Trendgerät IO Hawk: Da flieg ich drauf

Egal wie das Sci-Fi-Gerät korrekt heißt: Es verleiht Superheldenkräfte. Und macht Riesenspaß.

Von Lena Jakat

Für alle Nicht-Elyas-M'Bareks und Nicht-Kate-Mosses dieser Welt kann es eine interessante Erfahrung sein, einmal alle Blicke auf sich zu ziehen. Die Person zu sein, nach der sich Köpfe verrenken, bei deren Anblick Männer, Frauen, Junge und Alte in ungläubiges Starren verfallen und tiefgekühlten Teenagern ein "total krass, Alter!" entkommt - und das alles ohne Frisör oder Charisma-Seminar. Sondern einzig und allein wegen dieses Wunderdings, das Menschen so anmutig dahingleiten lässt, als würden sie schweben.

Das Gerät hat zwei Elektromotoren, zwei Räder, zwei Trittflächen und keinen Namen, zumindest keinen treffenden. Im mitgelieferten Handbuch ist das Exemplar der Firma IO Hawk als "intelligentes Personenfortbewegungsmittel" beschrieben; ich nenne es deswegen IPFM. Häufig ist im Netz die Rede von "self balancing two wheel electronic scooter". Zurück-in-die-Zukunft-Fans sprechen auch schon mal vom Hoverboard.

Den Film muss man nicht gesehen haben, um sich auf dem IPFM in der Zukunft angekommen zu fühlen. Je nach Geschwindigkeit gibt das Brett ein leiseres oder lauteres Roboter-Surren von sich, blaue LEDs blinken dazu. Bis zu zehn Kilometer pro Stunde schafft das Gerät, schnell genug, dass der Fahrtwind die Haare zur Hollywood-Mähne toupiert. Das heißt, wenn der Hoverboarder keinen Helm trägt, was ihm das Benutzerhandbuch dringend rät.

Info: IO HAWK

Gewicht: 10 Kilogramm

Höchstgeschwindigkeit: 10 km/h

Reichweite: 14-20 km pro Akkuladung

Ladezeit: 2-3 Stunden

Zulässige Belastung: 20-125 Kilogramm

Preis: 1500 Euro

Weiter Infos hier.

Am nächsten Randstein fällt die Frisur in sich zusammen. Die Zukunft wird ausgebremst, es heißt absteigen und das Gerät über die Kreuzung tragen. Schließlich schafft der IO Hawk nur Höhenunterschiede bis zu 1,27 Zentimeter. Was bei einem Gewicht von zehn Kilogramm zu einem beidarmigen Wuchten führt. Um das Eleganzlevel aufrecht zu erhalten und das Gerät mit einer lässig erhobenen Hand zu transportieren, fehlen mir drei Jahre Fitnessstudio im Oberarm.

Das Board funktioniert über sensible Sensortechnik und Hochleistungs-Chips. So erkennt es den Körperschwerpunkt seines Fahrers und lenkt, beschleunigt oder bremst entsprechend. Was in der Theorie vielleicht logisch klingt, wird beim ersten Aufsteigen zur Herausforderung. Ein Bein auf dem Boden, eines auf dem Gerät, säbelt selbiges, scheinbar unkontrolliert rotierend, seinen Besitzer schonmal um. Wer auf dem IPFM schließlich zum Stehen kommt, tut dies in der Regel zunächst mit wackeligen Knien und wedelnden Armen. Auch ich traue dem Attribut "self" in "self balancing" anfangs noch nicht über den Weg.

Seit die ersten Hoverboard-Modelle Anfang des Jahres in den USA und Europa auftauchten - in Deutschland wurde der IO Hawk im März auf der Cebit präsentiert - wollen sehr viele Menschen durch die Welt schweben. Ganz so wie Marty McFly und Justin Bieber.

Auch Cara Delevigne, Chris Brown, Kendall Jenner und viele andere Promis haben mit lustigen Videos auf ihren Instagram-Accounts und Youtube-Kanälen die Dinger zu einem viralen Hit gemacht und dazu beigetraten, dass die Nachfrage explodiert - trotz der stattlichen Preise von bis zu 1800 Dollar. Als ich selbst das erste IPFM sah, in der Abenddämmerung in einem Münchner Park, glaubte ich zunächst an eine optische Täuschung. War da tatsächlich ein Mädchen in Tschador mit blinkenden Lichtern an mir vorbeigeschwebt?

