500-Euro-Schein:"Naa, den nemma ned" - Geschichten vom 500er

Kinder hielten ihn wie ein Kuscheltier, der Autokäufer transportierte ihn während der durchzechten Nacht bündelweise in der Tasche. Und einige kannten ihn nie.

Von SZ-Autoren

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Tanzen mit Bündel

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Quelle: AFP

Für den Gebrauchtwagen wollte der Händler 16 000 Euro in bar. Am Freitag vor der Übergabe nach der Arbeit 32 Fünfhunderter von der Bank abgeholt. Den Packen in der Hosentasche verstaut. Und dann zum Afterwork-Treffen in den Hofbräukeller. Es gab Ente an Knödel, da waren die Frauen noch dabei. Danach wollten die anderen einen Männerabend machen. Der künftige Gebrauchtwagen-Besitzer sagte: "Geht nicht, hab zu viel Geld in der Hosentasche." Die anderen: "Das weiß ja keiner, es trägt fast gar nicht auf." Also abtanzen, so wild, wie es uns gegeben war, Augustiner in der Hand, die 32 Fünfhunderter immer schön nah am Mann. Es wurde eine lange Nacht, und es ging alles gut. Gut, dass es Fünfhunderter gibt. Mit 80 Zweihundertern wäre es nicht gegangen.

Harald Freiberger

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Symbol der Entfremdung

Bargeld

Quelle: Matthias Balk/dpa

Irgendwo in Deutschland rollen gerade ein paar Zuhälter ihre 500er, um ein letztes Mal damit zu koksen. Beim Bundesverband für Gebrauchtwagenhändler hackt die Pressestelle eilig ein Büchlein zusammen, ein Kompendium der lustigsten Fehlkäufe, Arbeitstitel: Bar bezahlt, bitter bereut. Vor den Abermilliarden Sportwettenbuden der Republik beulen sich die Hosen bald noch üppiger, wegen mehr Scheinen in der Tasche. All das passiert nicht? Doch, im Kopf eines Normalzahlers. Der ist dem großen Schein in aller Regel nie begegnet und der erfährt von der Existenz des 500ers womöglich erst durch dessen Abschaffung. Der Normalzahler hat auch den Vorgänger, den 1000-DM-Mann, nie persönlich kennengelernt. Er kennt diese Scheine aus Filmen und dort tauchen sie im Grunde nur in zweifelhaften Situationen auf. In "Voll normaaal" zum Beispiel überschreibt Tom Gerhardt fast seine komplette Existenz einer Firma namens "Cash and Go". Er macht das, weil ihm achtfache "Rendite" versprochen und weil wie zum Beweis die erste "Rate" gleich ausgezahlt wird: mit einen 1000-DM-Schein. Schwäche und Elend des kleinen Sparers, Übermacht der Gier, die Windbeutelhaftigkeit der Finanzbranche - all das ist in dieser Szene, und der viel zu große Schein steht dafür symbolisch. Es ist ein Symbol der Entfremdung.

Cornelius Pollmer

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Zu gut versteckt

An employee holds 500 euro banknotes in the Money Service Austria company's headquarters in Vienna

Quelle: REUTERS

Die Renovierung der Wohnung geriet aus den Fugen. Spätestens als die Küche keine Decke mehr hatte, war klar: Die Familie muss raus, für etwa drei Monate. Doch wie findet man kurzfristig Wohnraum für vier Personen, zwei davon Kinder? Ein irrwitziger Zufall brachte den Kontakt zu einem Paar, das aus seiner Wohnung ausziehen wollte und zwar sofort. Die Miete für das Vierteljahr sollte in bar übergeben werden, der Einfachheit halber. Von der Bank wurde eine Handvoll 500-Euro-Scheine beschafft und zu Hause von den Kindern bestaunt. Doch wohin damit bis zum Übergabetermin? Was für eine geniale Idee, die Scheine zwischen die Seiten eines Buches zu stecken und den Wälzer einfach in das Bücherregal zu stellen. Welcher Einbrecher würde sich die Mühe machen, meterweise Bücher durchzublättern? Zwei Tage später, die Schlüssel- und Geldübergabe stand an. Das Geld steckte, so viel Erinnerung war geblieben, in einem der Bücher, aber in welchem? Nach einem guten Dutzend aufgeblätterter Bände flatterte der erste Schein heraus. Die Barschaft für das Ausweich-Domizil versteckte sich in "Der Nachtmanager" von John Le Carré.

Patrick Illinger

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"Boaaah"

Wads of 500 euro banknotes are stacked in a pile at the Money Service Austria company's headquarters in Vienna

Quelle: REUTERS

Die Kinder haben das Auto nicht wegen des Alters gehasst. Ihr Groll war dem Umstand geschuldet, dass sich der schwarze C5 wetterfühlig gab. Der Dieselmotor mit seinen 240 000 Kilometern sprang zum Ende seines Lebens erst an, wenn es draußen warm war. Also frühestens im April. Das bedeutete im Winter: Jeden Morgen Motorhaube hoch. Kontaktspray sprühen. Zurückhetzen ans Steuer. Beten beim röchelnden Starten. Haube wieder zuknallen. Die Nachbarn erzählten später, wie unterhaltsam sie dieses Schauspiel fanden. Man war das Gespött, meinten die beiden Jungs. Der Citroën musste weg, und so lag dieser 500-Euro-Schein in der Konsole des neuen Gebrauchten. Die Kinder waren freudig erregt, dass der Autohändler für den peinlichen C5 so viel Geld rübergeschoben hatte. Die Eltern wollten eigentlich 1500 Euro. Sie hingen an der Kiste, dachten an die Fahrten ins Krankenhaus zur Entbindung. Aus den Babys waren auch in diesem Wagen größere Lausebengel geworden. "Booooah, 500 Euro", stöhnte der damals Zehnjährige beseelt vom Rücksitz. Der Achtjährige kicherte. "Darf ich mal haben?" Der Schein wandert nach hinten und dem Vater fiel ein, dass er diese Szene schon mal erlebt hatte. Damals war er selbst ein kleiner Junge und der Vater zeigte einen 1000-Mark-Schein, den er für sein altes Auto bekommen hatte. Erneuter Blick in den Rückspiegel. Die Söhne denken darüber nach, was man damit alles kaufen kann. "Boooaah", sagt der Große wieder und hält den Fünfhunderter so zärtlich wie er es sonst mit seinem Kuscheltier macht. Er fragt tatsächlich: "Darf ich ihn behalten?"

