Warum über Pelz so erbittert gestritten wird:Zoff um den Zobel

Egal, ob Fuchskragen oder sündhaft teurer Nerzmantel: Der Pelz feiert ein modisches Comeback. Zugleich wird über ihn seit Jahrzehnten gestritten, erbittert und undifferenziert. Was diese Debatte mit Sex und Status zu tun hat.

Lena Jakat

Ein ganz besonderer Stoff geht um in Paris, Mailand und New York, erobert Laufsteg um Laufsteg ebenso wie die Backstagebereiche und Zuschauerreihen bei den großen Modenschauen. Er ist teuer, elitär und war lange Zeit so gut wie verboten: Der Pelz ist zurück. Und zwar nicht in seiner synthetischen Form, sondern in natura. Er hängt in der kommenden Saison an Kapuzen, Ärmeln und Krägen, füttert Parkas und protzt in Leuchtfarben. Mal versteckt er sich, etwa als Besatz an den Kleidern von Bottega Veneta, mal zeigt er - wie die orangen Felljacken bei Emilio Pucci - überbordend seine wiedererlangte Macht über die Modewelt.

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Pelz, Pelz, Pelz: Ein Model der belgischen Designer Ann und Filip Vandevorst bei der Pariser Modewoche.

(Foto: AFP)

Seiner Rückkehr auf den Laufsteg spiegelt sich in wachsenden Milliardenumsätzen im Einzelhandel wider: Bereits 2010 wurde nach Angaben der International Fur Trade Federation (IFTF) die 14-Milliarden-Dollar-Marke im weltweiten Handel gerissen, allein in Deutschland setzt die Branche Jahr für Jahr etwa eine Milliarde Euro um. Diesen Zahlen gegenüber steht eine ethische Debatte um den Pelz, die seit Jahren sehr erbittert, ja ideologisch, geführt wird.

Tierquälerei und Ausbeutung der Natur um des Menschen Luxus willen sind die Argumente der einen, Ursprünglichkeit und Beständigkeit die der anderen Seite. "Pelz ist ein unvorstellbar grausames Tierqualprodukt und gehört in die Geschichtsbücher", sagt Sebastian Gasior von der Tierrechtsorganisation Peta. "Pelz ist die älteste und natürlichste Bekleidung des Menschen", sagt Susanne Kolb-Wachtel von der Lobbyorganisation Deutsches Pelzinstitut.

Zwar machte vor einigen Jahren Nikolas Gleber aus Berlin mit seinem Label "Friendly Fur" Schlagzeilen, das "ökologisch korrekte" Pelzprodukte vertreibt - Handtaschen, Mützen und Kissen aus Fuchsfellen, die sonst in der Tierkörperbeseitigung landen würden. Es gibt Design-Preise für Entwürfe aus heimischen Wildfellen. Doch Zwischentöne wie diese sind selten im Kulturkampf, der um den Pelz tobt. Nach Angaben des Deutschen Pelzinstituts stammen 47 Prozent der neu verarbeiteten Felle aus spezieller Zucht, 37 Prozent aus Stall- und Weidehaltung und 16 Prozent aus Jagd und Schädlingsbegrenzung.

Pelz gleich Pelz?

Macht es einen Unterschied, ob für einen Mantel 35 hochgezüchtete Nerze qualvoll sterben oder ob er aus dem Fell von einigen der gut 500.000 Rotfüchse gefertigt wird, die im vergangenen Jahr in Deutschland gejagt und zum allergrößten Teil im Wald vergraben wurden? Ist eine Jacke aus dem Fell eines Schlachtlamms politisch korrekter als ein speziell für die Mode gejagter Zobel?

Während die Debatte ums Fleischessen differenziert geführt wird - ist es besser, beim Metzger vor Ort statt Hähnchen aus Massentierhaltung zu kaufen? Wie hängen übermäßiger Fleischkonsum und globale Klimaentwicklung zusammen? - scheint es beim Pelz nur ganz oder gar nicht zu geben. Warum ist das so?

Gesellschaft und Industrie machen Mode, bieten eine Fülle aus Kleidungsstücken und Accessoires, aus denen sich der stilbewusste Mensch von heute sein Selbstbild zusammensetzen kann. "Ganz am Ende einer langen Fertigungslinie von Werten und Bedeutungen wird dem Konsumenten eine Menge an Möglichkeiten angeboten, mit denen er seine Identität prägen kann", schreibt die kanadische Kulturwissenschaftlerin Julia Emberley in ihrem Buch The Cultural Politics of Fur. Wer Pelz trägt, will damit symbolisch auch bestimmte Werte nach außen tragen. Umgekehrt werden dem Kleidungsstück - und damit seiner Trägerin - auch bestimmt Einstellungen zugerechnet.

Dekadentes Statussymbol

Pelz, so betonen gerade Vertreter der Industrie immer wieder, ist das älteste Kleidungsstück des Menschen. "In der jüngeren Altsteinzeit begann der Mensch, mit Fellen seine Lungenflügel vor dem Wind zu schützen", erläutert Sabine Resch, Leiterin des privaten Münchner Studiengangs Modejournalismus "Bald wurden die Häute erlegter Tiere auch zu Trophäen, denen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben und die von Schamanen und ähnlichen Autoritätspersonen getragen wurden." Solch magische Konnotationen sind in den vergangenen Jahrhunderten verschwunden.