Erst Angst, dann Schweben

"Drei bis fünf Minuten" sind laut Herstellerangabe durchschnittlich nötig, um das Wedeln mit den Armen und das Wackeln mit den Beinen abzustellen und das Grundprinzip zu verinnerlichen. Was lächerlich wenig klingt, erweist sich nach wenigen Versuchen als ziemlich valider Wert. Hat mein Gehirn nämlich erst einmal die Angst ausgeknipst und verlässt sich auf die Rückmeldungen von diversen Sinnesorganen, gelingt es mir, entspannt zu stehen. Dann braucht es wirklich nur noch ein bisschen Übung, um Richtung, Kurven und Tempo zuverlässig zu meistern.

Im Mai rollte der Schauspieler Jamie Foxx auf einem solchen Gerät durch das Studio der Tonight Show und sagte: "Das ist ein äh ... Phunkee Duck." Die Firma IO Hawk sagte später: "Das war ein IO Hawk." Manuel Wieler, der für die Firma den Vertrieb in Europa organisiert, formuliert es so: "Phunkee Duck ist eines der bekannteren Plagiate." Tatsächlich unterscheiden sich die Geräte beider Hersteller - bis auf den Phunkee-Duck-Aufdruck - kaum voneinander. Gleiches gilt für das "Original and Official" Swagway, für das Oxboard oder Airboad und andere (von optisch leicht abgewandelten Produkten ganz zu schweigen), die nach wenigen Klicks für ein paar hundert Euro zu finden sind. Bei IO Hawk betont man, das einzige Original zu vertreiben, und warnt vor technisch minderwertigen Imitaten.

Hergestellt werden all diese Geräte in China, und dort wurden sie den Recherchen von Wired-Autor David Pierce zufolge auch erfunden. Wahrscheinlich von einer Firma namens Chic, deren Logo dem von IO Hawk tatsächlich auffällig ähnelt.

Wie eine Science-Fiction-Fee durch die Redaktionsflure zu flitzen, ist ein Riesenspaß, wenngleich in seiner Sinnhaftigkeit begrenzt. Richtig praktisch kann man sich die Geräte in Messehallen, Flughafenterminals oder anderen Orten vorstellen, an denen sich Gegenwartsmenschen die Füße wundlaufen. Ohne Zweifel steigert ein glatter Boden das Eleganz- und Zukunftsgefühl. Eine versteckte Wurzel unter dem Asphalt oder eine unebene Straßenpflasterstrecke führen zu ungrazilen Verrenkungen oder gar einem gehüpften Not-Abstieg. Was dem empfindlichen Plastikgehäuse des Geräts nicht gerade zuträglich ist.

Polizeikontrolle für das Sci-Fi-Board

Kürzlich wurde die Straße vor meinem Haus geteert und avancierte damit zum perfekten Übungsparcous. Als ich am Sonntagvormittag in der 30er-Zone an meinen Körperschwerpunkt arbeitete, kam ein Streifenwagen auf mich zugerollt. In unserer Straße rollen nie Streifenwagen herum. "Die muss jemand alarmiert haben", dachte ich noch und schon ging die Scheibe auf der Fahrerseite herunter. "Klappt no ned so, oder?", fragte ein gutaussehender Beamter, Typ und Spruch wie aus einem München-Tatort-Drehbuch. "Weiterüben", befahl er noch und schwebte seinerseits in dem Polizeiauto von dannen. Ein bisschen Erleichterung mischte sich in die Entrüstung über meine spaßfreien Nachbarn. Denn bislang darf man den IO Hawk offiziell nur auf Privatgelände betreiben.

Das soll sich bald ändern und der IO Hawk eine Straßenzulassung erhalten wie das Segway. Das wäre zu hoffen, schließlich ist das Gerät so viel cooler als das peinliche Touri-Karawanen-Teil. So klein und unauffällig wirken die Hoverboards im Verhältnis zu seiner Leistung, dass sie den Fahrer quasi zum selbstschwebenden Superhelden machen. Klar, außerhalb von Fahrradhighways und Redaktionsfluren ist das Gerät wenig alltagstauglich. Mit seinem Gewicht, dem hohen Preis und der mangelnden Geländegängigkeit bleibt es ein recht sinnfreies Spaßgerät.

Aber wenn die technische Entwicklung in dem Tempo weitergeht (siehe etwa: Walkcar), wird Justin Bieber spätestens in zwei Jahren Videos davon posten, wie er mit einem Mini-Motor unter den Achseln durch sein Wohnzimmer fliegt. Wir alle werden auf IPFM durch die Straßen hovern. Und niemand wird sich mehr veranlasst sehen, dafür den Blick von seinem Smartphone zu lösen.

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