Weinbau im eigenen Garten:Edles Tröpfchen von der Hauswand

Weinreben im eigenen Garten zu ziehen, ist schön, aber längst nichts Besonderes mehr. Spannend wird es, wenn man aus der Ernte wohlschmeckenden Wein keltern will. Welche Tücken im Leben eines Hobbywinzers lauern.

Stephan Reinhardt

Manchmal sind es die kleinen, frechen Momente, die aus einer spontanen Eingebung eine Liaison fürs Leben machen. Als der Münchner Weinaficionado Heinz Peter vor nunmehr 22 Jahren dem Geheimnis des Sassicaia, eines legendären Rotweins von der toskanischen Küste, auf die Spur kommen wollte, geschah es. Nachdem er mit Freunden den damals überaus teuren und noch heute alles andere als preiswerten roten Supertoskaner die Jahrgänge rauf und runter probiert und das Weingut San Guido in Bolgheri besucht hatte, dachte er sich: Was der Marchese Nicolò Incisa della Rocchetta kann, kann ich vielleicht auch.

Kurz entschlossen zwickte er einen Cabernet-Sauvignon-Trieb aus der Anlage, nahm ihn mit über die Alpen und pflanzte ihn daheim in München an die Südwand seines Hauses. Dann wartete - und hoffte! - er, dass sein Mitbringsel Wurzeln schlagen würde. Heinz Peter hatte Glück: Der schwere Boden gefiel dem geraubten Setzling. Und so konnte der Weinfreak wenige Jahre später, an einem schönen Novembertag und voller Stolz und Ambition, die ersten Cabernet-Trauben lesen.

Doch damit nicht genug: Heinz Peter verarbeitet sein Lesegut auch höchstselbst zum ersten Denninger Sassicaia der Weltgeschichte. Zwar wird er nicht, wie das Original, in kleinen französischen Eichenfässern ausgebaut, sondern in der Glasflasche, aber der Hobbywinzer ist dennoch zufrieden: "Der Cabernet reift sehr spät, da kann es nahe der Alpen mit der optimalen Reife schon kritisch werden. Aber der 2003er war richtig gelungen und vom 2012er erwarte ich mir auch einiges." Der hängt allerdings noch im Stock, möglichst bis Ende November. "Es sei denn, Schnee und Eis zwingen mich dazu, die Trauben vor ihrer Zeit zu holen."

Heinz Peter ist, wenn man das so sagen kann, ein recht professionell arbeitender Hobbywinzer. Die meisten seiner Kollegen sind hingegen echte Amateure, zumindest am Anfang. Und sicher nicht jeder Hobbywinzer ist das, was man einen Weintrinker, geschweige denn -kenner nennt. Das wäre zwar hilfreich, vor allem bei der Qualitätsprüfung, ist aber eigentlich ganz unnötig. Als Winzer kann sich auch versuchen, wer bereits alle Bohrmaschinen und Ketten- und Kreissägen besitzt und an Haus und Garten sonst nichts mehr zu tun hat, was einer Herausforderung gleichkommt. Da kommt der eigene Wein gerade recht. Zumal die Eigenherstellung landwirtschaftlicher Produkte ebenso im Trend liegt wie Zeitschriften à la Landlust.

Anbau für den Eigenbedarf ist erlaubt

Während Hobbywinzer in klassischen Weinbaugebieten schon immer Teil der Kultur waren, scheint die Zahl von Hobbygärtnern zu wachsen, die am Haus oder im Garten, meist am Spalier, zum Teil aber auch recht professionell im Drahtrahmen, Wein anbauen. Zwar ist die Anlage von Keltertraubenflächen grundsätzlich genehmigungspflichtig, doch bildet der Anbau für den Eigenbedarf auf einer Fläche bis zu einem Ar (100 m2) eine Ausnahme. Auf dieser Fläche können etwa 50 Weinreben angepflanzt werden. Deren Erzeugnisse dürfen nicht zur Vermarktung in den Verkehr gebracht werden. Wer seinen Gartenwein jedoch für so unwiderstehlich hält, dass er glaubt, ihn verkaufen zu müssen, muss mit der Rodung seiner Reben rechnen.

Doch bis dahin ist es ein weiter, beschwerlicher Weg. Schon die Möglichkeit, dass neben Traubenwein auch Obstwein, Likörwein, Reiswein oder auch Met (Honigwein) erzeugt werden kann, stellt viele Hobbywinzer vor erste Entscheidungsprobleme. Wer sich schließlich für den Traubenwein entscheidet, tut dies oft aus rein pragmatischen Gründen: Die Hauswand ist bereits mit Weinreben zugedeckt, deren von Wespen und Amseln angefressenen Trauben genauso eklig kleben wie die der an der Pergola rankenden Reben. Manchmal schlägt aber auch purer Zufall zu, etwa, weil das nahgelegene Gartenbauzentrum gerade Weinreben zum Kauf anbietet.