Auch war Pelz anders als etwa Purpur im Mittelalter, nicht per Kleiderordnung bestimmten Ständen verboten. Dennoch blieb er stets auch Mittel zur sozialen Distinktion. Adlige wie Bürger zeigten ihren Reichtum, indem sie kostbare und teure Felle, die modisch bearbeitet waren, zur Schau stellten - eine Methode der Abgrenzung, die über Jahrhunderte erhalten blieb. "In den 1920er Jahren trug man besondere Tiere, um sich abzuheben", sagt die Modetheoretikerin Anna Zika. "Erst während der Nachkriegszeit wurde der Pelz an sich zum Luxusgut."

In den Jahrzehnten danach entstand eine Konnotation von Dekadenz, die mit dem Pelzmantel bis heute untrennbar verknüpft ist. "Nichts ist so plakativ wie Pelz - außer vielleicht Gold", sagt Sabine Resch. Sie verweist auch auf die kulturellen Unterschiede: In Russland zum Beispiel gilt ein Pelz als unverzichtbares Statussymbol. Viele würden dort eher auf Haus und Ofen verzichten als auf den Pelzmantel, sagt Resch. Hierzulande wird die Zurschaustellung von Reichtum und Schichtzugehörigkeit durch Autos oder Uhren fraglos akzeptiert, der Pelz in seiner Protzigkeit aber sehr skeptisch beäugt - und bisweilen sogar ins Zwielicht gerückt. "Zeigt sich eine junge Frau im Pelz, liegt für viele möglicherweise der Verdacht nahe: Die kann ja nicht auf rechtem Wege daran gekommen sein", meint Anna Zika von der Fachhochschule Bielefeld.

Auf potentielle Trägerinnen kann die luxuriöse Symbolik des Pelzmantels ganz unterschiedliche Wirkung entfalten, wie die kanadische Wissenschaftlerin Julia V. Emberley in ihrer Kulturgeschichte des Pelzes (The Cultural Politics of Fur) notiert: Die Darstellung von pelzbemäntelten Frauen in Kunst und Medien könnten entweder die "Lusterfahrungen" der potentiellen Kundinnen aufgreifen - Pelz, da ist sich Emberley mit Modehistorikern einig, weckt auch erotische Assoziationen. Oder aber "die ideologische Sichtweise auf Pelz als dekadent, als materieller Exzess und elitäres Gut" schrecke Frauen ab. Womöglich liegt es auch an letzterer Wirkung, dass die Debatte um Pelz in den vergangenen Jahren derart fundamentalistisch geführt wurde - anders als zum Beispiel die um das Fleischessen: Dem, was wir in unsere Einkaufswagen legen, fehlt eine vergleichbare symbolische Überhöhung.

Dass ungeachtet dessen Nerze, Lämmer und Füchse indes die Mode zurückerobern, könnte zum einen daran liegen, dass der Hype um den Webpelz abgeebbt ist. Zwar müssen für seine Produktion keine Tiere ihr Leben lassen, aber für seine Herstellung wird Erdöl benötigt - und große Mengen an Energie. Das Tragen von Kunstpelz mag politisch korrekt sein, umweltfreundlich ist es nicht.

Zum anderen gewinnen in der finanzkrisengezeichneten Konsumgesellschaft Werte an Bedeutung, die dem Pelz durchaus zugeschrieben werden können. "In der nachkapitalistischen Gesellschaft, da Konsum bewusster und langfristiger werden soll, suchen Menschen wieder nach Beständigkeit", sagt Johann Stockhammer, Designer und Dozent an der Fachhochschule Pforzheim. Pelzmäntel werden oft von Generation zu Generation weitergegeben, können Jahrzehnte überstehen. "Pelzmäntel werden zunehmend recycelt, Fundstücke vom Flohmarkt wiederverarbeitet", berichtet Stockhammer aus der Arbeit mit seinen Studenten.

Zu der Einschätzung des Designers passen die Schilderungen von Susanne Plappert-Piller, Präsidentin des Zentralverbands des Kürschnerhandwerks. Zu 70 Prozent, sagt die Kürschnerin aus Mannheim, ist sie mit der Umarbeitung alter Mäntel beschäftigt. Stücke, die entweder vererbt wurden - oder einige Jahrzehnte im Schrank versteckt worden waren. In den vergangen Jahrzehnten hätten allein in Mannheim 38 der ursprünglich 40 Pelzgeschäfte geschlossen, berichtet Plappert-Piller. Das bedeutet 38 Mal Räumungsverkauf und Aberhunderte Pelze, die in Schränken und auf Dachböden warten, bis ihre Zeit gekommen ist.

Für Kritiker macht es keinen Unterschied, wie alt ein Pelz ist. Auch ein gebrauchter Pelzmantel stehe für eine falsche Aussage, heißt es unter der Überschrift "Weil es für Pelz keine Entschuldigung gibt" auf der entsprechenden Aktionsseite von Peta. Die Tierschutzorganisation ruft dazu auf, "ungewollte Pelze" an Kleiderkammern zu spenden.

Statussymbol und Hassobjekt, unverwüstliches Erbstück, sanfter Hautschmeichler und Nerzfriedhof: Der Pelz ist zurück. Die Designer halten sich nicht an ethische Debatten.

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