Markus Zydra

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Naa, den nemma ned

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Quelle: AFP

Es war der Rest vom Schützenfest. Genauer: vom Bausparvertrag. "Wie wollen Sie das Geld haben?", fragte die Dame am Schalter. Schulterzucken. Egal. Da war er dann, der 500-Euro-Schein. Schicke Farbe, ungewohnt. Die Bedienung im Café beäugte ihn misstrauisch. "Naa, den nemma ned", sagte sie. Also gut, dann Kartenzahlung. Aber sicher im Supermarkt. Fehlanzeige. Wirtshaus. Fehlanzeige. Tankstelle. Fehlanzeige. Geld, mit dem man nicht bezahlen kann. Letzter Versuch beim Bäcker. Die Verkäuferin schüttelt den Kopf. Ein recht flippig gekleideter Kunde an der Kuchentheke fragt: "Wie hätten Sie denn den Schein gerne gewechselt?" Er zieht ein Bündel von Scheinen aus der Hosentasche. Verkäuferin und Kundin sind baff. Er wechselt nonchalant den Monsterschein. Auf die scheue Frage, was er beruflich mache, antwortet er: "Tänzer".

Susi Wimmer

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Wie bei Loriot

500-Euro-Scheine

Quelle: Patrick Seeger/dpa

Der Freund ist Brite, die Skepsis gegenüber dem Euro angeboren. Als das Gehalt in Deutschland auf seinem Konto liegt und aus dem Geldautomaten manchmal Hunderter kommen, fällt mitunter das Wort "Spielgeld". Im Königreich ist selbst eine 50-Pfund-Note selten. Nach einem Jahr in Deutschland wird der Freund zum Stipendiaten. Die ausländischen Wissenschaftler, die dieses Stipendium erhalten, haben oft noch kein Konto in Deutschland. Die erste Monatsrate zahlt die Stiftung deshalb in bar aus: vier fliederfarbene Fünfhunderter. Die deutsche Freundin hat so etwas noch nie gesehen und kann nicht mal sagen, ob sie die richtige Farbe haben. Im kleinen Bioladen an der Ecke damit ankommen? Undenkbar. Bei der Bank einzahlen? Mangels Filiale nicht möglich. Nach Wochen fordert die Freundin wegen des Rückens eine neue Matratze. Beim Probeliegen im Laden scherzt sie: "Wie bei Loriot!" Die Verkäuferin lacht wie jemand, der keine Ahnung hat, wovon die Kundin spricht, sich aber keine Blöße geben möchte. Der Freund sieht seine Chance: Ob er in bar zahlen könne? Er zückt zwei seiner fliederfarbenen Banknoten. Die Verkäuferin lacht wieder: Diesmal genau wie jemand, der versucht, so zu tun, als bekäme sie jeden Tag Fünfhunderter über die Theke gereicht. In Wahrheit hat sie keine Ahnung, ob die Scheine die richtige Farbe haben.

Esther Widmann

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Bezahlung auf ungarisch

500-Euro-Scheine

Quelle: dpa

Der Verkauf des Autos schien einfach zu sein. Der Preis war am Telefon verhandelt. Ein Ungar hatte sich gemeldet. "Ich hole ab." Keine Probefahrt? "Nicht nötig, ich kenne Auto." Profi offenbar. 17 500 Euro sollte der "Freelander" kosten. Wie verabredet fährt am nächsten Tag ein Riesenlandrover mit ungarischer Nummer und großem Pkw-Anhänger vor. "Nummero Motorrrr", fragt der Fahrer nur. Normale Frage, na klar. Der Mann öffnet die Haube fachmännisch, nickt. Ist zufrieden. Das ist doch nicht der Mann vom Telefon. Der nicht gut gewaschene Typ vor dem Haus spricht kein Wort Deutsch. Englisch? Nein, nur Ungarisch. Jetzt die Bezahlung. Der Sendbote reicht eine vergammelte Plastiktüte über den Küchentisch. Inhalt: Euroscheine. Fünfer, Zehner, Zwanziger, sogar ein paar Hunderter sind dabei. Die Tüte ist prall gefüllt wie ein Sofakissen. Schweißausbruch. Wie soll das gehen? Diesem Finsterling das Auto anvertrauen? Wie viel Geld war überhaupt in dem Beutel? Was ist, wenn sich die dreckigen Scheine als falsch erweisen? Die Bank an der nächsten Ecke muss helfen. Die Damen stutzen, als ihnen die Tüte über den Tresen gereicht wird. Die Scheine rasseln durch die Zählmaschine. Es dauert. Am Ende sagt die elektronische Anzeige: 17 500 Euro. Mit Fünfhundertern wäre es einfacher gewesen.

Karl-Heinz Büschemann

© SZ/jasch
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