Michael Rottmann
Mehr als vier Jahre jagten die Fahnder von Interpol Michael Rottmann rund um den Globus hinterher, im Sommer 2000 endlich konnten sie den Ingenieur aus dem Ruhrgebiet in London dingfest machen.
Doch Rottmann hatte damals Glück: Gegen Zahlung von 100.000 Euro Kaution kam er frei. So dauerte es weitere neun Jahre, bis er nach Berlin überstellt wurde.
Dann aber ging alles sehr schnell. Anfang Dezember wurde der einstige Babcock-Manager vom Berliner Landesgericht wegen "schwerer Untreue" zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Damit endete 20 Jahre nach dem Mauerfall das letzte Großverfahren zur deutsch-deutschen Vereinigungskriminalität.
Für zwei Millionen Mark hatte Rottmann zusammen mit Komplizen, die inzwischen bereits in anderen Verfahren verurteilt wurden, 1991 den Ost-Berliner Wärmeanlagenbau (WBB) von der Treuhandanstalt gekauft.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war schon das ein fragwürdiges Geschäft, schließlich verfügte das sanierungsbedürftige Unternehmen noch über Barvermögen und vor allem werthaltige Immobilien.
Allein der Firmensitz im Zentrum der Stadt soll umgerechnet knapp 60 Millionen Euro wert gewesen sein. Statt den einstigen DDR-Monopolbetrieb für Heizwerke und Fernwärme aber zu sanieren, höhlten die neuen Eigentümer das Unternehmen aus. Ende 1994 war die Firma nur noch eine leere Hülle. 750 Beschäftigte verloren ihren Job und Rottmann machte sich aus dem Staub.
Jahrelang kreuzte er mit seiner Frau auf einer Yacht in internationalen Gewässern der Karibik - unerreichbar für die Strafverfolger. Auch an die Millionen, mit denen er seine aufwendige Flucht finanzierte, kamen die Fahnder nicht heran.
Mit fatalen Folgen: Mindestens 20 Millionen Euro soll Rottmann bis zu seiner Überstellung nach Berlin verjubelt haben. Der Gesamtschaden des WBB-Ruins ist freilich mit mehr als 100 Millionen Euro noch deutlich höher.
Rottmann sieht sich dennoch als Opfer, nicht nur weil seine Frau mit einem Tennislehrer durchgebrannt und er selbst angeblich pleite ist. Westdeutsche Großkonzerne hätten die WBB nach der Wende gnadenlos vom Markt verdrängt, behauptet er noch immer steif und fest.
Verluste seien daher nicht mehr auszugleichen gewesen. Dabei habe er das Unternehmen mit aller Macht erhalten, aber keine Straftaten begehen wollen.
Im Nachhinein fühlt sich der heute 66-Jährige mit dem WWB-Job "fachlich und persönlich" überfordert. "Wir hatten die Illusion blühender Landschaften", gestand Rottmann vor Gericht kleinmütig ein. "Ich muss jetzt damit leben, der größte Betrüger der Wendezeit genannt zu werden."
Text: Steffen Uhlmann, SZ vom 30.12.09 Foto: AP