Das Leben des Hobbywinzers ist voller Tücken

Dass die Rebsorte einen nicht unwesentlichen Einfluss auf den Geschmack, ja sogar die Farbe des Weines hat, ist vielen Hobbywinzern zunächst gar nicht bewusst. Sie entscheiden sich für die Pflanze, deren Blätter im Herbst die schönste Farbe haben, oder die sich kontrastreich mit anderem Gehölz kombinieren lässt. Wer jedoch zu frühreifen, aromatischen Rebsorten greift, etwa einer Muscat-Sorte, kann mit Glück und Geschick auch an der Nordsee, im Fichtelgebirge oder Alpenvorland schmackhafte Leichtweine erzeugen.

Weintrauben

"Ich wollte einfach wissen, wie sich diese in aller Welt bekannten Sorten im Denninger Terroir machen", sagt Hobbywinzer Heinz Peter.

(Foto: DPA)

Und wer keinen Garten besitzt, aber dennoch in der Winzerkunst dilettieren möchte, hat ebenfalls alle Möglichkeiten: Gartencenter bieten inzwischen von der Rebschere über den Glasballon mit Gärventil bis hin zur gärfreudigen Reinzuchthefe das komplette Zubehör an. Und Weintrauben gibt es bekanntlich im Supermarkt, noch dazu das ganze Jahr über. Wer will, kann also durchaus zwei Jahrgänge binnen eines Jahres erzeugen.

Doch Vorsicht! Auch das Leben des Hobbywinzers ist voller Tücken - und zwar das ganze Jahr hindurch. Nicht jede Rebsorte eignet sich für jeden Standort, und Weinreben aus der Rebschule eines Weinanbaugebiets sind allemal wertvoller als die Züchtungen aus dem Baumarkt nebenan. Und krank werden können sie alle, zumal in unseren Breiten. Echter und falscher Mehltau gehören zu den häufigsten Rebkrankheiten auch bei den Profis. Es gibt dagegen zwar Behandlungsmittel, sogar ökologische. Doch bevor man heilt, muss man erst mal erkannt haben, dass die Rebe erkrankt ist. Ohne die Lektüre eines begleitenden Praxishandbuchs zum Thema Hobbyweinbau wird man als Laie ohnehin nicht auskommen.

Andreas Durst, in der Pfalz lebender Fotograf, der seit einigen Jahren ebenfalls Wein erzeugt, fand einen anderen Weg: Er sammelte für seinen ersten eigenen Weinjahrgang im späten Herbst einige Kisten übrig gebliebener Trauben von den Stöcken und zwang deren Saft in Plastikbottichen zur Gärung. Einmal in Wallung, kann so ein Most recht stürmisch werden und beim dilettierenden Winzer blanke Panik auslösen. Durst wusste sich jedoch zu helfen: Den ganzen ersten Herbst über nervte er Deutschlands beste und bekannteste Winzer, die er alle bereits vor der Linse gehabt hatte, mit Praxisfragen bis hin zur Abfüllung. Seinen ersten Jahrgang konnten die Dönnhoffs und Co. zwar nicht mehr retten. Doch inzwischen ist Durst mit seinen Weinen auch dank des Fachhandels früher ausverkauft, als neuer nachgewachsen ist.

Heinz Peter hingegen weiß, was er tut und warum er es tut. Warum er überhaupt eigenen Wein erzeugt? "Weil ich gerne Wein trinke und mehr darüber erfahren wollte, wie er bereitet wird und welchen Einfluss der Winzer auf seinen Geschmack nehmen kann." Dass er ahnungslos durch die berühmtesten Weinberge Europas wandern musste, weil er nichts vom Weinbau verstand, wurmte ihn. 20 Rebstöcke hat er mittlerweile gepflanzt, allesamt verschiedene Edelsorten, vom frühreifen Weißburgunder und Chardonnay bis hin zu spät reifenden Varietäten wie Cabernet und Sangiovese. "Ich wollte einfach wissen, wie sich diese in aller Welt bekannten Sorten im Denninger Terroir machen", sagt er.

Von Peters 20 Denninger Superbajuwaren gibt es, wenn alles normal läuft, pro Jahrgang jeweils zwei 0,375-Liter-Flaschen. Zu wenig, finden seine Freunde. Inzwischen gibt er übrigens auch Weinseminare und schreibt hin und wieder über Wein. So werden aus Laien Prediger.

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