Tag des deutschen Brotes:Laib mit Seele

Tag des deutschen Brotes: Die Schwedin Malin Elmlid kommt aus der Modebranche. Sie liebt Weißbrot und fand wenig Gefallen an der Auswahl in Deutschland.

Die Schwedin Malin Elmlid kommt aus der Modebranche. Sie liebt Weißbrot und fand wenig Gefallen an der Auswahl in Deutschland.

(Foto: Kim Keibel)

Mit 3000 Brotsorten können die Deutschen den heutigen Tag des deutschen Brotes feiern. Doch dazu gehören auch viele Industrieteiglinge aus Fernost. Darum backen viele Verbraucher wieder selbst - und bieten das Brot auf unterschiedlichste Weise im Internet an.

Von Kathrin Hollmer

Behutsam tastet Malin Elmlid den Laib ab, den sie vor einer halben Stunde aus ihrem Backofen geholt hat. Das Brot ist noch warm, die Kruste resch. Es duftet so säuerlich-würzig, dass man es anschneiden möchte.

Aber zum Probieren ist es zu früh. Malin Elmlid nimmt den Laib und verschwindet kurz auf den Balkon ihrer Altbauwohnung, in der Berliner Frühlingsluft soll er abkühlen. Beim Backen müsse man warten können, sagt sie. "Sauerteigbrot entwickelt seinen Geschmack eigentlich erst nach einem Tag so richtig."

Die 33-Jährige steht im schwarzen Pulli, grauen Jeans und dicken Stricksocken in ihrer Küche in Prenzlauer Berg. Ein heimeliges Bild, es wirkt fast wie gestellt für das Backbuch, an dem sie gerade arbeitet: das knarzende Parkett, das Glas mit dem überquellenden Sauerteig. Doch für Elmlid ist das Alltag. Seit gut zehn Jahren lebt die Schwedin in Berlin. Sie kam, um in der Modebranche zu arbeiten, zuletzt als Salesmanagerin bei einer Jeansmarke. Nun könnte das Brotbacken bald ihr Beruf sein.

Zwischen Hygieneskandal und Heimweh

Dabei hat alles mit einer Enttäuschung begonnen. Elmlid hätte nie geahnt, dass sie hier ausgerechnet mit dem Lebensmittel unzufrieden sein würde, das in aller Welt den besten Ruf hat: mit deutschem Brot, genauer: mit Weizenbrot. "Deutschland hat eine tolle Brotkultur, Roggenbrot schmeckt hier wunderbar", sagt die Schwedin. Aber sie mag Fisch und Muscheln, "dazu serviert man kein Roggenbrot. Zu den meisten Gerichten, die ich esse, passt Weizenbrot. Da hat mir ein gutes gefehlt."

Eigentlich kennt man das anders herum: Im Ausland vermissen viele Deutsche zuerst ihr Brot. Die Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim bemüht sich gerade darum, die deutsche Brotkultur zum Weltkulturerbe zu machen. Gut 3000 verschiedene Sorten gibt es bei uns, mehr als in jedem anderen Land. Und da soll kein anständiges Weizenbrot dabei sein?

Tatsächlich denken inzwischen viele so wie Malin Elmlid. Das Brot aus den Bäckereiketten und Supermärkten schmeckt seit Jahren überall gleich. Deutsche Bäcker pumpen schlaffe Teiglinge im Ofen auf, oft importiert aus China oder Osteuropa, auch viele kleine Betriebe verwenden Backmischungen, um konkurrenzfähig zu sein.

Zur Langeweile kommt das Misstrauen.Nach dem Hygieneskandal in der bayerischen Großbäckerei Müller zum Beispiel begannen viele Kunden über ihr Brot nachzudenken, 2012 kauften die Deutschen fast zwei Prozent weniger als im Vorjahr.

Konzertkarten im Tausch gegen Brot

Dabei ist die Lust auf gutes Brot so groß wie nie. Edelketten wie "Panem", "Pano", "Aran" und "Manufactum Brot & Butter" eröffnen eine Filiale nach der anderen, Berliner Brot-Cafés wie "Die Stulle" und "Zeit für Brot" belegen keine Bagels oder Panini mehr, sondern die gute alte Schnitte.

Und privat wollen immer weniger Leute es dem Zufall überlassen, ob ihr Brot schmeckt (hier geht es zum Rezept für ein Kastanie-Dinkel-Brot). Sie backen nun selbst - und die Branche zieht nach: Die Zahl entsprechender Rezeptbücher und Brot-Blogs wächst rasant. Und dieser Tage kommt auch das erste deutsche Brotback-Magazin auf den Markt.

