SZ für Kinder:Chefsache

Eine Kanzlerin muss viele Probleme lösen. Jeden Tag aufs Neue. Ein Kanzler natürlich aus. Aber wie sieht so ein Arbeitstag genau aus?

Im Sommer hat Angela Merkel eine Pressekonferenz gegeben. Da konnten die Journalisten in Berlin die Kanzlerin fast zwei Stunden lang befragen. "Was motiviert Sie", wollte einer wissen, "jeden Morgen aufzustehen und Politik zu betreiben?" Angela Merkel antwortete, sie finde an ihrer Arbeit schön und anregend, "dass man immer wieder neue Probleme hat". Da lachten viele Journalisten. Wer findet es schon schön, dauernd neue Probleme zu haben? Und wenn schon, würde man doch oft lieber gleich im Bett liegen bleiben. "Sie lachen darüber", sagte Merkel zu den Presseleuten, "aber wer das nicht aushält, der kann nicht Bundeskanzler sein."

Wer mal gesehen hat, wie Angela Merkel so ins Büro kommt, der kann sich irgendwelche Probleme erst gar nicht vorstellen. Sie wird mit dem Auto abgeholt, dauernd hält ihr jemand die Tür auf, sie hat Sicherheitsleute, die auf sie aufpassen, und Mitarbeiter, die für sie Mantel und Akten tragen. Nur ihre Handtasche trägt sie selbst. Sogar die elektrische Schiebetür vom Fahrstuhl im Kanzleramt steht immer schon offen, wenn Merkel kommt. Dann geht's hinauf in den siebten Stock, und hinter einer großen, mit hellem Holz verkleideten Wand wartet ihr Büro.

Jeden Morgen trifft sich Merkel mit wichtigen Mitarbeitern und bespricht, was so los ist in Deutschland und im Rest der Welt. Da sind dann doch immer eine ganze Menge Probleme dabei. In den vergangenen Jahren hat Merkel hier zum Beispiel oft schlechte Nachrichten über den Euro gehört. Das Tolle an dieser Währung ist ja, dass man in ganz vielen Ländern Europas damit bezahlen kann, ohne dass man Geld wechseln muss, wie das früher war. In letzter Zeit war es aber nicht mehr ganz sicher, ob beispielsweise Griechenland den Euro behalten kann, ohne dass dafür ziemlich viel Geld zu bezahlen wäre. Deshalb mussten Merkel und die anderen Regierungschefs in Europa oft stundenlang verhandeln, und es hat da eine Menge Streit gegeben, weil nicht alle die Ideen der Kanzlerin immer besonders gut fanden.

Der Regierungssprecher erzählt in der Morgenrunde, was in den Zeitungen stand oder im Fernsehen gesendet wurde. Wenn die Kanzlerin alles selber schauen und lesen wollte, was allein über sie geschrieben oder gezeigt wird, wäre sie den ganzen Tag beschäftigt. Aber das will sie sowieso nicht, denn meistens kritisieren die Journalisten sie und loben selten. Außerdem schreiben sie auch oft alle dasselbe, findet die Kanzlerin. Oder sie fordern heute dies und morgen das Gegenteil. Sagt sie.

An manchen Tagen hat die Kanzlerin, die ja auch Vorsitzende der CDU ist, regelmäßige Termine, zum Beispiel die Vorstandssitzung der eigenen Partei am Montag oder mit der gemeinsamen Fraktion von CDU und CSU am Dienstag. Mit den eigenen Leuten muss eine Kanzlerin viel reden, denn die müssen am Ende ja den Gesetzen im Parlament zustimmen. Manchmal muss sie auch ihren Koalitionspartner FDP besuchen, dessen Stimmen sie braucht.

Für die Details der Politik hat eine Regierung neben dem Kanzler oder der Kanzlerin und ihren Beamten auch noch viele Minister mit noch viel mehr Beamten. Der Finanzminister verwaltet zum Beispiel das Geld, das der Staat durch Steuern einnimmt. Es wird für die vielen Gemeinschaftsaufgaben des Staates ausgegeben: Bundeswehr, Flughäfen, Wissenschaft zum Beispiel. Der Finanzminister gibt das Geld nicht selbst aus. Das Sozialministerium etwa muss dafür sorgen, dass es bei den bedürftigen Menschen ankommt, denen es zusteht. Es gibt aber auch Bereiche, da hat kein Ministerium etwas zu bestimmen - und nicht einmal die Kanzlerin. Dazu gehört das Thema Schule. Alles, was damit zu tun hat, wird von den Bundesländern geregelt, also etwa von Bayern oder Thüringen oder Schleswig-Holstein.

Vieles von dem, was eine Kanzlerin macht, hat mit Außenpolitik zu tun. Häufig empfängt sie Präsidenten oder Regierungschefs aus anderen Ländern. Und oft fliegt sie selbst in andere Staaten. Mit wichtigen Politikern telefoniert sie immer mal wieder, mit dem französischen Präsidenten zum Beispiel oder mit dem amerikanischen und auch mit dem russischen. Oft geht es darum, wie man einen Krieg beenden könnte wie in Syrien. Das ist ein mühsames Geschäft, weil oft jede Regierung etwas anderes will und alle auch Angst davor haben, Soldaten zu schicken, die im Krieg sterben könnten.

In der Politik sei es ganz herausragend, "dass man morgens oft ins Büro geht und nicht weiß, was im Laufe eines Tages passieren wird", hat Merkel auf der Pressekonferenz im Sommer gesagt. Manchmal seien das schöne Dinge, manchmal auch traurige. An irgendeinem Tag in naher oder ferner Zukunft wird Merkel abends ins Bett gehen und nicht mehr Kanzlerin sein. Und das ist eigentlich das Allerbeste an der Demokratie: Wenn ein Kanzler oder eine Kanzlerin nicht irgendwann freiwillig geht, dürfen die Bürger entscheiden, wann dieser Tag sein soll.

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