Sein Ziel: Die Olympischen Spiele:Auf Siegeskurs

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Lorenzo lebt in einem Internat für junge Sportler. Nur die Besten dürfen dorthin. Der 14-Jährige trainiert jeden Tag vier Stunden. Auch in den Ferien

Roman Deininger

Das Kunstturnforum in Stuttgart ist ein Paradies für Turner: Überall Barren, Kästen, Reckstangen, Sprungpferde, Ringe, Trampoline, man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Und darunter ganz viele blaue Schaumstoffmatten, damit nichts passiert, selbst wenn ein Salto mal nicht im Stand endet.

Der 14-jährige Lorenzo Voppichler turnt seit er sieben ist. Er wohnt und trainiert im Olympiastützpunkt Stuttgart. (Foto: www.niedermueller.de)

Aber manchmal passiert halt trotzdem etwas, und gerade eben hat es am Reck Lorenzo Voppichler erwischt. Er sitzt am Rand der Halle auf einer Holzbank und kühlt seinen rechten Fuß mit einem Eisbeutel. "Harte Landung", sagt Lorenzo, ein anderer Turner bringt ihm Krücken. Ohne die wird er jetzt einige Wochen nicht gehen können: Fuß gebrochen.

Der Bruch hat wegen seiner Form einen lustigen Namen: Entenschnabelbruch. Aber Lorenzo kann darüber natürlich nicht lachen. Lorenzo ist 14 Jahre alt, mit sieben hat er mit dem Turnen angefangen. Das sieht man ihm sofort an, er ist ein Kraftpaket. Für seine Muskeln hat er viel tun müssen: "Ferienzeit ist bei mir schon immer Trainingszeit", sagt er. Und damit er noch mehr und noch besser trainieren kann, ist er im vergangenen Herbst aus seinem Heimatort Vöhrenbach im Schwarzwald nach Stuttgart gezogen. Das kann nicht jeder: Nur die besten Nachwuchsathleten aus ganz Baden-Württemberg dürfen am Olympiastützpunkt in einem Internat zusammenwohnen.

Lorenzo gilt als eines der größten Turnertalente seines Jahrgangs, sein Lieblingsgerät ist das Reck, er hat schon ein paar wichtige Pokale gewonnen. "Man weiß trotzdem nicht, wie weit man's am Ende schafft", sagt Lorenzo. Aber es ist ja klar, wie weit es jeder im Internat schaffen will - zu den Olympischen Spielen. Im Gang hängen die Sehnsuchtsbilder an der Wand: die ehemaligen Bewohner, die in Sydney, Athen oder Peking antreten durften. Zwanzig junge Athleten leben im Stuttgarter Internat, direkt hinter dem großen Fußballstadion. Lorenzo teilt sein Zimmer mit Mike, der auch Turner ist. Um zehn sollen die beiden jeden Tag brav im Bett liegen. Ob das auch wirklich so ist? Lorenzo lächelt verschmitzt und sagt: "Wir gehen auf jeden Fall so schlafen, dass wir am nächsten Tag fit fürs Training sind." Und fit auch für die Schule. Lorenzos Tag ist vollgepackt mit Unterricht und Training, nur an den Wochenenden hat er frei - wenn keine Wettkämpfe sind.

Für Wettkämpfe oder Trainingslager ist Lorenzo manchmal wochenlang auf Reisen. Den Mathe- oder Geschichtsstoff muss er dann eben im Hotel büffeln, und sobald er zurück in Stuttgart ist, kriegt er Zusatzstunden. Ab und zu schreibt er unterwegs sogar eine Schulaufgabe. Der Trainer passt auf, dass er nicht spickt. Jetzt sitzt Lorenzo in seiner achten Klasse am Wirtenberg-Gymnasium, Doppelstunde Chemie. "Wir beschäftigen uns heute mit den Alkali-Metallen", sagt die Lehrerin. "Nein, bitte nicht!", brüllt die ganze Klasse, Lorenzo ist stimmlich vorn dabei. Aber die Lehrerin lässt sich nicht abbringen. Wegen seiner Verletzung kann Lorenzo gerade nur seinen Oberkörper trainieren. Das gibt ihm wenigstens Zeit, nach der Schule im Aufenthaltsraum des Internats vorbeizuschauen und auf der Riesencouch die Serie "Scrubs" zu gucken mit den Volleyballerinnen.

Auf Gemeinschaft wird viel Wert gelegt im Internat, beim Abendessen sitzen alle an einem großen eiförmigen Tisch zusammen. Natürlich müssen die jungen Sportler dabei auf gesunde Ernährung achten. "Aber das heißt nicht, dass wir nicht auch mal Schnitzel mit Pommes essen", sagt Lorenzo. Auch ein paar Schoko-Cookies sind wohl drin, eine Packung liegt jedenfalls in Lorenzos Zimmer. An der Wand hängen Trainingspläne und außerdem ein Foto von Lorenzo mit vier Mädchen, aufgenommen daheim im Schwarzwald. Er hat es geschenkt bekommen, darüber steht: "Wir denken an Dich." In Vöhrenbach sind alle sehr stolz auf Lorenzo, sie lesen in der Lokalzeitung ja auch dauernd Schlagzeilen wie "Voppichler eine Klasse für sich". "Im Supermarkt werde ich oft von Menschen angesprochen, die ich gar nicht kenne", erzählt Lorenzo. Nicht auszudenken, wie das erst wird, wenn er es wirklich mal zu den Olympischen Spielen schaffen sollte.

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