Soviel Gewese ums Brot wurde zuletzt in den 80er-Jahren gemacht, als die Brotbackautomaten aufkamen. Heute knetet man lieber von Hand - ob nun mit Sauerteig oder Hefe. Malin Elmlid begann damit bereits 2007. Doch bald backte sie so viel Brot, dass sie anfing, es an Nachbarn und Freunde zu verschenken. "Einmal rief der Kollege einer Freundin bei mir an und wollte mir Karten für die Philharmonie schenken, weil ihm mein Brot so gut geschmeckt hat", erzählt sie.

Teig wie ein Tamagotchi

Als immer mehr solche Angebote kamen, gründete sie 2009 ihre Website "The Bread Exchange", um auch mit Fremden zu tauschen. Das sprach sich herum, bis heute hat sie mehr als 1300 Brote eingetauscht, oft sechs Laibe pro Woche - gegen Käsefondue aus Montreux, Fahrradreparaturen, Lammkeulen oder sogar ganze Wildschweine. Zuletzt tauschte sie Brot gegen die Fotos für das Brotbackbuch, an dem sie arbeitet.

Nach 30 Minuten ist der Laib kalt genug. Malin Elmlid beginnt, ihn anzuschneiden, während sie weiter erklärt. Den Teig etwa knetet sie nie, sie faltet ihn. Die Ecken schön zur Mitte, fast so, als würde man ein T-Shirt zusammenlegen. "Kneten macht mir keinen Spaß", sagt Elmlid. So backt sie überall; auf Reisen, in Hotels oder in den Hinterzimmern der Modewochen - eine Knetmaschine hätte da eh keinen Platz, oft gibt es nicht mal ein Waschbecken.

Malin Elmlid backt nur mit Sauerteig. "Der ist wie ein Tamagotchi", sagt sie. "Du musst den Teig falten, wenn er eben gefaltet werden muss. Manchmal zum letzten Mal um zwei Uhr nachts und dann wieder morgens um halb sieben. Die Raumtemperatur sollte stimmen. Ideal sind um die 18 Grad, dann gärt er lange genug, am besten 20 Stunden." Sie schneidet zwei Scheiben ab und zeigt auf die unterschiedlich großen Poren: "Das ist meist ein Zeichen von Handwerk", erklärt sie. "Dafür, dass das Brot viel Zeit hatte und viel Wasser im Teig ist."

Handarbeit, die immer gefragter ist. Denn auch Kurse, in denen man den Umgang mit Hefe und Sauerteig lernt, sind so beliebt wie nie. Anbieter erzählen von langen Wartelisten, auch die Kurse, die Lutz Geißler seit Kurzem gibt, seien immer schnell ausgebucht, sagt er. Jeder, der im Netz nach Brotrezepten sucht, landet früher oder später auf Geißlers Seite Ploetzblog.

Knapp 600 Rezepte finden sich dort inzwischen. Der 30-Jährige ist weder Bäcker noch Cafébetreiber. Er ist Geologe. Zum Brotbacken kam er 2008; er hatte nach etwas Handwerklichem als Ausgleich zur Computerarbeit gesucht - und ist doch wieder vor dem Bildschirm gelandet: Auf seinem Blog schreibt er über seine Backerfahrungen, teilt Rezepte, probiert welche von Lesern aus.

Und alle zwei bis drei Wochen backt Geißler den ganzen Tag und steht dafür um drei Uhr morgens auf. Am Ende schiebt er bis zu 15 verschiedene Brote in den Ofen.

Gibt es das Idealrezept?

"Es ist immer noch eine Minderheit, die sich fürs Brotbacken interessiert", sagt er nüchtern, "die große Masse geht zum Supermarkt oder Backdiscounter." Aber Geißler merkt, wie das Interesse steigt: Innerhalb des vergangenen Jahres hat sich die Zahl der Direktzugriffe auf seine Seite verdreifacht, auf nun 60 000 pro Monat. Rechnet man indirekte Zugriffe mit, dann erreicht er monatlich sogar mehr als eine Million Leser. Auch Geißler hat gerade ein "Brotbackbuch" veröffentlicht.

Seine meisten Leser sind aufs Backen gekommen, weil der gute Bäcker um die Ecke schließt oder das Industriebrot nicht mehr schmeckt, andere, weil sie es nicht vertragen. Die wachsende Zahl von Allergien ist der zweite Grund für den Hype ums Selbstgebackene.

