keine Quoten geben, versichern EU-Beamte, weder nach Regionen noch nach Sektoren. Gerade für besonders investitionsbedürftige EU-Länder könnte es Enttäuschungen geben, jedenfalls können sie keinen bestimmten Anteil von Projekten beanspruchen.

Vielmehr soll eine Liste von Projekten erstellt werden, die in der "Pipeline" auf Finanzierung warten. Eine Chance sollen dabei nur Vorhaben mit "europäischem Mehrwert" bekommen, die als wirtschaftlich eingestuft werden und in den kommenden drei Jahren starten können.

Das sei nichts als "kreative Buchführung", sagt die Linke

Zeit ist ein wichtiger Faktor. Juncker, der aufgrund der luxemburgischen Steueraffäre unter verstärktem Druck steht, braucht rasche Resultate. Das Investitionspaket soll den Beweis liefern, was eine politische Kommission wie Juncker sie versteht, für die EU bewegen kann. Nach dem Beschluss der EU-Kommission am Dienstag und der Präsentation an diesem Mittwoch will die Kommission schon im Januar eine Verordnung vorlegen und Parlament und Rat danach zur Eile drängen. Liefe alles nach Plan, könnte der EFSI bereits im Juni seine Arbeit aufnehmen.

Zumindest die Linken im Europaparlament haben allerdings schon vor der offiziellen Präsentation klargemacht, wie wenig sie von dem Juncker-Plan halten. "Das ist Provokation und Juncker-Voodoo gegen die Mega-Depression. Es soll kein Cent frisches Geld fließen, aber die Steuerzahler beziehungsweise Förderbanken sollen für private Investoren haften", kritisierte der linke Europaabgeordnete Fabio De Masi.

In Wahrheit gehe es "um nichts als kreative Buchführung". Gesteigert werden müsse vielmehr die Kaufkraft. Nur öffentliche Investitionen im Umfang von 250 Milliarden Euro jährlich könnten die EU "aus der Depression ziehen und so auch die privaten Investitionen beleben".

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