Trend:Es korkt!

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Stühle, Tische und Lampen: Ein altes Naturmaterial bekommt von den Designern plötzlich lauter neue Aufgaben verpasst.

Von Max Scharnigg

Bis sich beim Möbel- und Produktdesign so etwas wie ein Materialtrend erkennen lässt, vergeht meist deutlich mehr Zeit als zum Beispiel in der Mode. Beim Thema Kork wird die Sache etwas beschleunigt ablaufen, was daran liegt, dass sich Ikea des Themas angenommen hat - also der größte Durchlauferhitzer, den sich ein lauwarmer Trend wünschen kann. Der Konzern reagiert schon länger und in kleinen Schritten auf sich verändernde Kaufgewohnheiten der Kunden. Einheitsmöbel und irgendwie egale Basics haben deutlich an Attraktivität verloren, auch im Low-Budget-Bereich sind heute namhafte Designer gewünscht - oder zumindest Möbel, die danach aussehen. Deswegen lancieren die Schweden über das Jahr verteilt zunehmend kleine Extra-Kollektionen, die immer näher an den Zeitgeist heranrücken. So viel Strahlkraft wie in den letzten Monaten ging von der Ikea-Homepage und den Newslettern jedenfalls schon lange nicht mehr aus. Höhepunkt dieser Entwicklung ist die kleine Sinnerlig-Kollektion, die für diesen Sommer angekündigt ist und für die die Londoner Designerin Ilse Crawford mit ihrem etablierten Büro StudioIlse verantwortlich zeichnet. Die Überraschung ist dabei die großflächige Verwendung von Kork als Oberfläche von archaischen Tischen und Bänken. Diese dicken Korkschichten der Ilse Crawford lösen beim Betrachter so etwas wie einen unbedingten Anfass-Reflex aus. Bei der Vorstellung im Zuge des Salone del Mobile in Mailand konnte jedenfalls kaum jemand an den schlichten Garnituren vorbeigehen, ohne den fein geschliffenen Kork zu streicheln oder darauf Platz zu nehmen.

Kork als ganze Tischplatte bei Ikea. (Foto: Felix Odell/Ikea)

Gerade der dämmende und hitzefeste Charakter qualifiziert den Werkstoff zur Nutzoberfläche für Essen und Trinken. Kork als Tischplatte ist also eine natürliche, aber trotzdem verblüffende Alternative, schließlich hatte man das Naturmaterial bis dato im Haushalt auf Pinnwände und Untersetzer reduziert oder allenfalls noch als Bodenbelag oder Dämmstoff verwendet. Jasper Morrisons exzentrische Kork-Hocker, die 2004 bei Vitra ins Programm kamen, hatten ihren Exotenstatus jedenfalls zehn Jahre lang kaum verteidigen müssen.

Eine Sitzschale von Carlos Ortega aus Kork. (Foto: archiproducts)

Das ändert sich jetzt, überall rücken Designer das interessante Material ins Rampenlicht. Ganz wörtlich beim französischen Lampenhersteller Forestier, für den Emanuel Gallina zwei neue Lampen mit Korkfüßen entwarf. Rutschfest, matt, leicht, isolierend und schlechter Wärmeleiter - die Eigenschaften des Korks sind gerade in Zusammenhang mit Licht so offensichtlich, dass es fast erstaunlich ist, dass bisher so wenig davon zu sehen war. Sebastian Conran, Sohn der britischen Design-Legende Sir Terence Conran, verwendet für sein puristisches Haushalts-Label Universal Expert sonst vermeintlich zeitlose Materialien wie Borsilikatglas, matten Edelstahl und Labor-Porzellan. Eine neue Kollektion von Büroartikeln hat er nun aber in Kork gearbeitet. Vorteile: Wenn sie vom Tisch fallen, nimmt der Kork keinen Schaden und vermittelt auch in Business-Atmosphäre eine authentische und kreative Note. Außerdem ist das Material in guter Verarbeitung zäher, als man das von bröselnden Weinkorken ableiten möchte. Deswegen dürfte das Experimentieren damit auch noch eine Weile weitergehen, der spanische Produktdesigner Carlos Ortega hat mit seinen Corkigami-Stühlen aus Eiche und Korkmatten jedenfalls letztes Jahr schon vorgemacht, wie auch belastbare organische Formen mit Kork entstehen können. Übrigens muss der natürlich auch nicht immer korkbraun sein. Ortegas neuestes Projekt sind Containerboxen aus laminiertem Kork, die in einer dezenten Farbpalette angeboten werden.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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