Das Idealrezept ist eine Frage der Routine. "Am wichtigsten ist Ausprobieren, irgendwann klappt es dann mit dem perfekten Brot", sagt Lutz Geißler, in dessen Kursen sogar Profibäcker Rat suchen. Aber worauf kommt es an? Zuerst auf das richtige Mehl: Anfängern genüge meist das Weizenmehl aus dem Supermarkt, Type 1050 für Brot oder 550 für Brötchen. Fortgeschrittene kauften meist direkt in der Mühle. Auch da rät Geißler zu fragen, was im Mehl ist: "Müller können Zusatzstoffe beimischen, ohne es deklarieren zu müssen."

Vor dem Backen sollte man den Ofen eine Stunde bei voller Hitze vorheizen, sagt Geißler. "Auch wenn die Anzeige angibt, dass der Ofen die Temperatur erreicht hat - meist ist das ein Trugschluss". Zudem verwendet er einen Backstein, der Temperaturverluste ausgleicht und die Kruste knuspriger macht.

Wichtig sei auch, den Ofen zu bedampfen. Dafür heizt Geißler Schrauben oder Nägel in einer flachen Schale auf dem Ofenboden mit vor. "Sobald der Teig im Ofen ist, schüttet man vorsichtig 50 bis 80 Milliliter Wasser auf die heißen Schrauben und schließt schnell die Ofentür." Es ist der Aufwand, der immer noch viele vom Brotbacken abhält, speziell wenn es um Sauerteig geht, der über Tage mit Mehl und Wasser angesetzt wird. (Klicken für Erfahrungsberichte zum Selberbacken)

Zusammenstellung nach Baukastensystem

Das fand auch Johannes Arning, der als Politikstudent in Berlin vor Jahren vergeblich nach gutem Brot suchte. Eines Abends, als er "wieder mal ein Brot aß, ohne richtige Kruste und viel zu trocken", begann Arning zu recherchieren, wie man Brot backt. "Zu kompliziert!", sagt der heute 26-Jährige. Er überlegte, wieso man nicht mit weniger Aufwand gutes Brot machen kann - und gründete, als Uni-Projekt, eine kleine Firma: "Brotliebling".

Auf der Webseite stellt man sich nach einem Baukastensystem die Zutaten zusammen. Von der Getreidesorte über Nüsse und Körner bis hin zu Gewürzen. Einige Tage später kommt die persönliche Backmischung per Post. Natürlich seien da "keine Zusatzstoffe drin wie in Backmischungen aus dem Supermarkt", erklärt Arning, der "Brotliebling" heute hauptberuflich betreibt.

Bestellungen gehen nun täglich ein, leben kann der 26-Jährige von seiner Idee aber noch nicht ganz. Er ist gerade dabei, sein Sortiment um glutenfreie Ware zu erweitern. Derzeit ist das "rustikale Weißbrot mit Kräutern der Provence und Walnüssen" am beliebtesten. Eine Mischung, die Puristen wie Malin Elmlid allerdings ablehnen.

Krachende Kruste

Die Schwedin beschränkt sie sich am liebsten auf nur drei Zutaten: Mehl, Wasser und etwas Salz. "Da schmeckt man das Getreide und den Sauerteig richtig raus", sagt sie. "Viele Leute denken: wie spannend, ein Brot mit getrockneten Tomaten! Ich persönlich würde die nur verwenden, wenn ich schlechtes Hefebrot mache." Elmlid gehört unter den semiprofessionellen Privatbäckern zu den Ambitioniertesten.

Sie nimmt nicht mal warmes Wasser zum Teigansetzen: "Mit wärmerem Wasser geht es schneller, dann verliert man aber einen Teil des Geschmacks." Während sich Industriebrot dem Rhythmus der Maschinen anpassen muss, richtet sich die Schwedin nach dem natürlichen Rhythmus des Teiges. Das sieht, riecht und schmeckt man. Die Kruste kracht beim Reinbeißen, das Innere ist weich, es schmeckt säuerlich und intensiv nach Getreide.

Dann versteht man plötzlich auch, was auf Elmlids hölzernem Buttermesser steht: "Not for all the butter in Småland". "Nicht für alles Geld der Welt", könnte man es übersetzen. Und man weiß sofort, warum sie ihr Brot nie verkaufen würde.

Linktipps:

Malins Brottausch: www.thebreadexchange.com und https://www.facebook.com/BreadExchange

Lutz Geißlers Blog: www.ploetzblog.de

Versand Brotliebling: www.brotliebling.de

US-Blog zu Brot: www.thefreshloaf.com

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